Das Wetter ist feucht, aber nicht fröhlich. Von wegen Regen bringt Segen. Den Hotelangestellten und Amateurfilmer Karim (Jamel Debbouzze) demotiviert er. Eine düstere Wolke hängt über seinem Gesicht und den Dreharbeit des Filmprojekts mit dem Journalisten Michel (Jean-Pierre Bacri). Einen Dokumentarfilm über erfolgreiche Frauen planen die beiden wenig feministisch eingestellten Herren. Im Zentrum soll die engagierte Politikerin Agathe Villanova (Agnes Jaoui) stehen. Zum Wahlkampf nach Südfrankreich muss die Feministin hauptsächlich dank der Frauenquote. Das keineswegs sonnige Wetter macht die Reise noch frustrierender. Für Agathes jüngere Schwester Florence (Pascale Arbillot) hängt der Himmel ebenfalls voller Wolken statt Geigen. In der Ehe mit ihrem unreifen Mann Stephane (Guillaume de Tonquedec) ist sie unglücklich. Den letzten Schritt zu einem Neubeginn mit ihrem heimlichen Liebhaber Michel wagt sie nicht. Der wandert mit Agathe und Karim kamerabewehrt durch die Landschaft, um die Dokumentation zu drehen. Der Film im Film will einfach nicht werden. Das Wetter, Schafherden und Wagenpannen boykottieren den Dreh. Dafür helfen sie, das missmutige Trio einander näher zu bringen. Jeder der drei fühlt sich diskriminiert, Karim wegen seiner ausländischen Abstammung, Agathe als Frau in der Politik, Michel als Vater ohne Sorgerecht. Die Benachteiligung beklagen sie zu Recht. Gleichzeitig verweist “Erzähl mir was vom Regen” mit einfühlsamer Scharfsicht auf die Engstirnigkeit, die eine solche Opferrolle mit sich bringen kann, wenn man sich in sie verrennt. Definiert man sich rein durch den Opferstatus, wird er zementiert statt aufgebrochen. Gewohnheit kann zum Gefängnis werden. Agathes Schwester Florence hat es sich darin bequem gemacht. Sie redet von ihrer angeblichen neu errungenen Freiheit und bleibt dennoch lieber im sicheren Hafen der Ehe. Die beiden Amateurfilmer und Agathe hingegen wagen neue Schritte, nicht nur durch die nasskalte Landschaft, sondern auf ihren Lebenswegen. Sich Treubleiben muss dabei nicht zwangsläufig einen Umschwung nach sich ziehen, sondern kann Beharren auf dem selbstgewählten Ziel sein.
Die stillen, aber nachhaltigen Veränderungen der Hauptfiguren und ihr behutsames Öffnen füreinander inszeniert “Erzähl mir was vom Regen” ohne große Aufregung. Statt Gefühlsausbrüchen gibt es Wolkenbrüche, die Charaktere weinen kaum, nur der Himmel. Doch, wo trübes Wetter herrscht, muss nicht trüber Sinn sein. Aus alltäglichen Situationen kreiert Jaoui die ihr eigene skurrile Komik, mit welcher sie bereits in ihren preisgekrönten früheren Filmen “Schau mich an” und “Lust auf anderes” glänzte. Familiäre und freundschaftliche Beziehungen bestimmen das Verhältnis der Protagonisten stärker als Romanzen. Die unvermeidlich erscheinende Liebesgeschichte zwischen Michel und Agathe ereignet sich nicht. Stattdessen finden die beiden ebenso kostbare Freundschaft. Den drei Hauptakteuren gehen ihre unter der gewöhnlichen Oberfläche komplexen Charaktere dabei so leicht von der Hand, dass “Erzähl mir was vom Regen” niemals ins Behäbige sinkt. Weder der Himmel noch die Protagonisten haben viel Grund zum Strahlen. Doch dies erzeugt ein inneres Leuchten in “Erzähl mir was vom Regen”. Wie ein schwacher Sonnenschein nach einem Regenguss erfreut die Komödie mehr als der übliche ewigblaue Himmel der Sommerfilme.
Ein Chanson von George Brassens inspirierte den Titel: “Kein Wort vom Sonnenschein. Der Sonnenschein macht mich wütend.“, heißt es darin. So fühlt man auch angesichts der Überzahl an angestrengten Gute-Laune-Filmchen, welche der Sommer meist mit sich bringt. Agnes Jaouis Tragikkomödie ist da erfrischend wie ein Schauer bei übermäßiger Hitze. Amüsant statt mit brüllenden Lachern, überlegt statt überspannt. Bleibt zu hoffen, daß die Autorin und Regisseurin nicht nur um Erzählungen bittet, sondern mehr von ihren eigenen bringt. Das Wetter spielt dabei keine Rolle. Nach der tiefsinnigen Tragikkomödie “Erzähl mir was vom Regen”, trägt man die Sonne im Herzen.
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Titel: Erzähl mir was vom Regen
Originaltitel: Parlez-moi de la plui
Genre: Drama
Land/Jahr: Frankreich 2008
Kinostart: 30. Juli 2009
Regie und Drehbuch: Agnes Jaoui
Darsteller: Agnes Jaoui, Jean-Pierre Bacri, Jamal Debbouzze, Pascale Arbillot
Verleih: Alamode Film
Laufzeit: 99 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung