Martin Schulz – Philister oder Pharisäer

Martin Schulz
Martin Schulz. © Europäische Union, 2016 - Quelle: Europäisches Parlament

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Ein Philister ist ein Mensch ohne geistige Bedürfnisse, so beschreibt Arthur Schopenhauer in einem Essay einen unliebsamen Zeitgenossen, der gesellschaftliche Werte wie Wahrheit, Zuverlässigkeit und Arbeitswille nicht schätzt oder verachtet, und dabei unkritisch standardisierte Vorstellungen übernimmt und anwendet. Aus diesem Kontext heraus stand mir unmittelbar das Bild von Martin Schulz vor Augen, der gerade drauf und dran ist, wegen seines plötzlichen Richtungswechsels aus der Kurve zu fliegen.

In psychologischer Hinsicht ist er ein interessantes Kerlchen, dieser Bücherschulze. Es liegt mir fern, seine haarsträubenden Kampfreden mit einem Goethe-Zitat aus Mephistopheles zu belegen, aber mich juckt es gewaltig in den Fingern. Ich schlage im Lexikon den Begriff Opportunist nach. Dort finde ich die Definition: Ein Geist, der stets bejaht. Könnte hinkommen, denke ich mir. Aber dann verfolge ich die neuesten Nachrichten und verwerfe den Gedanken.

Es ist alles noch viel schlimmer

Man fasst es nicht. Die Buchstütze drohte gestern mit dem Rücktritt, weil er den Rückhalt innerhalb seiner Partei vermisse. Und das, obwohl nur zwei Stunden vorher Malu Dreyer felsenfest behauptete, dass sie voll hinter Martin stünde. Stegner steht daneben und grinst wie ein Wolfshund. Parteifreunde eben…! Aber man kann die Drohung des Buchhändlers auch sinnbildlich interpretieren. Vermutlich hofft er, dass mit seiner Führungsverweigerung gleich die ganze Buchreihe ihren Halt verliert. Ich glaube das jedenfalls nicht. Wer in der SPD will schon umfallen?

Kaum habe ich meine Überlegungen über Martins weitere verschlungenen Karriere-Pfade beendet, lese ich heute in der „Frankfurter Rundschau“: Martin Schulz hängt an seinem alten Job als EU-Kommissionspräsident. Jean-Claude Junker stünde dabei hinter ihm und verknüpft diesen Perspektive mit seinem eigenen Job. Schulz soll wieder mal Präsident werden. Alle Wetter…! Wer erpresst eigentlich wen und mit was und mit welchem Ziel? „Ich erwarte von Herrn Schulz, dass er sich erklärt“, ob er erneut als Präsident des Europaparlaments antrete, sagte der österreichische EVP-Politiker Othmar Karas dem „Spiegel“.

So schnell kann kein Schwein denken, wie sich Wirbel-Martin um die eigene Achse dreht und nach neuen, lukrativen Einkommensquellen sucht. Dabei hörte man in der Partei-Zentrale der SPD gestern noch, dass der Parteivorsitzende seinem jetzigen Job einen Wechsel ins Auswärtige Amt vorzöge. Ja, da wird der Hund in der Pfanne verrückt. Die letzten vier Wochen waren wirklich eine Zumutung. Martin, der Oppositionelle, Martin der Orientierer, der Sanierer, der Vordenker, der Macher. Jetzt mutiert er zum Sondierer, zum Ventilierer und tendiert zur neuen Offenheit, und will wahrscheinlich ergebnisoffene Gespräche mit dem Todfeind zu führen. Immerhin will ihn Steinmeier in der Regierung sehen. Mein Herz macht das bald nicht mehr mit.

Die roten Genossen sind das, was sie schon immer waren. Ein desolater Haufen, deren Verlässlichkeit geringer ist als meine Chance, morgen im Lotto zu gewinnen. Und was will dieser Schulz wirklich? Groko? Brüssel? Berlin? Würselen? Ich wills mal so sagen: Nichts ist im Umgang mit einem Menschen frustrierender, wenn man ihn nicht einschätzen kann, wenn man nicht weiß, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Das zwingt dazu, ständig auf der Lauer zu liegen, weil ja irgendetwas Unangenehmes passieren kann. Kein Wähler, kein Bürger, kein Volk will einen Politiker, bei dem man mit dem Schlimmsten rechnen muss, es sei denn, er wollte wieder in einem Buchladen arbeiten und die Regale abstauben.

Wieder fällt mir Schopenhauer ein, der es so formulierte: „Denn alles Streben entspringt aus einem Mangel.“ Auch hier gebe ich ihm Recht, besonders wenn ich an diesem Martin denke. Denn wenn es an Hirn, Loyalität, Rückgrat und Zuverlässigkeit gleichzeitig mangelt, dann ist für die SPD ohnehin Hopfen und Malz verloren. Wieder schlage ich im Duden nach. Stichwort: Pharisäer. Dort steht zu lesen: Als Pharisäer bezeichnet man im übertragenen Sinne einen heuchlerischen, selbstgerechten Menschen mit Doppelmoral. Ja, denke ich mir, das trifft genau auf diesen Schulz zu. Ich halte ihn einfach nicht mehr aus.

Anmerkung:

Der Beitrag von Claudio Michele Mancini wurde in „Scharfblick“ am 25. November 2017 erstveröffentlicht.

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