Spätestens, seit wir bei irgendeinem Festival, damals auf der Frankfurter Messe, genau erklärt bekamen, wie Almodóvar das technisch fabrizierte, was auf der Leinwand als überdimensionierter nackter Frauenleib erschien, auf dem ein klein Männlein spazierenging, in alle Körperöffnungen hineinmarschierte, auch wieder heraus, wie der Aufstieg des Verwegenen auf die Brust der Schönen einem Aufstieg auf einen Achttausender glich und so viele drolligen Einfälle abliefen, die lebensecht daherkamen, was unser Blick sah, aber unser Verstand nicht begreifen wollte, spätestens seit damals sind wir ein unentwegter Fan dieses Festivals, an dem uns nur eines zunehmend stört, daß es so tut, als könne man sich in Deutschland nicht mehr auf Deutsch miteinander verständigen.
Auch wenn das Alleinstellungsmerkmal dieser Filmfestspiele ihre Internationalität ist, heißt das noch lange nicht, daß das auf Englisch ablaufen muß. So was ist von gestern und nicht souverän. Ansonsten ist das Programm der diesjährigen Tage nicht nur von heute, sondern auch gleich für morgen mit, denn sie müssen vorausschauen, diese Filmleute und den Spagat hinbekommen, mit den Filmen, die schon Techniken enthalten, die unseren Augen verborgen bleiben, diese Filme zu entzaubern, indem die angewandte Technik analysiert wird und dennoch nichts von dem Zauber, den der Film erzeugt, verloren geht. Gerade für einen, der auf dem Festival anwesenden Hauptakteure Oscar-Preisträger Chris Dickens (Schnitt) für „Slumdog Millionaire“ hat in der vorausgehenden Pressekonferenz Uli Fischer, Pille Film die Begeisterung für die von ihnen angewandte Kameraführung derart gepackt, daß man sicher sein kann, daß dieser Programmpunkt mindestens so spannend ist wie der Film. Wir meinen, sogar spannender!
Wie bedeutend das Festival, das von Sebastian Popp sicher gesteuert wird, längst geworden ist, zeigt die jährlich wachsende Anzahl von Mitmachern und daher auch Anwesenden auf der Pressekonferenz. Das Arbeitszusammentreffen von Filmeschaffenden aus aller Welt, ist etwas Besonders und in der Tat kann der eine vom anderen viel lernen. Letzten Endes geht es darum, „durch ein genaueres und besseres Verständnis spezifischer Bereiche der Filmproduktion das Niveau der filmischen Erzählung insgesamt zu verbessern.“ Er konnte darauf verweisen, daß sich nicht nur der deutsche Film einen guten Namen gemacht habe, sondern daß auch Filmfestspiele in Deutschland gerne besucht und vor allem deutsche Preise gerne entgegengenommen werden, weil man die Deutschen ob ihrer Qualität, Dichte und Breite des kulturellen Angebots durch staatliche/städtische Unterstützung (Stichwort: Stadttheater) einfach bewundere.
Das gilt auch für den Film, wie Eva Kühne-Hörmann, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst betonte: „Der Ausbau des Medienstandorts Hessen ist für die Landesregierung ein Ziel mit hoher Priorität“. Längst ist Hessen unter der Decke ein Filmland geworden und die Bestrebungen gehen jetzt dahin, daß dies auch über der Decke zur Kenntnis genommen werde. Letzten Endes geht es um eine der Öffentlichkeit sichtbare Bündelung der vielen Stränge, die in Hessen immer noch im Wildwuchs wachsen, was der Branche in ihrer Originalität gut tut, aber besser verkauft werden muß.
So hatte jeder Teilnehmer sein Packerl abzuladen, Wolfgang Thaenert für die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), die von Anbeginn an, dieses Festival mitaufgebaut und finanziell unterstützt hat, will den Medienstandort Hessen stärken und das Netzwerk noch weiter ausbauen. Aber ihm ist nicht allein an Quantität gelegen, er möchte das gutes Fernsehen und die guten Filme potenzieren und die schlechten Produktionen in beiden Medien verringern und sieht sein Geschäft auch als gesellschaftliche Erziehungsaufgabe. Peter Kania, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Frankfurt, kam ins Schwärmen über die Vitalität der Kreativwirtschaft in Frankfurt, die längst einer der wichtigsten Träger der Wirtschaftsentwicklung sei. Auch Irene Trampler, Manufaktur, hatte den Medienstandort im Sinn, an dem viel mehr passiere, als man mitbekäme. Sie führte als Beispiele einige, sehr bekannte, hier produzierte Kürzestfilme vor, die alle raffiniert zusammengeschnitten/digitalisiert/technisch bearbeitet waren.
Rolf Krämer stellte das Festivalprogramm vor, das er mit Anna Odrich zusammengestellt hat, und das zwei Neuheiten hat. Zum einen gibt es BEST OF FILMFESTIVAL, wo auf einen Schlag in drei Frankfurter Kinos – Cinestar Metropolis, Orfeo’s Erben und E-Kinos – die Siegerfilme anderer Festivals gezeigt werden, an die man hier schwer rankommt, wie „The Wackness“ Publikumspreis beim Sundance Fil Festival USA, oder „Ezra“, Gewinner in Ouagadougou, wo die einzige Filmhochschule Afrikas zu Hause ist und das bedeutendste Filmfestival des Kontinents stattfindet. Das umfangreiche und richtig sensationelle Programm entnehmen Sie bitte der Webseite. Wir finden diese Idee so gut, daß wir meinen, daß sie ausgebaut werden müßte, auch wenn das das Festival vielleicht sprengt und ein zusätzliches wird. Denn gerade die auf Festivals ausgezeichneten Filme sind immer wieder welche, die ob ihres künstlerischen Anspruchs keine Verleihfirmen finden, weil Qualität immer noch im Geruch der Unverkäuflichkeit steht. Das gilt auch für die Filme der Berlinale. Welche Dummheit.
Höhepunkt ist die Eröffnungsgala am 4. Oktober, auf der der Ehrenpreis überreicht wird, der an Filmcutter Chris Lebenzon geht und von Ministerpräsident Roland Koch übergeben wird. Weitere Preise gehen an die Kameraführung durch Ricardo Aronovich (Klimt, Missing) durch den europäischen Kameraverband IMAGO, der zusammen mit ACE (American Cinema Editors) diesjährig neuer Partner des Filmemachers Festival ist. Den Spezialpreis erhält Schauspieler Christoph Waltz für seine Darstellung „in die Riege der besten Leinwandbösewichter aller Zeiten“. Waltz hat sein Kommen zugesagt und auch wenn dieser Preis, – der erst einmal vergeben wurde, damals an Andy Serkis für seine Darstellung von Gollum und Kong ging, wo es um die Einmischung digitaler Elemente in die reale Gestalt ging, also dem Festivalgedanken nahestand, – etwas in der Luft hängt, tut es Christoph Waltz nicht und sein Kommen wird dem Festival auch öffentlich den zusätzlichen Qualitätshauch geben, den es durch bewährte Arbeit intern längst hat.
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