Wien, Österreich (Weltexpress). Man reibt sich die Augen: Da reiht sich im Weingestell des italienischen Supermarkts Flasche an Flasche, mit Etiketten, auf denen die Portrait-Fotos der übelsten Massenmörder abgebildet sind: Allen voran Adolf Hitler, daneben unter anderem Göring, Mussolini und Stalin. Nicht etwa unter dem Ladentisch ist diese Edition mit 125 ihren abscheulichen Etiketten erhältlich, sondern ganz offen, im freien Verkauf und auch im Internet. Das friulische Weingut heißt „Vini Lunardelli“ und Winzer Andrea sagt mit entwaffnender Offenheit, von den 20 000 Flaschen, die in diesem Sonder-Sortiment verkauft würden, trügen 12 000 das Porträt Hitlers – besonders beliebt bei Touristen aus Deutschland.
Indifferenz, Ignoranz, ja selbst Verherrlichung des Holocaust nehmen rapide zu. Als kürzlich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Berlin die schwachsinnige Behauptung aufstellte, die Israeli hätten „50 Holocausts“ an den Palästinensern begangen, hüllte sich der Gastgeber, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, in Schweigen. Erst viele Stunden später erwachte der Kanzler aus seiner Schreckstarre. Abbas‘ ungeheuerliche Aussage war – noch dazu – im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Massakers palästinensischer Terroristen an der israelischen Olympiamannschaft in München gefallen, bei dessen nach wie vor nicht abgeschlossener Aufklärung die bayrischen Behörden eine höchst unrühmliche Rolle spielten und spielen.
Besonders schlimm sieht es bei den „sozialen Netzwerken“ aus: Die Unesco analysierte die Berichte des namentlich in Deutschland so beliebten russischen Messenger-Dienstes „Telegram“: In der Hälfte der Inhalte zum Holocaust würden die Fakten verfälscht oder völlig geleugnet. Holocaust-Verfälschung oder Leugnung bei Twitter in 19 %, auf Tiktok 17 %, auf Facebook 8 % und auf Instagram 3% der Beiträge. Diesen Sommer wurde im Römersteinbruch St. Margarethen im Burgenland „Nabucco“ aufgeführt – Verdis Oper über die Deportation der biblischen Hebräer durch Babyloniens Herrscher Nebukadnezar. Wie viele unter den 5 000 Zuschauern mochten auch nur geahnt haben, dass die gigantische Naturkulisse für Verdis Oper im März 1945 zum Schauplatz eines wirklichen Dramas wurde: Das Massaker an jüdisch-ungarischen Zwangsarbeitern auf einem Todesmarsch ins KZ Mauthausen. Dutzende wurden von SA-Männern erschossen oder von jenen Klippen in den Tod gestürzt, auf welchen sich nunmehr ahnungslose Opernstatisten tummelten. Weder im Programmheft noch in der salbungsvollen Begrüßungsansprache an der Premiere auch nur eine Silbe über das tatsächliche jüdische Drama, das sich hier abgespielt hatte. Die schreckliche Wahrheit über diesen Ort hätte möglicherweise die Feststimmung unter den Premierengästen getrübt.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Dr. Charles E. Ritterband wurde in „Voralberger Nachrichten“ am 26.8.2022 erstveröffentlicht.