Man bewirtet Kosmos im Gasthaus mit Tee und er erzählt wirr und weise. Also tituliert man ihn als Derwisch, verehrt ihn zunächst. Seine einzige Nahrung scheint der Kandiszucker zu sein, was den Wirt irgendwann ärgert. Auch wirkt er Wunderheilungen und betätigt sich als Dieb. Die Stadt scheint in einem Grenzgebiet zu liegen und auch ein Krieg klingt aus der Ferne herüber. Der Neuankömmling wird beargwöhnt aber auch von den Kranken aufgesucht. Die Dorfältesten richten ihm in der Rathausruine ein Schlaflager ein.
Neptün ist die Tochter des Metzgers, weshalb man in dokumentarischen Zwischenschnitten schrittweise auch Rinderschlachtungen beiwohnt. Der pragmatische Metzger wird Kosmos noch helfen können.
Neptün flattert durch die Straßen und kräht zu Kosmos, der sich darüber freut und antwortet. Eine undefinierte politische Wende kündigt sich mit Unterschriftensammlern an, die das in Bars sitzende Volk spalten. Kosmos stiehlt und verschenkt Medikamente. Er will lindern, muss aber bald vor dem Ansturm der Heilsucher fliehen. In der namenlosen Ruinenstadt mangelt es am Nötigsten.
Diese eigentümliche und wortkarge Allegorie lebt vom großartigen Schauspiel des Sermet Yesil. Er gibt den wirren aber liebenswürdigen Dieb, dem seine Heilkräfte mehr schaden als nützen. Sein Name deutet an, dass er aus einer anderen Welt kommt. Oder ist er gar eine eigene?
Trotz der Untertitel besteht ein kultureller Unterschied, der ja bei Berlinalefilmen so willkommen ist. Zwar gibt es auch Längen und die übliche dramaturgische Kreisbewegung – da man Derwische ja als Rotierende erinnert, aber die Wunderkräfte und ein Resträtsel machen KOSMOS zum sehenswerten Kleinod im Berlinale Panorama. Hier fesselt eine Geschichte, obwohl sie mit wenig Aufwand produziert wurde.
Oft kommen Fremde in Filmen in eine Stadt und erleben dort Abenteuer. Einem Derwisch konnte man bisher dabei noch nie zuschauen. Auch auf der Bildebene transportiert KOSMOS eine besondere Stimmung. Die Farben sind entsättigt und die Kostüme abgetragen. Die Menschen leben in einer Starre, weshalb Kosmos so auffällt mit seiner Energie. Auch wer vom türkischen Kino sonst nichts kennt, kann sich auf ein besonderes Erlebnis freuen.
Titel: Kosmos
Land/Jahr: Türkei/Bulgarien 2009
Buch, Regie, Schnitt, Sounddesign: Reha Erdem
Kamera: Florent Herry
Ausstattung: Ömer Atay
Kostüm: Mehtap Tunay
Casting: Özlem Sungur Yener
Produzent: Ömer Atay
Darsteller: Sermet YeÅŸil, Türkü Turan, Hakan AltuntaÅŸ, Sabahat DoÄŸanyılmaz, Korel Kubilay, Akın Anlı
Länge: 122 Minuten
Bewertung: * * * *