Napoleon erneut zu „Besuch“ in Bonn – Jetzt in der Bundeskunsthalle – Napoleon und Europa – Traum oder Trauma

Napoleon I. im Krönungsornat, 1804, Ölgemälde von Jean-August-Dominique Ingres (1780-1867). © Musee de L'Armee, Paris

Und um Europa geht es auch bei der aktuellen Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. „Napoleon und Europa – Traum oder Trauma“. Diese Ausstellung wurde von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn entwickelt und feiert in der Bundesstadt Premiere. „Bis in die heutige Zeit beschäftigt Napoleon die Gemüter“, erklärte bei der Eröffnung der Ausstellung der Leiter der Napoleongedenkstätte des Musée de L’Armée im Invalidendom in Paris, Le Général Robert Bresse. Er lobt vor allem die Ausstellungskuratorin Bénédicte Savoy, die seit April 2009 Professorin am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der Technischen Universität in Berlin ist. Ihre „Handschrift“ zieht sich durch diese Ausstellung voller Licht und Schatten einer Persönlichkeit wie Napoleon und der Zeitzeugen, die vom Ruhm und tiefsten Niederlagen berichten wie aus zahlreichen Dokumenten und Kunstwerken das genau auf den Punkt gebracht wird.

Und damit die zwei Seiten einer Persönlichkeit wie Napoleon. Es sind die beiden gegensätzlichen Seiten eines Mannes wie Napoleon, der Europa mit seinen Kriegen aufmischte, sogar darüber hinaus bis Ägypten, sich damit mit Glanz und Gloria in der Kunst inszenieren ließ, andererseits aber das Trauma immerwährender Kriege heraufbeschwor, ein schreckliches Beispiel einer menschenverachtenden Kriegsmaschinerie.

Bis zum 25. April 2011 wird diese spektakuläre Schau gezeigt, die erstmals ein differenziertes Bild über die positiven und negativen Auswirkungen der 16-jährigen napoleonischen Ära aufzeichnet mit über 400 Exponaten (auch aus dem Bonner Stadtarchiv) und dem passenden Titel „Traum oder Trauma“. Dieser Titel treffe die Zielsetzung dieser Ausstellung genau, so der französische General Robert Blesse. In der französischen Sprache sei dem nichts Passenderes als „Le Rêve et la Blessure“ entgegenzusetzen, was sprachlich nicht diejenige wie im Deutschen so punktgenau treffen könne. Diese Zeit um die schillernde Persönlichkeit Napoleons wird in zwölf Kapiteln interpretiert: die Zeit der Kriege, der Politik, Verwaltung, Propaganda, Kunstblüte und Kunstraub.

Nachhaltig hat diese Persönlichkeit Napoleons (1769-1821) das politische Gesicht Europas wie kein anderer seit Karl dem Großen (742-814) geprägt. Napoleons Kaiserreich war in Europa Vorbild eines modernen effizienten Staates auf der Basis republikanischer Werte, der Kunst mit Glanz und Gloria, dann dem Trauma immerwährender kriegerischer Auseinandersetzungen. Seine Politik war auch immer seine Familienpolitik, denn die wichtigsten Posten in Europa „besetzte“ er mit Familienangehörigen. Der Historiker Thomas Nipperdey fasste die Persönlichkeit Napoleons treffend zusammen: „Am Anfang war Napoleon, er war der Zerstörer des alten deutschen Reiches und zugleich Schöpfer des modernen Deutschland, ja Europa“.

Als Paradox erschien Napoleon auch schon seinen Zeitzeugen, wie aus den Schriften und ausgestellten Stücken und Gemälden dieser Ausstellung in Bonn klar zu erkennen ist. Denn die erzwungene europäische Integration durch Kriege und Besetzung fachte die Widerstandsbewegung im damaligen „Europa“ an. Das beweisen auch die vielen Spottbilder, die ebenfalls in dieser gelungenen Ausstellung ihren Stellenwert haben. Paris war als Mittelpunkt des imperialen Traums von Napoleon auserkoren, ein europäisches Mekka der Künste und Wissenschaft. Und eine Stadt, in der seine Gegner, oder auch seine Gegnerinnen wie Madame de Staël nichts zu suchen hatten, ja, verfolgt und ausgewiesen wurden, auch wenn sie die Tochter des ehemaligen Finanzministers Necker im königlichen Frankreich gewesen war.

