Berlin, Deutschland (Weltexpress). Jahrzehntelang haben alle Regierungen Italiens nach 1945 tatenlos zugeschaut, dass der faschistische Diktatur Mussolini, der wegen seiner Verbrechen von einem Gericht  der Antifaschistischen Einheitsregierung im April 1945 zum Tode verurteilt wurde, das Urteil wurde von einem  Partisanenkommando am 29. des Monats vollstreckt, in zahlreichen Städten und Gemeinden Ehrenbürger blieb. Jetzt hat am Mittwoch vergangener Woche in Salò am Gardasee der Gemeinderat der Mitte-Links-Parteien beschlossen, ihm dort die bisher zugestandene Ehrung zu entziehen.

Die staatliche Nachrichtenagentur „ANSA“, also der faschistischen Regierung Georgia Melonis, deren Partei Brüder Italiens (FdI) sich noch heute zu dem Erbe des Kriegsverbrechers Mussolini bekennt, vermeldete das kommentarlos, räumte lediglich ein, dass der Ort Regierungssitz des von dem „Duce“ nach seinem Sturz im Juli 1943 unter dem Besatzungsregime der Wehrmacht Nazideutschlands am 25. Oktober 1943 als Marionettenstaat, offiziell Repubblica Sociale Italiana ( RSI), kurz nur Salò-Republik genannt, war. Zunächst hatte es 1943 in Berlin Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben, ob Restitalien überhaupt als sogenannter Staat weiterexistieren oder direkt deutsches Protektorat werden sollte. Um die Illusion eines Bündnisses aufrecht zu erhalten, war dann entschieden worden, die RSI auszurufen. Die Pseudorepublik existierte als ein reines Marionettenregime, völlig der Herrschaft Hitlerdeutschlands unterworfen. Mussolini und seine Salò-Faschisten ordneten sich diesem Regime trotz der ihnen zugewiesenen Vasallen- Rolle widerspruchslos unter. In der Außenpolitik, in militärischen Fragen, der Wirtschaft und selbst der Verwaltung hatte der „Duce“ keinerlei Entscheidungsbefugnisse, noch nicht einmal ein Mitspracherecht. Wichtige Operationsgebiete im Nordosten waren von Anfang an direkt den Gauleitern Hitlers in Kärnten und Tirol unterstellt. In dieser Salò-Republik, die Partisanen »allerfaschistischste Republik« nannten, führten Wehrmacht, SS, SD, Gestapo und Sicherheitspolizei mit ihren italienischen Erfüllungsgehilfen – den neu aufgestellten Camice Nére (Schwarzhemden), einer italienischen SS, und der Miliz – gegen die italienische Bevölkerung einen grausamen und erbarmungslosen Krieg. Für Geiselerschießungen, das Niederbrennen von Dörfern, Mord und Folter stehen als Beispiele die Ardeatinischen Höhlen bei Rom (335 am 23./24. März 1944 durch Genickschuss ermordete Geiseln), die Gemeinde Marzabotto (1.830 im September 1944 viehisch umgebrachte Bewohner) oder der Fall des SS-Henkers von Mailand, Hauptsturmführer Savaecke (verantwortlich für die Ermordung von über 2.000 Juden und Widerstandskämpfern).1 Im statistischen Mittel wurden in der Salò-Republik, ohne die gefallenen Partisanen und regulären Soldaten einzubeziehen, täglich 165 Kinder, Frauen und Männer jeden Alters umgebracht.

Der barbarische Terror unter dem Besatzungsregime machte auch vor italienischen Militärs und selbst Mitgliedern der Königsfamilie nicht halt. Zu den im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen Ermordeten gehörten die Generäle Simoni (Held des ersten Weltkrieges), Fenulli und Castaldi sowie der Oberst Montezemolo, die antifaschistische Positionen bezogen hatten. Um sich an König Vittorio Emanuele III. zu rächen, ließ Hitler dessen Tochter Marfalda von Savoyen in die deutsche Botschaft in Rom locken und festnehmen. Sie wurde in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wo sie ums Leben kam. Graf Ciano, seinen Schwiegersohn, ließ Mussolini am 11. Januar 1944 hinrichten.

