Seine alte Mama packt ihm Essensgläser ein, vermutlich mit Selbstgemachtem, bevor Mattei mit seinem kleinen Sohn aufbricht. Kaum ist der nichts Böses ahnende Vater mit Mutters guten Gaben im Parkhäuschen angekommen, wartet eine Horde schwarz maskierter Wölfe auf ihn. Die jagen dem Familienmenschen die titelgebenden „22 Bullets“ in den Leib, dass sein Blut ihn rot wie Rotkäppchens Haube färbt. Dies ist die Strafe dafür, dass Mattei vom rechten Wege gewichen ist. Als Pate beherrschte er die Mafia von Marseille. Aus dem kriminellen Rudel hat er sich in ein ehrbares Privatleben zurückgezogen. Doch das Verbrecherpack fletscht die Zähne, als der ehemalige Leitwolf nicht mehr mit ihm heult. Noch auf der Intensivstation feuern sie die nächste Kugelladung in Mattei. Ob die „22 Bullets“ jetzt erst voll sind, Regisseur Berry dem deutschen Verleihtitel doppelt gerecht werden will oder die Umbenennung des Films schlicht ein dümmlicher Einfall des Verleihs ist, bleibt unklar.
Aus dem Bauch des Todes schneidet Mattei ein Ärzteteam in der Notaufnahme wieder heraus. Da steht der einstige Pate mit vernarbtem Gesicht als französischer Scarface und schwört grausame Rache an seinen Verrätern. Ein Mann sieht rot. Wiedereinmal. Die uninspirierte Handlung wandelt konsequent auf dem blutigen Pfad der Revanche-Filme. Kompromisslos inszeniert Berry in seiner vierten Regiearbeit einen aalglatten Kriminalthriller aus der Retorte. Vom Gros der unzähligen vergleichbaren Werke hebt sich „22 Bullets“ lediglich durch das überdurchschnittliche Schauspielerensemble ab, dass neben Altstar Jena Reno den gewöhnlich auf Komödien abonnierten Kad Merad zeigt. Psychologische Tiefe bergen die stereotypen Charaktere nicht. Das schauspielerische Potential Renos wird nach dessen jüngeren Filmen wie „The Pink Panther 2“ und „All inclusive“ einmal mehr verschenkt. Die Doppelmoral Matteis ignoriert die kalkuliert brutale Handlung. Dass Verbrechen sich nicht lohnt, entscheidet er erste, nachdem es ihn reicht gemacht hat. Seine Verlogenheit sollen trauliche Familienbilder übertünchen.
Gangster erscheinen in der von familiären Neurosen und traumatischen Kindheitserinnerungen geprägten Filmwelt die letzten mit einem heilen Familienleben zu sein. Zu der verkappten Darstellung Matteis als Stütze der Gesellschaft passt es, dass er sich mit einer Vertreterin des Rechtsstaats (Marian Fois) arrangiert. Die abgedroschene Quintessenz von Berrys fast zweistündigen Revanche-Partie fällt schon zu Beginn von „22 Bullets“: „Schurke tot, Fall erledigt.“
Titel: 22 Bullets – L ´immortel
Land/ Jahr: Frankreich 2010
Genre: Thriller
Kinostart: 2. Dezember 2010
Regie: Richard Berry
Drehbuch: Richard Berry, Eric Assous, Mathieu Delaporte, Alexandre de la Patelliere
Darsteller: Jean Reno, Kad Merad, Marina Fois, Jean-Pierre Darroussin, Luc Palun, Joey Starr, Richard Berry, Dominique Thomas, Martial Bezot, Josephine Berry
Kamera: Thomas Hardmeier
Schnitt: Camille Delamare
Laufzeit: 115 Minuten
Verleih: Central Film