Doch dann trifft Amar (Leon Lucev) einen Kriegskameraden (Ermin Bravo), ein strenger Muslim, und der sorgt dafür, daß er eine neue Stelle erhält, weit weg in wunderschöner Gegend abseits der Zivilisation, in einem wahhabitischen Lager, -einer fudamentalistischen Richtung des Islam, genauer der orthodoxen dogmatischen Richtung der Sunniten – ,das von den einen als Terroristencamp angesehen wird, von anderen als friedvolle Stätte. Das wird sie für Amar, der dort den Halt findet, den er im Leben alleine nicht fand. Er trinkt nicht mehr. Er raucht nicht mehr. Er befolgt die Gebote dieser Ausrichtung des Islam. Er, der locker vom Hocker, vor sich hinlebte, gibt nicht einmal mehr Frauen zur Begrüßung der Hand. Weil es sich bei den Wahhabiten nicht gehört. Selten konnte man in einem Film so deutlich die Zwangsläufigkeit erleben, aus welchen Gründen jemand ein fanatischer Religiöser wird, denn zu diesem wird Amara , wenn er seiner Frau Luna (Zrinka Cvtesic) sagt, daß er mit ihr erst erneut schlafen könne, wenn auch die islamische Hochzeit nachgeholt werde. Sie, die den ganzen Film hindurch ihre offene, ehrliche Haltung nicht aufgibt, sich auch immer wieder um Verständnis bemüht, macht das eher lachen, nach und nach aber nachdenklich.
Dennoch verfolgt Luna das Ziel eines gemeinsamen Kindes, aber als es soweit ist und die künstliche Befruchtung ansteht, flüchtet sie, denn unter solchen Umständen, wie Amar sich entwickelt hat, sieht sie mit ihm keine Zukunft, will sie kein Kind mehr von ihm. Diese Veränderung der Wünsche und die Veränderung, die Amar durchlebt, kann im Film in jedem Schritt nachvollzogen werden. Insofern ist dies ein sehr aufklärerischer Film, der den Zuschauer in keiner Weise manipuliert. Aber auch ein tragischer, weil er dem Zuschauer deutlich macht, daß unter bestimmten Umständen Liebe nicht ausreicht, das Leben für beide gemeinsam erträglich zu machen. Die Regisseurin betonte, daß ihr Film nur Fragen aufwerfe und der offene Schluß vom Zuschauer beantwortet werden müsse. Die Antworten gehen unterschiedlich aus. Uns scheint deutlich, daß diese Frau sehr lange Verständnis für ihren Mann aufbrachte, aber an der Zuspitzung, als sie in der Moschee die Hochzeit mit der Zweitfrau des islamistischen Freundes erlebt und flüchtet, denn so etwas ist in Europa einfach Frauen nicht zumutbar, gibt es für sie kein Zurück.
Die persönliche Tragik für Luna liegt darin, daß ihr, die der künstlichen Befruchtung entging, weil sie von diesem Mann kein Kind mehr wollte, nun eine natürliche Schwangerschaft attestiert wird. In einer Abschlußszene ist die Situation auf den Punkt gebracht. Sie verläßt Amar und teilt ihm mit, daß sie von ihm kein Kind wolle, er fordert sie auf, zu ihm zurückzukommen, woraufhin sie ruft: „Komm Du zu mir zurück!“, was bedeuten soll, daß sie den Zustand, in dem sie miteinander glücklich waren, zurückwünscht, also ohne seine Veränderungen hin zum strengen Muslim. Ein offener Schluß? Eigentlich nicht. Aber offen für jeden einzelnen Zuschauer, der das Ende phantasiert, daß ihm persönlich paßt oder daß er aufgrund von Lebenserfahrung für möglich hält. Für die Frau kann das auch bedeuten: Das Kind behalten, den Mann nicht.
Auch diesem Film merkt man in vielen Szenen an, daß ihn eine Frau gedreht hat. Allerdings hat die Regisseurin in der Hauptdarstellerin eine ideale Verkörperung dieser jungen, unabhängigen, zuverlässigen und sehr liebevollen Frau gefunden. Zrinka Cvtesic hat sich mit dieser Darstellung als potentielle Preisträgerin des Bären als beste Darstellerin vorgestellt. Auch Amar ist im Zusammenspiel ein adäquater Partner, wie der Film überhaupt eine sehr gute schauspielerische Ensembleleistung bietet, vielfältige Schauplätze, eine interessante Kameraführung und insgesamt sehr sehenswert ist.
Originaltitel: Na putu
Englischer Titel: On The Path
Land/Jahr: Bosnien und Herzegowina, Österreich, Deutschland, Kroatien 2010
Regie: Jasmila Zbanic
Darsteller: Zrinka Cvtesic, Leon Lucev, Ermin Bravo
Bewertung: * * * *