Rojales: Wohltemperierte Höhlenkunst

Die „Cuevas del Rodeo“ gehören zur Geschichte Rojales. 15 der einst 200 Höhlen wurden mit Hilfe des Staates restauriert.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, noch vor gut zwanzig Jahren wollte niemand über die Erdlöcher sprechen. Man war peinlich berührt ob der Tatsache, dass seit dem 19. Jahrhundert um Rojales herum leidenschaftlich gebuddelt worden war. Bewaffnet mit Hacke, Schaufel und Schubkarre rückten Menschen den Felsen zuleibe, und schufen eine ganze Siedlung aus Höhlenwohnungen. Zwar waren nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten der rund 200 „Cuevas“ längst verlassen, verfallen oder steckten voller Müll. Aber sie trugen noch immer den Geruch von Hunger und Not. Nicht gerade die beste Empfehlung, um reiche Norweger, Briten und Deutsche in die von Sonne durchfluteten Ferienvillen zu locken, die aus dem stinknormalen Rojales ein piekfeines Marbella machen sollten.

Obwohl also wenig Staat mit einer Höhle zu machen ist, hat so eine unterirdische Sozialwohnung durchaus ihre Vorteile. Erstens kostet der Bau wenig Geld. Zweitens benötigt man weder Stahlbeton noch Holzkonstruktionen zur Deckenabstützung. Drittens reicht eine Schicht Kalk innen und außen, um der Grabung ein wohnliches Aussehen zu geben. Viertens sorgt das Erdloch stets für gleich bleibende Temperaturen. Im Winter ist es im Inneren warm, im Sommer kühl. Das ganze Jahr über herrschen Grade, die um die mittlere Jahrestemperatur des jeweiligen Gebietes schwanken. Je tiefer man sich in die Erde vergräbt, desto geringer ist der Ausschlag. Im tunesischen Wüstenklima von Matmata beispielsweise, so haben ernsthafte Wissenschaftler herausgefunden, beträgt die Abweichung Celsius bei einer Deckschicht von 7 bis 10 Metern nur ein Grad. Im südspanischen Rojales genügen dafür etwa drei Meter. Die Vorteile einer Erdwohnung liegen also auf der Hand.

Trotzdem wollte mit beginnendem Wohlstand niemand mehr in den Traditions-Höhlen von Rojales einziehen. Schließlich wurde im Gemeinderat die Idee geboren, einige der Erdlöcher mit Mitteln des spanischen Kulturministeriums zu rekonstruieren, um sie dann Künstlern als alternative Werkstätten zur Verfügung zu stellen. Es brauchte einige Zeit, um die Idee reifen zu lassen, aber 1991 begann man mit der Realisierung des Plans. Wie immer drehte sich alles ums liebe Geld. Mitte der neunziger Jahre stellte Madrid die ersten Mittel zur Verfügung, Anfang 2000 folgte vom Kulturministerium der Rest. Insgesamt wurde rund 120 000 Euro zur Verfügung gestellt, um fünfzehn Höhlen zu restaurieren.

Da sich Höhlenwohnungen, verglichen mit normalen Häusern, gut der Landschaft anpassen, sind die künstlerischen Tatorte von Rojales kaum zu sehen. Man wundert sich nur, warum die Felsen an einigen Stellen weiß gekalkt sind und leuchtend blaue Türen haben. Auch ragen da und dort weißgetünchte Schornsteine aus der mit Pflanzen bewachsene Erde. Mit sichtbarem Vergnügen spricht Bürgermeister Garcia über die restaurierten „Cuevas del Rodeo“, die dem Untergang dank des Sanierungsplanes entgangen und zum kulturellen Mittelpunkt der Stadt Rojales geworden sind.

Geboten werden den Besuchern seither nicht nur ungewohnte Einblicke in die Höhlenbau-Kunst, die unterschiedlichsten Künstler und Kunsthandwerker haben sich mittlerweile hier niedergelassen. Die Töpfer, Bildhauer, Maler, Grafiker und Schmuckdesigner aus Nah und Fern müssen nicht einen Cent Atelier-Miete zahlen. „Sie mussten lediglich die Verpflichtung abgeben“, so der Bürgermeister, „sich bei der Arbeit über die Schulter gucken zu lassen.“ Und das tun sie gern.

Reise-Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel.: 030/88 26-543, Fax: 030/ 88 26-661, Internet: www.spain.info

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