Das wird vermutlich in Abwesenheit des Preisträgers geschehen. Der 54 Jahre alte Xiaobo ist in China im Jahr 2008 zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er das Bürgerrechtsmanifest „Charta08“ zusammen mit anderen Menschenrechtlern unterstützte. Seine politische Meinung offen auszusprechen und zu verbreiten: Das ist in den Augen der chinesischen Staatsführung ein Verbrechen, „Untergrabung der Staatsgewalt“ heißt das im offiziellen Parteijargon.
China ist (ebenfalls mit zweifelhaften Methoden) zwar in der Wirtschaft mittlerweile eine der führenden Nationen in der Welt, bei den Menschenrechten jedoch immer noch in üblen antidemokratischen Traditionen verwurzelt. Auch Xiaobos Ehefrau muss seit der Inhaftierung ihres Mannes mit Einschüchterungen und Drangsalierungen der Offiziellen leben, einer Aufforderung der Staatssicherheit (sic!), auf Grund des zu erwartenden Medieninteresses die Hauptstadt Peking zu verlassen, soll sie allerdings nicht nachgekommen sein.
Doch nicht genug, dass Peking seine eigenen Bürger politisch und konkret unter Druck setzt: Ganz offen hatte im Vorfeld der Preisverleihung die chinesische Regierung das Nobelpreiskomittee vor den Folgen einer Auszeichnung des Vorsitzenden des unabhängigen chinesischen PEN-Clubs gewarnt, von einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zu Norwegen war die Rede.
Gut, dass das Komitee in Oslo auf solche Drohungen nicht eingegangen ist und gewohnt unbeindruckt von allerlei politischen Drohkulissen einen verdienten Preisträger ausgezeichnet hat. In den letzten Tagen waren einige Namen möglicher Gewinner unter den 237 Nominierten in den Medien im Umlauf: Aus deutscher Sicht prominentester Kandidat war Altkanzler Helmut Kohl, der jedoch zu Recht leer ausging.
Es bleibt abzuwarten, wie die Politik in Zukunft wirtschaftliche Interessen und politische Missstände in den Beziehungen zu China unter einen Hut bekommt. Immerhin hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Dezember 2009 eigenhändig eine Protestnote gegen die Inhaftierung Liu Xiaobos unterzeichnet. Ob dies einmal mehr lediglich hohle Geste, oder im Zusammenspiel mit dem Friedensnobelpreis endlich einmal Folgen für die immer noch autokratische und selbstherrliche Führungsriege in Peking haben wird, werden wir frühestens wissen, wenn die neuen Wirtschaftszahlen zum Handel mit China veröffentlicht werden.
Vermutlich wird sich nichts geändert haben, denn eine mutige Entscheidung eines Komitees allein wird die Macht der Wirtschaft nicht brechen können. Und die Politik wird zur Tagesordnung des Aussitzens übergehen. Leider.