Die kommende – die Saison ohne Chefdirigent – beschäftigt sich mit dem Themenschwerpunkt »Nachtgestalten«. Der bezieht sich weder auf den in Freundschaft vom Orchester scheidenden Ingo Metzmacher, noch auf die hochrangigen Gastdirigenten. Die Programmplaner wurden von Andres Dresens gleichnamigem Film angeregt, durch dessen Nachtstunden Verliebte, Verlorene, Verrückte, Verzweifelte, Vergessene treiben. Auf Nachtgestalten trifft man auch in musikalischen Gefilden. Im Todesdunkel von Guiseppe Verdis »Requiem«, der Messe für die verstorbenen Seelen, und – Kontrast-programm – im heiter verführerischen Zauber südlicher Nächte in Claude Debussys »Ibéria« und Manuel de Fallas »Noches en los jardines de España«. Drogenträume, Hexentänze und Weltuntergangsstimmung werden in Hector Berlioz‘ »Symphonie fantastique« entfesselt. Zu den Dirigenten, die in insgesamt sechs Konzerten gemeinsam mit dem DSO den musikalischen Erscheinungsformen der Nacht nachspüren werden, gehören James Conlon, Pablo-Heras-Casado, Stéphane Denève, Hannu Lintu und James Gaffigan. An Schlaf – auch eine Form von Kritik – wird da nicht zu denken sein.
Dem Orchester in langjähriger Zusammenarbeit verbundene Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Christoph Eschenbach, Neeme Järvi, Sir Roger Norrington – er tritt gleich zweimal an – und Georges Prêtre wird des DSO ebenso begrüßen wie aufstrebende Pultgrößen der jüngeren Generation – unter ihnen Philippe Jordan, Cornelius Meister und Matthias Pintscher. Leonidas Kavakos – bislang dem DSO nur als Violinsolist bekannt –, Jonathan Nott und Jean-Christophe Spinosi werden dagegen das Orchester erstmalig dirigieren. Alexander Liebreich debütiert in den Silvesterkonzerten am Pult des Orchesters. Kent Nagano, der langjährige Chef- und heutige Ehrendirigent des Orchesters, der 3 Konzerte dirigieren wird, knüpft an die Schwerpunkte an, mit denen er während seiner DSO-Zeit am stärksten überraschte und überzeugte: an seine Auseinandersetzung mit den Bruckner–Symphonien. Er wählte die drei »geistlichen« Symphonien aus, die fünfte, die siebente und die neunte.
Geplant sind in der Spielzeit 2010/2011 94 Konzerte. Fortgeführt werden die beliebten Casual-Concerts und die Kammerkonzerte an neuen attraktiven Spielorten, so in der Villa Elisabeth und – in Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – in Räumen der Berliner Museen, Galerien und Bibliotheken.
Neben den Konzerten in Berlin präsentiert sich das DSO mit zahlreichen Gastspielen im In- und Ausland. Im Sommer 2010 eröffnet es am 27. Juli unter Ingo Metzmacher die Salzburger Festspiele mit der Uraufführung der Oper »Dionysos« von Wolfgang Rihm und konzertiert im Rahmen der BBC Proms in London. Weiterhin stehen Auftritte u.a. im Brucknerhaus Linz und dem Konzerthaus Wien auf dem Programm. Im Juni 2011 residiert das DSO bei den Pfingstfestspielen im Festspielhaus Baden-Baden unter der Leitung von Stefan Soltesz mit Richard Strauss’ Oper »Salome« in der Regie von Nikolaus Lehnhoff.
Zu einem Personalproblem mochte Gernot Rehrl sich auch auf Nachfragen nicht äußern. Dabei ist es – obwohl noch nicht offiziell – längst ein offenes Geheimnis: Neuer Chefdirigent soll der Ossete Tugan Sokhiev werden. Soviel kann man bereits sagen: Sokhiev dirigiert die Konzerte am 26. und 27. November 2010.
Der Intendant nutzte die Stunde, und warnte – an die Adresse von Deutschlandradio, Land Berlin, RBB und den Bund gerichtet – vor Spielereien mit Strukturveränderungen, die einen bewährten und effizienten Träger zweier Orchester und zweier Chöre, die Rundfunk Orchester und Chöre GmbH, zerstören würden.
Nach der Rücknahme der vom Intendanten des Deutschlandradio, Willi Steul, geplanten Fusion des DSO mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, die 75 Orchestermusiker den Arbeitsplatz gekostet hätte, wäre Sorglosigkeit verfehlt. Wachsamkeit ist angesagt, denn jedes Rütteln am status quo gefährdet Arbeitsplätze.