Rechtsextremer Ruck in Brüssel – Ergebnis des Paktierens mit Faschisten

Das Berlaymont-Gebäude der EU-Bürokratur in Brüssel. Quelle: Pixabay, Foto: Jai79

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Als Giorgia Meloni am 22. Oktober 2022 mit ihrem Team musolinitreuer Faschisten vereidigt wurde und ihr Amt als Ministerpräsidentin antrat überschlugen sich Vertreter der NATO und der EU mit ihren Glückwünschen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf dem Kurznachrichtendienst „X“( ehemals „Twitter“): »Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.« Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war erfreut, dass Meloni als erste Frau in das Amt kam und gab sich sicher, »Wir werden zusammenarbeiten, um die entscheidenden Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, von der Ukraine bis zur Energieversorgung«. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz freute sich ebenfalls, mit Meloni in »EU, NATO und G7« zusammen zu arbeiten.

Scholz begab sich damit nachgerade in die Fußstapfen von CDU-Altkanzler Helmut Kohl, der im Mai 1994 die erste Regierung Berlusconis mit den MSI/AN-Faschisten wärmstens feierte und – als er ihn im Juni zum Staatsbesuch, bezeichnenderweise dem ersten, den der faschistische italienische Regierungschef absolvieren konnte – empfing, als Freund begrüßte und damit salonfähig machte. Während Vize-Premier Gianfranco Fini vom MSI in Rom Mussolini als »größten Staatsmann des Jahrhunderts« würdigte, seine »guten Taten« pries und seine Rehabilitierung forderte, feierte Kohl mit Berlusconi die Aufnahme der Faschisten in die Regierung als einen »historischen Augenblick«, nahm wohlwollend die Beteuerungen des Italieners entgegen, dass seine Regierungspartner keine Faschisten seien und eine »saubere Weste« hätten. Kohl lag damit ganz auf der von der »FAZ« am 23. April vorgegebenen Linie, dass ein »Tabu der Vergangenheit gebrochen«, der Faschismus »rehabilitiert« sei und das Auswirkungen im »ganzen ›westlichen‹ Europa« haben werde, womit das Blatt, wie die heutige Lage beweist recht behalten sollte und das auch Ungarn oder Polen in Osteuropa betrifft.

Und wenn US-Präsident Biden sich diesem Jubelchor anschloss, hatte er auch Vorbilder, so in William (Bill) Clinton, der 1994 nach Rom eilte, um auf einem Empfang, den US-Botschafter Reginald Bartholomew für die Regierung Berlusconi gab, dieser internationale Anerkennung zu verschaffen. Und dass er Vizepremier Fini die Hand schüttelte, konnte dieser, der gerade Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts“ gefeiert hatte, als Anerkennung der italienischen Faschisten, die immer die Speerspitze des antikommunistischen Kampfes von State Department, Pentagon und CIA gebildet hatten, werten. 1

Hatte sich Brüssel zur ersten faschistischen Regierung unter Berlusconi 1994 unter Kommissionspräsident Jean Delores zusammen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorges Papandreou oder dem Präsidenten der europäischen Juden, Jean Kahn, noch kritisch geäußert, war davon bei dessen zweiten Amtsantritt 2011 nichts mehr zu spüren. Darauf wirkten wiederum die CDU/CSU der Bundesrepublik ein, die der Regierung der Forzapartei, der Alleanza Nazionale, und der Lega Nord „demokratische Legitimität“ bescheinigten und hofften, mit dem Wahlsieg der Koalition Berlusconis möge die Ablösung der sozialdemokratisch geführten Regierungen in der EU beginnen. 2 Edmund Stoiber, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident Bayerns, übermittelte Berlusconi unmittelbar nach dessen Amtsantritt eine Einladung zum Staatsbesuch nach München. Eine weitere folgte demonstrativ nach den blutigen faschistischen Ausschreitungen während des G8-gipfels im Juli 2001 in Genua (ein Toter, 300 zum Teil Schwerverletzte, 600 Verhaftungen), zum CSU-Parteitag in Nürnberg im Oktober 2001. Nach entschiedenen Protesten mussten die Einladungen zurückgestellt werden.

