Riesending in Sicht – Serie: Mit dem längsten Zug zum größten Schiff (Teil 2/2)

Für eine 42-Quadratmeter Eigner-Suite inklusive Vollpension und täglichem „Captains dinner“, offener Brücke, eigenem Sonnendeck mit Liegestühlen, Nutzung des Fitnessraums, der Sauna und des Meerwasser-Pools zahlt man 100 Euro pro Tag (bei Alleinbelegung 120 €). „Geschenkt“ werden dem Reisenden nur die neun „fehlenden“ Stunden zwischen Ostasien und Europa.

Neue Besatzungsmitglieder werden mit einer Kapitäns-Mitteilung empfangen: „Sie können stolz sein, auf dem größten Containerfrachter unter deutscher Flagge zu fahren!“ Der Blick von oben herab kann berauschend sein. Die Perspektive lässt Wellenhöhen und andere Schiffe schrumpfen.

Bord- und Landleben

An Bord gibt es – das sei Frachterreisen-Skeptikern gesagt – viele Möglichkeiten, sich zu beschäftigen: Sport; schwimmen in „wechselnden Meeren“; ums Schiff walken (eine Stunde ca. 6 Kilometer); lesen; DVDs ansehen; schreiben; fotografieren; Musik hören; filmen; Himmel und Seeluft genießen; auf den Vormast in 42 Meter (Großsegler-)Höhe klettern und Ausguck spielen; Schiffe, Delphine, Wale, fliegende Fische, Sonnenauf- und -untergänge schauen; Gespräche mit den Offizieren auf der Brücke führen; sich einfach nur der Muße hingeben; schlafen. Die Zeit vergeht schneller, als einem lieb ist.

Angelaufen werden die Häfen Yanshan/Shanghai (Stadtbummel durch die City; aber Achtung: 120 US-Dollar verlangt der Agent für je 2 Stunden Autofahrt), Hongkong (nachts, kein Landgang, dafür aber eine fazinierende Panorama-Abendfahrt tief hinein in die strahlende Bucht), Yantian (preiswerte Fahrt per Crew-Taxi, Einkaufsbummel mit Kneipe, Friseur und Massage), Singapur (Taxi: für je 8 Singapur-Dollar durch die City ins indische Viertel), Port Kelang/Malaysia (Taxi für je rund 5 US-Dollar, Stadtbummel durch eine touristenfreie, quirlige Stadt).

Bis auf Hongkong konnten überall sehr individuelle Landausflüge unternommen werden. Kapitän und Agent helfen bei der Organisation. Wenn sich die Passagiere dafür zusammentun, kann viel Geld gespart werden.

Lauernde Piraten

Durchfahren werden nicht nur mehrere Klimazonen von kalt-gemäßigt bis tropisch, drei Ozeane (Pazifik, Indik, Atlantik; dazu Rotes Meer und Mittelmeer), sondern auch zwei berüchtigte Piraten-Gebiete: die Malakka-Straße zwischen Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra sowie der Golf von Aden gegenüber dem Horn von Afrika.

Bis auf fernab laufende Kriegsschiffe nimmt man keinerlei Schutzmaßnahmen direkt wahr. Dann doch ein Zwischenfall in der Meeressstrasse Bab-el-Mandeb, dem „Tor der Tränen“, zwischen Jemen und Somalia. Aus einem Pulk Fischerboote löst sich plötzlich ein Speedboot und hält auf den hinter der „Vela“ fahrenden Bulkcarrier zu. Der schiesst mit Wasserkanonen um sich auf dem potenziellen Angreifer und vertreibt ihn.

Container-Jumbo „CMA CGM Vela“ indes vertraut auf seine Geschwindigkeit von fast 26 Knoten und hohe Bordwände. Erstaunlicherweise werden wesentlich langsamere Schiffe mit geringem Freibord passiert – anscheinend überhaupt nicht geschützt. Auch zwei Kreuzfahrtschiffe. Sie sollen, so vermutete ein Offizier, professionelle, private Anti-Terror-Teams an Bord haben.

Zwischen Kasbah und Elbe

Bei anhaltend schönem Wetter wird der Suezkanal passiert. Fotomotive en masse auf rund 200 Kilometern Tagesfahrt. Nach drei Tagen schließlich Tanger in Nordmarokko. 35 Kilometer Küstenstraße führen zur Millionenstadt. Die altstädtisch-orientalischen Viertel Kasbah, Medina und Mellah mit ihren engen Gassen ziehen die Ausflügler (jedes Jahr landen über vier Millionen Kreuzfahrt-Touristen in die Stadt) magisch an. Leckeres Obst (Erdbeeren, Apfelsinen) werden ebenso wie Tomaten gleich kiloweise, weil zu Spottpreisen, eingekauft. Auch mit Euro. Freundliche Menschen bescheren nachhaltig positive Eindrücke. Ein Atlantik-Bad in der Straße von Gibraltar muss auch sein. Derweil verrichtet der Agent in einer nahen Moschee sein Abendgebet.

Southhampton bietet bei 24 Stunden Liegezeit gleich mehrere sonnige Alternativen: eine Wanderung durch die frühlingshafte englische Parklandschaft, per Bahn in die traditionsreiche Hafenstadt Portsmouth oder gar noch weiter nach London.