Und wie in den Analen des Bonner Stadtarchivs nachzulesen ist, kam Napoleon schon am 16./17. September 1804 nach Bonn, kaum ein Vierteljahr vor seiner Kaiserkrönung, um zu erforschen, ob diese Stadt eine Festung werden könnte. Die Bonner bejubelten damals hocherfreut den neuen Herrscher aus Frankreich, der mit seiner zukünftigen Frau Joséphine hier in dieser Stadt auf Einladung des Grafen von Belderbusch, übernachtete. Die Glocken läuteten, Triumphbögen überspannten die Straßen, es gab Musik und Feste. Die Bonner wussten immer schon zu feiern, obwohl sie ja eigentlich in einer „besetzte“ Stadt lebten und noch bleiben sollten.. Und weil Joséphine nun auch noch die Patin des jüngsten Sprösslings aus dem Hause Belderbusch wurde, da erkor Napoleon den Grafen zum Bürgermeister, zum Maire, von Bonn. Das blieb der nun auch bis 1812 und noch zwei weitere Jahre.

Zu diesem Besuch gab und gibt es immer noch eine Geschichte besonderer Art: Der sportliche und selbstbewusste Reiter Napoleon soll auf dem Weg zurück vom Kreuzberg oder bei einem Ritt über das Kopfsteinpflaster der Vogtsgasse am Rhein vom Pferd gefallen sein. Napoleon, der abergläubiger Korse, soll wegen dieses Sturzes den Plan, Bonn zur Festungsstadt zu machen, aufgegeben haben. Der Leiter des Bonner Stadtarchivs, Dr. Norbert Schloßmacher, verweist auf städtische Archivalien, in denen nachzulesen ist, dass während eines scharfen Ritts Napoleons um die Stadt Bonn der ihn begleitende Unterpräfekt Johann Joseph Eichhoff vom Pferd am Kreuzberghang gefallen ist und nicht der sportliche Napoleon. Diese „Blamage“ ist aktenkundig.

Und auch, dass Napoleon noch einmal in die Stadt Bonn am Rhein kam und auf der Poppelsdorfer Allee eine Truppenparade abnahm: Es war der 6. November im Jahre 1811, da warf der Kaiser einen Blick vom Finkenberg bei Beuel auf die gegenüberliegende Stadt Bonn auf der anderen Rheinseite. Bei diesem „Überblick“ entschloss er sich nun endgültig, dass aus Bonn keine Festungsstadt zu machen war. Die Bonner Bürger waren erleichtert, denn nun kannten sie „den Kaiser“ doch besser als im Jahre 1804.

Sogar der Krönungsmantel des Kaisers, hier aber ein Exemplar aus dem Napoleon-Film mit Marlon Brando, ist zu bewundern. Und auch die Bienen, die Wappentiere Napoleons, zieren goldfarben das gute Stück.

Diese Ausstellung ist wirklich zu empfehlen. Hier wird ein wichtiges Stück Geschichte beleuchtet. Kleine und scheinbar unwichtige Einzelinformationen ergänzen klug den Gesamteindruck einer Zeit, in der neue soziale und geografische Mobilität mit neuen Freiheitsideen durch Gesetzgebung in die Zukunft wiesen, bis ins Heute hinein. Wer vorher nicht viel von Napoleon und seiner Zeit bis heute gewusst hat, geht mit prallen Eindrücken aus dieser Ausstellung. Und noch einmal: Diese Ausstellung wurde von kompetenten Damen und Herren auch der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn entwickelt, und ist bis zum 25. April 2011 hier zu sehen. Dann erst wird sie, nach dieser Premierenausstellung, in Paris zu sehen sein, dem Koordinationspartner dieser Ausstellung. Und dann ausgerechnet im Musée de L’Armée in Paris, wo Napoleon im Dom des Invalides sein Grabmal hat! Wo sonst?

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