Die Folterungen in der Bolsanero-Kaserne der Carabinieri in Genua hatte Vize-Premier Fini persönlich geleitet. Für Brüssel waren das danach im Herbst 2001 dennoch keine Gründe, dessen Nominierung durch Berlusconi als Vertreter Italiens für den EU-Konvent, der den Entwurf einer Verfassung für die Union auszuarbeiten hatte, abzulehnen. Es war der grüne deutsche Außenminister Joseph Fischer, der den Ausschlag gab.3 Die brutale Repression in Genua, mit der sich der Europäische Gerichtshof in Den Haag befassen musste, war für den EU-Rat ebenso kein Anlass, die halbjährige Anwartschaft Berlusconis auf den Vorsitz in diesem hohen Gremium im Sommer 2003 abzulehnen. Der EU-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion der SPD in der Union, Martin Schulz, fand mit seiner Kritik an dem kriminellen Regierungschef und der von diesem erlassenen Lex Berlusconi (der Gesetze, die seine Strafverfolgung während seiner Amtszeit untersagten), die er eine Manipulierung der Justiz nannte, kein Gehör. Auch als Berlusconi nach dieser Kritik Schulz mit den Worten, er solle in den Dreharbeiten zu einem laufenden italienischen Film über Konzentrationslager die Rolle des „Kapo“ spielen, diesen mit diesem Nazivergleich in unverschämter Weise diffamierte, sah man in Brüssel keinen Anlass, den faschistischen Regierungschef zu suspendieren. Da half es auch nicht, dass selbst die Turiner „La Stampa“ schrieb, Berlusconi sei „nicht berechtigt, Europa zu repräsentieren“.

Dass Vertreter selbst der AN-Faschisten und andere offene Bekenner zu dem verbrecherischen Regime Mussolinis ungehindert für das Parlament in Strassbourg kandidieren konnten, wurde zu einer weiteren „Normalität“, die dem faschistischen Vormarsch, der 2022 im Wahlsieg und Regierungsantritt der Führerin der aus der AN hervorgegangenen Brüder Italiens (FdI) Meloni und ihrem Regierungsantritt, wie ebenso dem Sieg Marine Le Pens in Frankreich, gipfelte, Auftrieb verlieh. Einige Beispiele aus der langen Liste. 2004 konnte die Enkelin Mussolinis Alessandra auf der Liste der Forzapartei Berlusconis für einen Sitz im EU-Parlament kandidieren und in Strassbourg einziehen. Im selben Jahr bewarb sich der Gründer der Lega Nord, Umberto Bossi, der einen zutiefst menschenfeindlichen Rassismus vertrat, unter dem die Partei Sinti und Roma „ausrotten“ wollte, einen Sitz belegen (Süddeutsche Zeitung, 16. April 2008). Ebenso Matteo Salvini, der 2013 sein Nachfolger wurde, 2004 und nochmals 2009. 2019 konnte der von Giorgia Meloni aufgestellte Urenkel des »Duce«, Caio Giulio Cesare Mussolini, kandidieren. Es störte in Strassbourg niemanden, dass er erklärte, er sei »stolz« auf seinen Urgroßvater und Meloni seine Kandidatur als eine »Bereicherung« ihrer Wahlliste bezeichnete.

Anmerkung:

Dieser Beitrag setzt den ebenfalls am 25.7.2024 veröffentlichten Beitrag

im WELTEXPRESS fort.

1 Duce addio. La Biographia di Gianfranco Fini, Mailand 1964, S. 149ff.

2 „FAZ“, 15. Mai 2001.

3 „TAZ“, 29. 1. 2002

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