Bei Sonnenaufgang hinein in den Englischen Kanal, Nebelfahrt mit Typhon-Konzert in der Nordsee und Abschluss auf der Elbe.

In Wedel-Schulau erklingt die Nationalhymne aus den Lautsprechern der berühmten Schiffsbegrüßungsanlage. Zahlreiche Sehleute blicken von den Blankeneser Villenterrassen oder der Uferpromenade staunend zu dem blau-weißen Riesen auf. Da kommt schon so etwas wie Stolz auf in luftiger Peildeckhöhe.

Pünktlich legt „CMA CGM Vela“ nach einem knappen Drehmanöver vor dem Burchardkai, rund 12.000 Seemeilen und vier Wochen Rückreise wieder in ihrem Heimathafen Hamburg an.

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Infos

Logistische Unterstützung für die Transsib hat die auf solche und andere Ost-Reisen spezialisierte Knop-Reisen GmbH (www.knop-reisen.de) geleistet.

Die Frachterreise wurde von der NSB Frachtschiff-Touristik (www.nsb-reisebuero.de), ebenfalls Bremen, ermöglicht.

Handlich-informative Reiseführer für die Unterwegsländer und -häfen stammen aus dem Polyglott-Verlag (www.polyglott.de).

Über die Transsib gibt es eine Reihe von Spezialliteratur (z.B. Reise Know-How) und Filme (s. Internet).

Nicht zuletzt die jüngste Neuerscheinung von Dr. Klaus Bednarz: „Ferne und Nähe“ mit diversen Russland-Beiträgen.

MS „CMA CGM Vela“:

Bauwerft: Daewoo Shipbuilding & Marine Engeneering (DSME) Co., Ltd., Okpo, Korea;

Baunummer: 4125;

Kiellegung: 28.4.2008, Taufe (Elisabeth Wils, Ehefrau von Chief Executive Vice President der französischen Reederei CMA CGM, Alain Wils): 2.10.2008, Auslieferung (nach nur einem halben Jahr): 17.10.2008;

Taufname: „Conti Jupiter“ (Eigner: Conti Containerschifffahrts-GmbH, München-Putzbrunn, Chartername (Charterer CMA CGM, Marseille): „CMA CGM Vela“ (Vela = „Segel des Schiffes“); Bereederung: NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft, Buxtehude, 113. Schiff und Flaggschiff der Reederei; deutsche Flagge, Heimathafen Hamburg;

Schwesterschiffe: „CMA CGM Thalassa“ (15.12.2008), CMA CGM Hydra“ (März 2009), „CMA CGM Mosca“ (Mai 2009), alle drei auf französische Rechnung;

Abmessungen: 128.600 BRZ, 130.700 tdw, 11.800 TEU (20 Fuß Standard), 347,48 m Länge (2 m länger als die „Queen Mary 2“, 45,20 m breit, 29,70 m seitenhoch bis Wetterdeck, 15,50 m Tiefgang (max.), Höhe (Kiel-Mast) 72 m; Typ: VLCS (Very Large Container Ship); zählt zu den größten Containerschiffen der Welt;

Klassifikation: Germanischer Lloyd (GL) + 100 A5E, Container-Ship; IMO 9354923; Rufzeichen: DFUMS;

Maschine: Zwölfzylinder MAN B&W Typ 12K98ME-C7, 72.240 kW (ca. 100.000 PS), 24,3 kn Geschwindigkeit, sechsflügeliger Propeller (105 t Gewicht, ca. 9 m Durchmesser, gebaut von MMG Waren/Müritz), Verbrauch zwischen 160 und 320 t/Tag (je nach Leistungsstufe), 16.000 t Schweröl-Bunkerkapazität, 25.000 t Ballastwasser;

Einsatzgebiet: FAL 1 (Nordeuropa – Fernost);

Crew: 26;

Passagiere: max. 7

Route (Europa–Fernost-Europa insgesamt 70 Tage, auch abschnittsweise buchbar bei entspr. Kapazitäten): Hamburg-Rotterdam-Zeebrügge-Le Havre-Malta-Suez-Khor Fakkan-Chiwan-Pusan-Kwangyang-Dalian-Xingang-Shanghai/Yangshan-Hongkong-Yantian-Singapore-Port Kelang-Suez-Tanger-Southhampton-Hamburg (Änderungen vorbehalten).

Ausstattung: Fahrstuhl, Schwimmbad (innen, Meerwasser), Sauna, Fitnessraum, CD/DVD, Aufenthaltsraum (DVDs, Bücher zur Ausleihe), Liegestühle, Waschmaschine/Trockner (Waschpulver), Handtücher, Bettwäsche (wöchentlich frisch), Reinigung Kabine (wöchentlich), Steward an Bord.

Kabinen: 1 Eignerkabine D (42 qm inkl. Bad), 2 Doppelkabinen Eigner A und B (ca. 32 qm inkl. Bad), 1 Einzelkabine Eigner C (ca. 20 qm inkl. Bad); Preise: Eignerkabine (100 €/Tag pro Person, 120 € bei Alleinbenutzung), Doppelkabine (95 €/Tag pro Person, 110 € bei Alleinbenutzung).

Weitere Informationen: NSB-Reisebüro, Tel.: 0421-3388020; www.nsb-reisebuero.de

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