Gefördert wurde diese fortbestehende Verherrlichung Mussolinis, wie bereits erwähnt, durch alle von der Democrazia Cristiana (DC) geführten Nachkriegsregierungen. 1950 empfingen Staatspräsident Einaudi und Ministerpräsident De Gasperi eine Delegation des Movimento Sociale Italiano (MSI), eine schon 1946 gegründete Nachfolgeorganisation der Mussolini-Partei. 1953 stützte sich die Regierung Pella, eines zur DC gewechselten ehemaligen Mussolini-Faschisten, auf die Stimmen des MSI, um die erforderliche Mehrheit bei der Vertrauensabstimmung zu erhalten. 1957 bediente sich die Regierung Zoli und danach die von Antonio Segni der Stimmen der Faschisten. 1960 versicherte sich Fernando Tambroni, ein früherer Hauptmann der Miliz der RSI, seit 1926 Mitglied der faschistischen Partei und nunmehriger Ministerpräsident der DC, der Unterstützung seiner faschistischen Kumpane. 1962 wurde der DC-Bewerber Segni und 1972 Leone mit den MSI-Simmen zum Staatspräsidenten gewählt. Der einflussreiche Don Luigi Sturzo, 1919 Gründer der katholischen Volkspartei, rief 1952 die DC und die anderen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit dem MSI und den Monarchisten einen Einheitsblock gegen die „rote Machtübernahme“ zu bilden.2 Als sich mit Beginn der 50er Jahre die Forderungen verstärkten, das MSI als Nachfolger der Mussolinipartei zu verbieten, wandten sich Vatikankreise dagegen. Die Zeitschrift der Jesuiten „La Civilta Cattolica“ verurteilte es, „die 20 Jahre Faschismus als völlig negativ zu bewerten“ und nannte das „eine Verleumdung des Vaterlandes“.3 Ministerpräsident Zoli genehmigte dem MSI, den Leichnam Mussolinis in den Heimatort des „Duce“ nach Predapio zu überführen und dort in einem Ehrenhain beizusetzen. Die Feiern des MSI gestalten sich bis heute zu einer Verherrlichung Mussolinis und der unter seinem Regime begangenen Verbrechen und machen Predapio zu einem Wallfahrtsort der Faschisten. Die Witwe des Diktators erhielt eine Rente bewilligt, während sie Antifaschisten und Verfolgten des Mussoliniregimes in unzähligen Fällen verweigert wurde. Das MSI-Blatt „Sècolo d’Italia“ bekam offizielle Staatszuschüsse.

Bleibt hinzuzufügen, dass Melonis FdI die Flamme Mussolinis, die aus seinem Sarg als seine Seele emporsteigt, um seine Nachfolger zu ermuntern, in ihrem Parteiemblem führt. Ihr Parteifreund und Mitbegründer der FdI in der Nachfolgeschaft des MSI, der Präsident des italienischen Senats, Ignazio la Russa, huldigt Mussolini mit einer „Duce“-Statue in seinem Wohnzimmer. Ihre Staatssekr etärin für Forschung, Augusta Montaruli, wie Meloni ebenfalls ein Aktivistin aus dem MSI, ließ sich in Predapio demonstrativ mit dem „ römischen Gruß“ vor dem Ehrenhain des „Duce“ ablichten.

Anmerkungen:

1 Trotz seiner bekannten verbrecherischen Vergangenheit konnte Savaecke wie viele andere Kriegsverbrecher nach 1945 in der Bundesrepublik im BKA, wo der Stellvertreter des Leiters der Sicherungsgruppe Bonn war, eine neue Karriere starten.

2 I Giorni della Storiai d’Italia,

Cronica quotidiano dal 1815, Novarra 1997, S. 544 ff.

3 Ausgabe vom 18. März 1953.

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