Die eine ist eine dunkle Schöne, die eigentlich als Deckengemälde in einem Palast in Shiraz ruht, hier als Projektion ihre Lieblichkeit mitsamt westlichem Prinzessinnengehabe und Kleid, inmitten von bunten Vögeln und arabesk angeordneter Natur zeigen darf und aus dem 19. Jahrhundert stammt, die andere ist auf einem Poster zu sehen, benannt „Darstellung einer Zigeunerin“ aus dem 21. Jahrhundert und zeigt, etwas kokett unter herabfallendem Haar und ansonsten sittsam bekleidet, ja mit viel zu viel Stoff um sich, eine moderne junge Frau, für uns mitnichten die Darstellung einer „Zigeunerin“, da die in unserem kulturellen Verständnis auf solchen Bildern mit tiefem Ausschnitt und barfuß tanzend in rotem Kleid im Kaufhof verkauft wird.
Um es deutlich zu sagen. Denn heute gibt es den Topos „Zigeunerin“ bei uns nicht mehr als Bild der Gegenwart, sondern nur a la Carmen für eine westliche Männerwelt, die sich verabschieden mußte. Aber interessant, daß sich in Persien unser historisch veraltetes Bild erhält. Sehnsucht nach einer fremden Welt drückt sich auch in „Wandbild mit einer Dorflandschaft im Schnee“ aus, wo ein Farbdruck von 2007 die verschneite Kirche im Schwarzwald beispielsweise zeigt oder das Poster „Herbst“, ein Farbdruck, wie aus einem Hollywoodwestern, wo der einsame Rancher am Fluß sitzt und gegenüber sich der Sheriff von seiner Frau verabschiedet, inmitten von Grün, nochmals Grün und leichter Gelbfärbung: Herbst eben. Aber sicher nicht im Iran. Was hinter solchen Adaptionen steht, dem nachzugehen wäre interessant.
So aber bleibt es beim Vorzeigen, wie der „Orient-Stube der Familie Rieser“. Die lebten von 1925 bis 1950 in der Türkei, wo sie in Istanbul umfangreich Antiquitäten sammelten, die Ida Rieser nach der Rückkehr in die Schweiz als Witwe in einem Zimmer versammelte, von dem nun Teile der Sammlung des Badischen Landesmuseums gehören und hier ausgestellt sind und sicher „Etwas Besseres“ versinnbildlichen, also nicht folkloristisch gemeint sind, sondern die Möbelhochkultur des Landes zeigen. Nur, fragen wir uns da, ist das nicht ein typisches Vorgehen, aus der Fremde nach Hause zu kommen und sich Möbel mitzunehmen? Was bedeutet das für die Ausstellungsthemen?
Uns hätte beispielsweise viel mehr kulturhistorisch interessiert, warum hatte unser Großvater ein ’arabisches Zimmer`, in dem streng in Schwarz-Weiß und mit viel Bronze für einen guten Bürger des Kaiserreiches die ’gut Stubb` also auf Arabisch errichtet wurde. Wieso hatte derselbe Großvater, eigentlich ein sehr wohlhabender Kaufmann, die ganze Bibliothek voll der indischen Philosophie, in den gelben Leinenbänden, das war die Mode nach 1900 in besseren Haushalten. Solche kulturhistorischen Fragestellungen unterbleiben.
Mit einem Wort: die Ausstellungsstücke zu betrachten, ist ein hoher Gewinn, aber die Absicht der Ausstellungsmacher, uns den „Okzidentalismus“ zu zeigen, geht nicht auf. Ganz abgesehen davon, daß dieser Begriff in der Literatur anders verwendet wird – wobei es nicht reicht auf Edward W. Said und seine ideologiekritische Begriffsklärung Bezug zu nehmen, schließlich gibt es auch den militanten Okzidentalismus – , fehlen einfach historische Differenzierungen, wie wir es mit der Rolle der USA angedeutet hatten.
Uns ist das zu durcheinander, was gezeigt wird, das ist analytisch gesehen negativ, ja kulturell ahistorisch, aber als Gegenstände betrachtet, sind die Objekte hochinteressant, weshalb wir jedem den Besuch empfehlen, denn solche Sachen sieht man ganz selten, eigentlich nie. Und so sind wir zu unserer eigenen Verwunderung bei einem glühenden Appell des Besuchs angekommen, zu dem wir auch stehen, aber sachte dazu sagen: „Haben Sie es nicht auch etwas kleiner?“, nämlich vom Anspruch her. Uns langt, daß es den Ausstellungsmachern gelungen ist, den Bestand des Museums mit Leihgaben aus aller Welt zu einer hochinteressanten Ausstellung zu bündeln, die zeigt, wie immer wieder Einflüsse des Westens auch in orientalische Länder geraten und dort in die Bildwelten integriert werden.
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Ausstellung: bis 9. Januar 2011
Katalog: Das fremde Abendland? Orient begegnet Okzident von 1800 bis heute, hrsg. von Schoole Mostafawy und Harald Siebenmorgen, Belser Verlag
Der Katalog ist eine getreue Nachbildung der Ausstellung, in dem die Objekte wunderbar fotografiert sind und wir wieder einmal denken, daß die stilisierte Kalligraphie auf Bechern, auf Glasschalen, in Büchern sich einfach besonders gut für Aufnahmen eignen, wenn der Druck so glänzend, so gülden, so liebevoll mit ihnen umgeht wie hier. Die Objekte führen neben Namen und Herkunft sowie Besitzer auch noch deren Funktion auf, wofür dieser Gegenstand gedacht war, wer ihn benutzte und aus welchen Einflüssen sich seine ästhetische Dimension speist. In verschiedenen Essays fundieren die Herausgeber, die auch die Kuratoren dieser Ausstellung sind, Thesen der Ausstellung. Insgesamt ist dies ein Katalog, der auch denen, die bis zum 9. Januar nicht nach Karlsruhe gelangen, interessantes und schönes Bildmaterial mitsamt Erklärungen bietet.
Homepage: www.landesmuseum.de