Berlin, Deutschland (Weltexpress). Charles Gounods Oper ‚Cinq-Mars‘ ist eine sensationelle Entdeckung, zudem noch als ‚Zugabe‘ der wunderbare Tenor Mathias Vidal zu hören ist, der innerhalb von nur 24 Stunden die für ihn unbekannte Partie des Titelhelden übernommen hat, nachdem der vorgesehene Künstler nach der Generalprobe absagen musste. Mathias Vidal, der bisher für Barockinterpretationen bekannt war, verleiht der Partie echtes französisches Flair. Seine hinreißende Sprachgestaltung zeigt sich höchst pointiert, und wenn er seiner Prinzessin Marie die Liebe mit schönstem tenoralem Glanz gesteht, dann kann man nur dahinschmelzen. Dennoch besitzt seine Stimme auch heldische Kraft ohne forcieren zu müssen.
Doch auch Sopran Véronique Gens als Prinzessin Marie de Gonzague bestätigt auf dieser Aufnahme wieder einmal ihre gesangliche Sonderstellung mit leuchtenden Spitzentönen und einer anrührend intensiven Gestaltung der Partie. Tassis Christoyannis (de Thou) brilliert mit einem Samtbariton, zeigt große französische Gesangskultur, ebenso auch Andrew Forster-Williams (Père Joseph), André Heyboer (Vicomte de Fontrailles). Marie Lenormand und Norma Nahoun – als Marion Delorme und Ninon de L’Enclos – singen mit viel Schönklang in diesem hochkarätigen Team. Erwähnt werden sollten auch die mitreißenden Chorszenen (Chor des Bayerischen Rundfunks), ganz à la Grande Nation.
Dass zu viel Kunst manchmal fast wie zu viel Schokoladenkuchen wirken kann, könnte man dennoch für Gounods Partitur geltend machen, allerdings nur kurz, denn immer wieder fesselt dann doch die enorme Vielschichtigkeit der Komposition mit einer unmittelbaren Musikalität, die Drama, Romanze und Patriotismus gleichermaßen beinhaltet. Blendend musiziert wird das Ganze vom Münchner Rundfunkorchester, mit seinem Chef Ulf Schirmer am Pult. Wie das deutsche Orchester bestes französisches Flair zu Gehör bringt, ist ungemein beeindruckend, dementsprechend wurde die konzertante Aufführung 2015 in der Opéra Royale Versailles auch stürmisch gefeiert.
Uraufgeführt wurde ‚Cinq-Mars‘ am 5. April 1877 an der Opéra Comique in Paris, die Premiere war nicht sonderlich erfolgreich, im November kam eine überarbeitete Fassung auf die Bühne mit Rezitativen anstatt gesprochener Dialoge, diese Version wurde auch für diese Einspielung benutzt. Die Handlung spielt im 17. Jahrhundert, in den letzten Jahren der Regentschaft von Louis XIII, und es gab ihn wirklich, den Marquis de Cinq-Mars, der von Kardinal Richelieu and den Hof geholt wurde. Doch bald schon plante der Marquis ein Komplott gegen seinen Gönner. Im Mittelpunkt der Handlung steht allerdings seine unglückliche Liebe zu der italienischen Prinzessin Marie de Gonzague, der späteren polnischen Königin. Cinq-Mars endet auf dem Schafott, seine noble romantische Liebe bleibt unerfüllt. Das Libretto basiert auf dem berühmten Roman von Alfred de Vigny.
Das CD-Buch führt anhand von Artikeln detailliert in die Entstehung des Werks sowie in den historischen Hintergrund ein und präsentiert sich in einer gelungenen Aufmachung. Es ist schon die elfte Folge dieser Serie des Palazetto Bru Zane, einer Organisation, die sich die Förderung der romantischen Musik Frankreichs zum Ziel gesetzt hat. 1842/43 reist Gounod auch durch Deutschland. Wenngleich er als einer der typischen Vertreter der französischen Opéra lyrique bezeichnet werden darf, lassen sich in der Partitur von ‚Cinq-Mars‘ Klänge entdecken, die an Wagner und Verdi erinnern. Die Oper scheint zudem von Wagners Forderung nach einer prägnanten Sprachgestaltung beeinflusst zu sein, denn über weite Strecken ist das gesungene Wort höchst dominant, die Musik agiert dagegen wie ein Klangteppich für den Text, wenn auch in einer sehr gelungenen Symbiose.
2017 wird die Oper dann endlich auch live auf der Bühne zu erleben sein und zwar in der Oper Leipzig. Mit von der Partie als Titelheld wieder der Tenor Mathias Vidal. Deutscher Titel: Der Rebell des Königs.