Die Idee der Errichtung einer Vereinigten Nordischen Föderation stammt von dem bekannten schwedischen Historiker Gunnar Wetterberg, der 2009 ein Buch veröffentlichte und vermutete, dass eine solche Vereinigung nach dem Vorbild der USA oder der Schweiz möglich wäre. Mit ähnlicher Verteilung der Rechte und Pflichten aller Mitglieder: Erhaltung der nationalen Identität bei gleichzeitiger Delegierung der außen-, verteidigungs- und teilweise wirtschaftspolitischen Vollmachten an föderale Behörden.
Das Buch wurde als offizielles Dokument des Nordischen Rates, eines Beratungsgremiums der fünf Staaten sowie der Inseln, anerkannt.
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Wenn ein Nicht-Schwede auf diese Idee gekommen wäre, dann wären die Skandinavier wohl viel schneller davon erfasst worden. Aber auf der Halbinsel werden jegliche Initiativen, die in Schweden entstehen, historisch immer sehr misstrauisch wahrgenommen. Die Norweger, Finnen und Dänen, die von ihren stärkeren Nachbarn jahrhundertelang unterdrückt wurden, sind nicht bereit, ihren föderalistischen Enthusiasmus zu teilen.
Denn aus schwedischer Sicht sollte an der Spitze der neuen Nordischen Föderation die dänische Krone symbolisch stehen. Die Norweger konnten sich aus dieser Herrschaft im Jahr 1905 befreien. Eine Rückkehr in alte Zeiten wollen sie nicht.
Man muss aber einräumen, dass es wichtige wirtschaftliche Voraussetzungen und Anreize für die Gründung eines skandinavischen Marktes mit einem einheitlichen Staatsüberbau gibt. Noch mehr als das: Dieser Trend entwickelt sich parallel mit der sich ausweitenden Krise im Euro-Raum. Obwohl weder Norwegen noch Island und Grönland EU-Mitglieder sind, sind sie wirtschaftlich eng mit der Union verbunden und bilden mit ihr als Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums einen einheitlichen Markt.
In den fünf nordischen Ländern (ohne Inseln) leben insgesamt 25 Millionen Menschen. Ihr gesamtes Bruttoinlandsprodukt wird auf etwa 1,6 Billionen US-Dollar geschätzt. Das ist mit dem spanischen BIP vergleichbar, wobei Spanien immerhin die fünftgrößte Wirtschaft in der EU und die neuntgrößte weltweit ist. Die Skandinavier glauben, dass sie dank ihrer Vereinigung eine wichtige Rolle in allen globalen Wirtschaftsorganisationen spielen könnten.
Beispielsweise in der G20, der sie zurzeit nicht angehören. Dadurch könnten sie ihre politische Bedeutung in der Welt steigern. In der Weltpolitik sind sie derzeit hauptsächlich „nur“ als Vermittler gefragt.
Wenn es sich nur um die politische Vereinigung der Skandinaven handeln würde, dann könnte diese Idee als Kuriosität gelten. Aber das ist nicht die einzige Idee, die in Skandinavien im Umlauf ist. Wirtschaftlich richten sich die Skandinavier vor allem nach der EU. Was aber die Naturressourcen angeht, so schauen sie vor allem in Richtung Arktis. Dabei können sie unmöglich Russlands Bemühungen um die „Vermessung“ seines Abschnitts des Arktisschelfs und dementsprechend um die „Privatisierung“ der Bodenschätze übersehen, die darin verborgen sind. Dabei geht es ihnen auch um die Schätze des Meeres und die nördlichen Verkehrswege.
Arktis-Schild der Wikinger
Die politische Vereinigte Nordische Föderation enthält bereits eine Militärkomponente, nämlich eine Grundlage für künftige militärische Vereinigung. Der frühere norwegische Außen- und Verteidigungsminister Thorvald Stoltenberg schlug 2009 vor, einen Nordischen Pakt zu schließen. Im November vorigen Jahres stand dieses Thema auf der Tagesordnung eines Treffens der Außenminister der „Nordischen Fünf“ in Reykjavik. Für April 2011 ist in Helsinki eine neue Diskussion geplant.
Laut dem „Stoltenberg-Plan“ sollte eine Art Mini-Nato (Finnland und Schweden gehören der Allianz nicht an) gebildet werden, an der die skandinavischen und arktischen Länder teilnehmen. Der Block würde militärische und zivile Eingreiftruppen in instabilen Regionen, vereinigte Seelandungs- und Grenzschutztruppen sowie gemeinsame Zentren zur Abwehr von Cyber-Attacken, für Luft-, See- und Satellitenaufklärung und ein System zur Koordinierung aller Aktivitäten in der Arktis inkludieren.
Stoltenberg bezeichnete seinen Plan als eine Antwort auf die sich rasant wandelnden geopolitischen Realitäten. „Wir leben in einer Welt, wo es den Begriff ’sehr weit’ bereits nicht mehr gibt“, betonte er. „Unsere Möglichkeiten sollten unserer Verantwortung angemessen sein, darunter den Herausforderungen in der Arktis, die sich vom Eis befreit.“
Das war ein klarer Hinweis auf die neue russische Sicherheitsstrategie bis 2020, die Präsident Dmitri Medwedew im Mai 2009 unterzeichnet hatte. Dieses Dokument hatte damals fast Panik im Westen ausgelöst, weil Russland zu den Gefahren für seine Sicherheit potenzielle Konflikte wegen der Bodenschätze an seinen Grenzen zählte. Russland schloss dabei nicht aus, dass es auch zu Gewalt bei der Beilegung von Konflikten kommen kann.
Da jede strategische Konzeption nicht nur die Festsetzung von nationalen Interessen bzw. Gefahren bedeutet, sondern auch eine Warnung ist, schlussfolgerte man in vielen Haupstädten der Welt, dass Moskau seine Interessen in der Arktis „bis zum letzten Bluttropfen“ verteidigen würde. Es geht nicht mehr um die Scherze vom Schlage der Aufstellung von Flaggen auf dem Boden des Nördlichen Eismeeres. Alles ist ernst geworden.
Der Nordische Plan wurde bereits von allen großen Rüstungskonzernen in Skandinavien befürwortet. Der skandinavische Waffenmarkt könnte im Falle der Umsetzung des Nordischen Paktes zum viertgrößten in der Welt werden, vermutete ein Sprecher von Saab, dem größten Flugzeugbauer in Skandinavien.
Besonders wichtig ist für den Pakt, dass seine Mitglieder große Unterstützung der norwegischen Regierung genießen. Thorvald Stoltenberg ist immerhin der Vater des jetzigen norwegischen Premierministers Jens Stoltenberg.
RIA Novosti