Dieses mitten aus dem dicken Roman gegriffene Zitat zeigt das Instrumentarium des 1971 in Jerusalem geborenen, in den USA und Israel aufgewachsenen und nunmehr in seiner Heimat creative wirting lehrenden Schelm auf. Juval Fried, Alter Ego des Verfassers, schreibt für andere Magisterarbeiten, nur seine eigene klemmt. Seine drei besten Freunde aus der Schulzeit haben da mehr Erfolg, arbeiten bei Gericht, im Werbebüro oder sind wenigstens verheiratet und Vater. Spätestens zur Fußball-WM sitzen die vier im Rund und vergleichen, was so passiert ist. Bis einer von ihnen auf die Idee kommt, die wichtigsten Wünsche aufzuschreiben und bei der nächsten WM, die bekanntlich alle vier Jahre stattfindet, zu vergleichen. Dann würden sie Anfang dreißig sein und endlich wissen, was sie wirklich im Leben treiben wollen.
Hier setzt der Roman ein und so geschieht es, Juval, Churchill, Amichai und Ofir schreiben ihre Wünsche auf Zettel und lesen sich zum Gaudi den jeweils ersten vor. Als kleinen Vorgeschmack auf die nächsten vier Jahre”¦ Juval wünscht sich (übrigens in dreifacher Form), mit der angebeteten und ihm gerade aus unerklärlichen Gründen zugelaufenen Jaara verbunden zu bleiben, ja sie zu heiraten. Die anderen wünschen sich, eine bedeutende Aufgabe im Leben zu übernehmen, ein Buch zu schreiben und eine Naturheilpraxis zu eröffnen. Über 400 Seiten nimmt uns Nevo nun mit auf diesen vierjährigen Erfüllungstrip, der durchsetzt ist von Briefen, Auszügen der skurrilen Magisterarbeit Frieds, Rückblenden in die frühe Jugend der Freunde, ihren Reisen, der Armeezeit und immer wieder von aktuellen Geschehnissen. Und da geschieht einiges! Jaara wird von Churchill erobert und geheiratet, Ofir verlässt nach einem burn out das Land und geistert durch Indien, mit erleuchteten Folgen. Amichai und die elegische Ilana”¦ ach was, ich werd den Teufel tun, und hier mehr verraten! Nur so viel, mit diesem Ausmaß an Witz, Charme und Tiefe ist selten über Freundschaft geschrieben worden.
Dass unser Held seiner Jaara hinterher trauert und an ihrer verbliebenen Socke schnüffelt, dass ein geheimnisvoller (mafiöser?) Schulkamerad immer wieder auftaucht und die Frage, ob die Band Chamäleon vielleicht doch noch ein Konzert gibt, sind nur einige der running gags in dieser munteren Gesellschaftssatire des modernen Israel.
Fazit: Unbedingt kaufen, ab in den Urlaubskoffer! Kurzweilige Lektüre mit Aha-Effekten garantiert! Und Herr Nevo, weiter so!!!
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Eshkol Nevo, Wir haben noch das ganze Leben, Roman, aus dem Hebräischen von Markus Lemke, 436 Seiten, dtv premium, 2010, 14,90 €