Bomboncito beteiligt sich nicht am Wettbewerb. Zumindest nicht mit dem Schminkkasten. Wild mit einer Kladde fuchtelnd, teilt er die Kinder den schminkenden Clowns zu. "Ich gehöre zur Jury", sagt er kurz.
Der 25-Jährige heisst im richtigen Leben Arturo Esteva García. Mit seiner feinen roten Nase, der tief in das Gesicht gezogen Melone, dem weissen Torrero-Kostüm und den silbernen Balletschühchen sieht er nicht wie ein typischer Clown aus. Er wirkt sehr feminin – fast femininer als seine weiblichen Kollegen. Wie alle anderen Clowns stecken auch diese in grellbunten Kostümen und viel zu grossen Schuhen.
"Drei! Zwei! Eins! Los!" Die Clowns greifen zu Pinsel und Schwämmchen, tauchen diese in Farbtöpfe und zaubern den Kindern Ornamente und Tierfratzen auf die Gesichter. Während seine Kollegen die wartenden Kleinen in Windeseile schminken, schaut Bomboncito Mary Poppins über die Schulter. "Es ist interessant zu sehen, was andere für Tricks auf Lager haben," erklärt er. Marys Schminkstil unterscheiden sich deutlich von dem der Clowns. Die in Oaxaca lebende Künstlerin stammt nämlich aus England, wo sie auch ihr Handwerk erlernt hat.
Eigentlich hat Bomboncito solche Nachhilfe gar nicht nötig. Denn seinem Beruf geht er schon seit mehr als einem Jahrzehnt nach. "Und Schminken gehört dabei zum Handwerkszeug", erzählt der Clown und reicht mehrere Pokale von einem hohen Holzschrank herunter. "Die habe ich bei Schmink-Wettbwerben gewonnen", ergänzt er stolz. Unter den Auszeichnungen ist auch ein erster Preis von der XIII. Internationalen Clowns Convention in Mexiko Stadt.
Überall in Bomboncitos Zimmer liegen Clownsutensilien verstreut. Unter dem Bett lugt ein Paar der übergrossen Schuhe hervor. Über einem Stuhl hängt sein weisser Torrero-Anzug und neben dem Regal in der Ecke steht ein Aluminiumkoffer mit Schminkutensilien. Bomboncito schnappt sich den Schminkkoffer und klettert über eine wacklige Leiter auf das Dach seines Elternhauses.
Dort warten schon Pinky und Chumpalin. Sie sitzen zwischen altem Bauholz und leeren Bierkästen. Schnell ist aus Brettern und Kisten ein Tisch improvisiert. Dann beginnen die drei sich im warmen Licht der Nachmittagssonne für den heutigen Auftritt zurecht zu machen.
Jeder der Clowns stellt einen anderen Charakter dar. Das erkennt man nicht nur an ihren verschiedenen Kostümen, sondern vor allem auch am Make-Up. "Ich bin Cara Blanca, eine Person der gehobenen Gesellschaft", erklärt Bomboncito. "Pinky gibt den Vagabunden." Das ist eine eher traurige Figur. "Und Chumpalin ist der Tölpel."
Der seriöse Bomboncito tritt mit weissem Gesicht und dezent geschminkten Lippen und Augen auf. Möchte er einmal etwas wilder wirken, malt er sich bunte Herzen auf die Wangen oder schminkt Kinn und Augenlider in Pastellfarben nach. Pinky und Chumpalin tragen dagegen schon etwas kräftigere Farben auf. Rote Riesenmünder und breite, schwarze Augenbrauen verleihen ihren Charakteren Leben.
Während der Woche arbeiten die drei Clowns in einem kleinen Wanderzirkus. An den Wochenenden treten sie auf privaten Feiern auf. "Heute spielen wir auf einem Kindergeburtstag", sagt Bomboncito. Dabei zieht er mit einem feinen Pinsel seine Lippen nach. Pinky malt sich währenddessen einen Dreitagebart um die hängenden Mundwinkel. "Und danach geht es noch für eine Stunde auf den Zocalo", fügt er hinzu.
Auf dem grossen Platz vor Oaxacas Kathedrale geht es ruhig zu, als die Clowns kurz nach acht aufkreuzen. Die drei richten sich erst einmal häuslich ein und packen aus. Aus ihrem riesigen Koffer ziehen sie Jonglierbälle, in allen Farben des Regenbogens schillernde Leuchtschlangen und eine überdimensionale Kamera. In der Zwischenzeit hat sich auch schon eine kleine Menschentraube um sie gebildet. Vor allem die Kinder warten gespannt, was nun passieren wird.
Heute haben es Bomboncito und seine Freunde auf Touristen abgesehen. Pinky zieht ein älteres Paar aus der Menge und fordert sie auf, Fotos von ihm zu machen. Sofort kommt Chumpalin angesprungen und fotografiert auch wie wild drauf los. Dann fummelt er umständlich an seiner Riesenkamera herum und zieht das Bild einer von Falten zerfurchten Greisin heraus. Unter dem Gelächter des Publikums überreicht er es den Ausländern. Verlegen stecken diese ihm einen Geldschein zu und wollen den Kreis der Zuschauer verlassen.
Aber so schnell kommen die beiden nicht davon. "Fünf Dollar bitte. Ich bekomme noch fünf Dollar für das Bild", reklamiert Chumpalin lautstark. Während der korpulente Mann mit den Schultern zuckt und auf seine angeblich leeren Hosentaschen zeigt, zieht seine Frau einen weiteren Schein hervor und kauft die beiden frei.
Jetzt ist endlich die Stunde der kleinen Zuschauer gekommen. Die Clowns werfen ihre Leuchtschlangen in die Menge. Wie wild springen alle Kinder in die Luft, um eine zu erhaschen. Nur ein kleines Mädchen geht leer aus. Doch wie zufällig zieht Bomboncito einen Armreif aus der Tasche, als er die Runde macht und den Obolus für die Vorstellung einsammelt. Vor Freude strahlend streift sich die Kleine diesen über und geht dann glücklich nach Hause.
Weitere Informationen:
Termin: Der Día del Payaso – Tag des Clowns – wird in Mexiko am 10. Dezember begangen.
Lage: Oaxaca ist Hauptstadt des gleichnamigen mexikanischen Bundesstaates. Die Stadt liegt fünf bis sechs Autostunden südlich von Mexiko Stadt und ist über die Autobahn 150D/131D zu erreichen.
Anreise: Von Mexiko Stadt aus verkehren stündlich Busse nach Oaxaca. Aeromexico bietet täglich mehrere Flüge nach Oaxaca an.
Einreise: Für die Reise nach Mexiko als Tourist wird ein mindestens sechs Monate gültiger Reisepass, jedoch kein Visum benötigt. Bei Einreise bekommt man eine kostenlose Touristenkarte auf der eine Gültigkeitsdauer von bis zu 180 Tagen eingetragen wird. Diese ist bei Ausreise wieder abzugeben.
Klima: Bei einer Lage von 1.550 m über dem Meeresspiegel hat Oaxaca ein gemäßigtes Klima. Die Temperatur beträgt im Jahresmittel 22 Grad Celsius. Von Mai bis Oktober dauert die Regenzeit, mit stärkeren Regenfällen zwischen Juni und August. Den Rest des Jahres ist es sehr trocken und sonnig.
Sprache: Landessprache ist Spanisch. In der Stadt wird oftmals auch Englisch verstanden.