„Geiselnahmen sind eher selten öde.“ Die in „Unter Strom“ ist da eine Ausnahme. Eher ganz öde ist die geistlose Handlung, die „Unter Strom“ um sein neunköpfiges Personenarsenal konstruiert. Um das Zielpublikum anspruchsloser Kinobesucher nicht zu überfordern, verzichtet „Unter Strom“ auf „überflüssige Psychologisierungen“. Trotzdem hält Zoltan Paul seine Figuren für so komplex, dass er sie einzeln im Pressematerial vorstellen muss: Reuter (Franz Xaver Zach), weitere besondere Qualitäten unbekannt. Macht das nicht neugierig? Reuter ist der Geliebte von: Karriereweib Anna Trieb (Catrin Striebeck), auch frisch geschieden. Der Glückliche, der die als Karikatur der bösen berufstätigen Frau durch den Film stöckelnde Anna endlich los ist, ist: Hausmann Daniel Trieb (Harald Krassnitzer), gerade frisch geschieden (daher das ‚auch‘ bei Anna). Weil „Unter Strom“ auch eine Beziehungskomödie über den Krieg der Geschlechter sein will, müssen Anna und Daniel laut Regisseur „im permanenten Erregungszustand um die Lösung ihrer Liebesprobleme kämpfen“. Beide werden als Geiseln genommen von: Kleinganove Frankie Huber (Hanno Koffler), frisch verurteilt. Dessen Freundin: Gloria Huber (Anna Fischer), Ganovenbraut, betrügt ihren Zukünftigen. Mit: Cheesie (Robert Stadtlober), auch Kleinganove, betrügt seinen besten Freund (nämlich Frankie Huber).Verfolgt werden die Möchtegerngangster von: Kommissar Jochen Kaminski (Ralph Herforth), liebt seinen Jan. Letzter ist: Minister Jan van Möllerbreit (Tilo Nest), liebt seinen Jochen. So banal bewirbt das Presseheft die Figuren und vielschichtiger werden sie nicht.
„Kommen Sie mir nicht mit Komplexitäten!“, ruft Anna verzweifelt. Keine Sorge. „Unter Strom“ steht noch weit unter den niedrigen Standards der deutschen Kinokomödie. Wer die „hochtalentierten“ und „gefeierten“ Filmschauspieler der Darstellerriege sind, war nachzulesen. Erfolgreich ist „Unter Strom“ nur, falls der Film eine verräterische Dialogzeile ernst meint: „Das sollte ein blöder Witz sein!“ Lachen kann man darüber allerdings nicht. „Du guckst zu viel amerikanische Filme!“, meckert Gloria weiter. Was bleibt anderes übrig, wenn die deutschen, die nicht im Massenkino untergehen, so mies sind wie „Unter Strom“? Die abschätzigen Worte über „die schlimmen amerikanische Filme“ wiederholt Gloria, als gelte es, die plumpe Komödie schön zu reden, nur weil sie nicht in den USA produziert wurde. Wer würde Doppelmoral und saure Trauben wittern, bei einer missratenen Imitation amerikanischer Krimi- und Screwballkomödien, wie sie „Unter Strom“ ist? Und Gloria, die Gangsterbraut war das nicht Geena Davis in einem weit gelungeneren amerikanischen Film? „Das hier ist kein verdammter Scheiß-Hollywoodschinken!“, mockiert sich Gloria weiter. In der Tat. Ansonsten würde vielleicht ein Minimum an Produktionsniveau das wirre Machwerk erträglich machen.
Die Dialoge beschreiben nicht nur das Niveau von „Unter Strom“, sondern auch die Regiefähigkeiten Pauls treffend: „Dieser Mann hat das Talent einer autistischen Nacktschnecke!“ Da jammert Kaminskis verliebte Kollegin (Sunnyi Melles) – womit man alle neun Knallchargen des Drehbuchs durch hätte – „Das sind sehr harte Worte, aber ich bin sicher, dass du es nicht so meinst.“ Doch, man meint es so! Bleibt zu hoffen, daß ein desinteressiertes Publikum der tumben Klamotte im Kino den Saft abdreht.
Titel: Unter Strom
Land/ Jahr: Deutschland 2009
Genre: Komödie
Start: 10. Dezember
Regie und Drehbuch: Zoltan Paul
Darsteller: Hanno Koffler, Catrin Striebeck, Robert Stadtlober, Anna Fischer, Harald Krassnitzer
Laufzeit: 80 min.
Verleih: Salzgeber & Co.
www.salzgeber.de