Er galt als Grand-Seigneur, stets vorbildlich in Kleidung und gesamtem Auftreten, gesellschaftliches Zentrum, wo immer er war. Mit 82 Jahren nahm er noch an einer von Kollegen veranstalteten Segelparty auf einem mit zwanzig Personen besetzten Segelschiff – der Prosit IV des ASV – auf der Berliner Havel teil: er war zwar nicht Veranstalter oder Kapitän, aber von den Teilnehmern unangefochten als Mittelpunkt auserkoren – und er genoss das, strahlend, charmant, ansteckend gut gelaunt. – Es war wohl auch die elterliche Erziehung, die immer wieder hervorkam; der Vater war Professor für Schiffbau an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg gewesen. Die Familie hatte eine Dienstvilla in Zehlendorf bewohnt und später, als der Vater als Rektor die kaiserlichen Dekrete zur Aufwertung der TH in die Technische Universität Berlin-Charlottenburg samt Promotionsrecht erhalten hatte, zusätzlich eine Dienstwohnung am Charlottenburger Kurfürsten Damm bezogen. Damals ermöglichte die professorale Ausstattung auch die Beschäftigung von Haushälterin und Chauffeur – das Bildungsbürgertum war hoch angesehen und finanziell sehr gut ausgestattet: wie die Zeiten sich doch ändern!
Hilger Flamm machte im Herbst 1943 sein Notabitur und wurde im Schnellverfahren zum Piloten eines Jagdflugzeuges ausgebildet, als der er im Kriegseinsatz abgeschossen wurde und in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Acht Jahre Überlebenskampf im Lager im eisigen, nordrussischen Workuta wurden erst 1952 durch die erfolgreichen Verhandlungen zwischen Adenauer und Stalin beendet; die „restlichen“ deutschen Kriegsgefangenen kehrten endlich nach Hause zurück. Hilger Flamm war nun allein, Familie und Wohnung gab es nicht mehr. Nach kurzer Rehabilitation an der Nordsee folgte das Studium des Maschinenbaus an der TU Berlin bei Professor Pflaum am Institut für Kraft- und Arbeitsmaschinen, der Wiege des Gasturbinenbaus. Die hier erworbenen theoretischen Kenntnisse konnten später in der Konstruktionsabteilungen der Berliner AEG am Hohenzollerndamm praktisch verwertet werden. Im Wintersemester 1969/70 erfolgte die Berufung von Diplom-Ingenieur Hilger Flamm für die Fachgebiete Thermodynamik, Konstruktion und Technische Mechanik an die Abteilung Maschinenbau der damaligen BEUTH-AKADEMIE – der späteren Technischen Fachhochschule Berlin und heutigen Beuth Hochschule für Technik Berlin. Professor Flamm lagen Ausbildung und Bildung seiner Studentinnen und Studenten gleichermaßen am Herzen, denen er in „seinem“ von ihm geleiteten Labor für Kraft- und Arbeitsmaschinen die technischen Kenntnisse inkl. der Konstruktion und des Betreibens von Gas- und Dampfturbinen, von Pumpen, von komplexen Kälteanlagen, von Anlagen zur Dampferzeugung, von Verbrennungsmotoren und von Anlagen zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien vermittelte. Dieses größte von zwölf Laboratorien des Maschinenbaubereiches seiner Hochschule war beliebtes Experimentierfeld – eine 12 m hohe Halle mit vier Hallenschiffen und insgesamt mehr als 1.000 qm Experimentierfläche plus Werkstatt, mehrere separate Vorlesungsräume und Büro- und Arbeitsräume für das Laborpersonal gehörten dazu. Hier wurden BMW-Motoren-Prüfstände gebaut, auf denen in ununterbrochenem Tag-und-Nachtbetrieb nahtlos computergesteuerte und –dokumentierte Belastungstests liefen, hier wurde der Stirling-Motor weiterentwickelt, hier wurden in superlangen Rohrleitungen Strömungsanalysen durchgeführt, hier wurden an einer realen Gasturbine neue Schaufelformen erprobt, hier wurden Kühlhallen-Kältemaschinen im praxisentsprechenden Aufbau in ihrer technischen Leistung optimiert, hier wurden Brenneranlagen zur Dampferzeugung im praktischen Betrieb getestet, hier kamen Elektro-Pkw zum Leistungstest auf den Prüfstand, hier wurde die Verwendung von Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung analysiert usw.
Prof. Dipl.-Ing. Flamm übernahm neben seiner Tätigkeit in Lehre und Forschung auch als Dekan die Leitung des Fachbereichs Maschinenbau an der Technischen Fachhochschule Berlin und wurde Vorsitzender des Akademischen Vereins Hütte. Die Herausgabe des Maschinenbau-Standardwerkes von HÜTTE konnte er hierbei erfolgreich begleiten. Ebenso wirkte er gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Küttner bei der Herausgabe von DUBBELs zweibändigem Taschenbuch für den Maschinenbau mit.
Praxisorientierung und Internationalität in der Ausbildung waren Schwerpunkte seiner Zielsetzungen an der Hochschule: die Knüpfung und Pflege intensiver Kontakte zur Industrie – Siemens, Daimler, BMW, IBM usw. – durch einen Fachbereichs-Industriebeirat und durch Einsatz von aus der Industrie kommenden Lehrbeauftragten entsprach alter Beuth-Tradition. Internationalität konnte er durch die persönliche Pflege von Hochschulkontakten nach Frankreich und in die USA einbringen. Von ihm stammt der oft wiederholte Hinweis, dass schon in den Gründungsjahren der Beuth-Akademie bis zu 70 % der Beuth-„Schüler“ – dazu gehörten auch die „Urväter“ Siemens und Borsig – während ihres Studiums ein „Auswärts“-Studium einlegten, vor allem in England und Frankreich, Holland und Belgien. Der Austausch technischen Wissens und von Kenntnissen der Kultur wirkten als Bereicherung in den teilnehmenden Köpfen zum Wohle ihrer Länder fort.
Prof. Flamms „unversteckte“ Geradlinigkeit war geachtet und schuf ihm viele Freunde; Abstand konnte er in kollegialer Herzlichkeit stets überbrücken.
Seine modern-konservative Art war Vorbild für Kollegen und Studenten, Freunde, Kameraden und alle, die ihn kannten – diesen besonderen Menschen Hilger Flamm.