Berlin, Deutschland (Weltexpress). Können Möchtegern- und Gernegroß-Journalisten beziehungsweise Blödblogger und Beeinflusser, die wie eine Krankheit klingen und sich als Berichterstatter ausgeben, nicht einmal genau das tun, was ihre edelste Aufgabe wäre, nämlich Bericht zu erstatten? Müssen die im Geiste und an Knete Armen immer und überall am Bordstein des Boulevards als Werbenutten und Trendhuren im allgemeinen Aftergang Beistand leisten in einer Welt der Ware und des Spektakels?
Ein Haufen Journaille war am 9. November 2022 zum Auftakt der neuen Palazzo-Saison, die in Berlin noch bis zum 5. März 2023 veranstaltet werden soll, im Spiegelzelt hinterm Bahnhof Zoologischer Garten versammelt. Daß Qualität von Qual kommt (freue sich wer’s kennt), das wollen diejenigen, die weder eine Edelfeder halten können noch das Maul, wohl auch nicht wissen.
Geladene Gäste neben solchen, die Karten kauften, kamen vor und im Palazzo zur Premiere zusammen. Ungeladene Gäste mußten, wenn sie auftauchten wie eine Leiche im nahen Landwehrkanal oder (Zeitungs-)Ente gleich wieder gehen. Das Zelt war wie immer und die Gastgeber: älter. Kolja Kleeberg und Hans-Peter Wodarz ließen als Vorzeigeköche anfangs noch auf sich warten, nachdem um 18.30 Uhr die Türen geöffnet wurden, sich dann doch blicken und in einem kleinen Blitzlichtgewitter vor einer Werbewand von Fotografen und Knipsern ablichten.
Anschließend watschelten sie wie Enten und die Kellner, die immer mal wieder aneckten, durch das auch vom schönen Schein Dutzender Kerzen erleuchtete und erwärmte Rund. Daß alternde Köche kellnern, das ist neu im Palazzo, aber wohl nicht Part des altbackenen Programms. Man sah ihnen an, daß sie litten. Von der viel beschworenen Leidenschaft für gehobenes Kochen und (Gitarren-)Klänge bei Kleeberg sowie Wagemut für „Pomp Duck and Circumstance“ bei Wodarz war nicht nur wenig zu sehen, sondern nichts.
Der Service war scheiße wie Hertha BSC. Er steckte von Anfang bis Ende im Abstiegskrampf. Der Autor dieser Zeilen bekam die Vorspeise („Thunfisch-Tatar mit Zitronen-Kräuter-Sauce, Avocado-Olivensalat und Minz-Taboulé“) erst, als sich der eine oder andere auf der Bühne erneut um Beifall bemühte. Die Artisten und Musiker samt Sängerin verdienten sich diesen – keine Frage – redlich, doch die zwei Kasper mit Künstlernamen Gloria und Gregor waren für alle, die es wagen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, schlicht und zum Fremdschämen. Deren Klamauk war für manche nur mit Alkohol zu ertragen.
Den mußte sich der Berichterstatter auch noch selber besorgen. Eineinhalb Stunden nach Einlaß nur Wasser auf dem adrett eingedeckten Tisch, das war eindeutig zu wenig für die zwei Pappnasen mit ihrem Programm. Nein, niemand fragte am Tisch, an dem ich saß, nach unseren Getränkewünschen und erst der eine und dann der andere herbeigerufene Kellner schienen uns vergessen zu haben. Sie liefen weg, aber sie lieferten nicht. Also machte ich mir deren Aufgabe zu eigen und es weiteren geladenen Gästen an anderen Tischen nach. Selbstbedienung!
Der Weißwein zum Zwischengang war wärmer als die Speise. „Indisches Tomaten-Linsen-Curry mit gebackenem Blumenkohl, Kichererbsen-Bällchen und Cashew“ steht auf der Karte. Das klingt klasse, sah allerdings eher wie ein gelblich-orange-rötliches Häuflein Elend mit gerupftem Grün darauf aus, von den versalzenen Auberginen-Scheiben für Vegetarier ganz zu schweigen.
Der Rotwein, wir wir am Tisch tranken, hatte Zelttemperatur und fröhliches Betriebsfeier-Niveau, hielt aber mit dem ansehnlichen und schmackhaften Hauptgang nicht mit. „Confierte Entenkeule mit eingelegter Zitrone, Panch Phoron, Spinat und roter Zwiebelcreme“ hielt, was die Speisekarte versprach. Heiß und fettig, knusprig und cremig, zart und sämig, obendrein gut gewürzt, nicht zu salzig, hier etwas Süße und Säuerlichkeit, dort etwas Bitterkeit und die Brillianz der Vollmundigkeit. Das Dessert ist nichts Besonderes, keine Pâtisserie in Perfektion und im Verhältnis zum klasse Klang „Königin von Saba“ ist das schokoladige Kranzzuckerküchlein profan, jedoch handwerklich gute gastronomische Hausmannskost. Da gibt es nichts zu meckern! Allerdings hielt auch dieses Gericht so, wie es mit serviert wurde nicht mit der Fotografie auf der Heimatseite Palazzo.org im Weltnetz mit. Die Küchenbrigade knauserte nicht nur bei den Kirschen. Das muß man nicht nur hinter vorgehaltener Hand murren, sondern sagen und schreiben. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffte bei Speis, Spaß Spiel und (Theater-)Spiel eine Lücke, die nur Glotz-, Gehör- und Geschmacklose nicht sehen. Nur Dumme und Duckmäuser (siehe oben) verstehen und erklären das nicht.
Daß es Palazzo wieder gibt, das ist indessen gut und gutes Gelingen will ich Kolja Kleeberg und Hans-Peter Wodarz sowie allen anderen Beteiligten wünschen, aber auf jeden Fall besseres Personal beim Auftischen und Abräumen sowie Ansagen und Amüsieren.