„Wenn ich groß bin, werde ich Lokführer.“ Die wenigsten werden es tatsächlich. Für die meisten stellt das Leben andere Weichen. Doch der heimliche Traum muss nicht für immer unerfüllt bleiben.
An der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern, im Harz in Sachsen-Anhalt und in der sächsischen Oberlausitz rattern noch Schmalspurdampflokomotiven durchs Land, die den Kindheitstraum Wirklichkeit werden lassen: Einmal mit Molli durch Kühlungsborn und Bad Doberan zuckeln. Mit der Brockenbahn auf den höchsten Gipfel Norddeutschlands schnaufen oder mit die Bimmelbahn durchs Zittauer Gebirge steuern.
„Zwei Wochen Urlaub muss man sich schon gönnen. So lange dauern die Hobby-Lehrgänge zum Ehrenlokführer. Auch Ehrenlokführerinnen haben wir bereits ausgebildet. Doch auch nach fast 20 Jahren bleibt unser Angebot eher eine Männerdomäne“, erklärt Jan Methling, stellvertretender Betriebsleiter der Mecklenburgischen Bäderbahn Molli.
In der theoretischen Ausbildung erfahren die Teilnehmer zunächst Wissenswertes zur Technik und Handhabung verschiedener Schmalspurdampfloks der Baureihe 99. Danach folgen praktische Lehrschichten, um den Arbeitsalltag des Lokpersonals unter realen Bedingungen zu erleben. Wer einige Male im Führerstand mitgefahren ist, darf unter Anleitung seines Ausbilders die Lokomotive selbständig lenken. „Während einer Schicht steuert der Freizeit-Lokführer Molli dreimal von Kühlungsborn nach Bad Doberan und zurück. Das sind insgesamt über 90 Kilometer pro Tag. Acht Lehrschichten finden pro Kurs statt“, so Jan Methling.
Wer sich für einen Ehrenlokführerkurs interessiert, sollte sich zunächst genau über die Voraussetzungen informieren. „Das Mindestalter beträgt 18 Jahre. Die meisten Interessenten sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. Gesundheitliche Fitness ist wichtig“, ergänzt Holger Prochnau, Kundenbetreuer der Harzer Schmalspurbahnen. Alle Veranstalter verlangen eine ärztliche Tauglichkeitsbescheinigung. Auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist erforderlich. Die richtige Arbeitskleidung mit rutschfesten Schuhen ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung. Eine rechtzeitige Anmeldung ist anzuraten. „Am besten mehrere Monate vor dem gewünschten Termin“, weiß Holger Prochnau aus Erfahrung. Die Preise liegen je nach Anbieter und Zeitraum der Ausbildung zwischen 790 und 990 Euro zuzüglich Anreise, Unterkunft und Verpflegung.
Bahnhof Wernigerode. Karl-Heinz Wolf schiebt seine Schirmmütze aus der Stirn. Auf der Brusttasche seiner Arbeitsjacke leuchtet die Aufschrift „Ehrenlokführer“: „Als langjähriger Modelleisenbahnfan hatte ich schon immer den Wunsch, einmal eine richtige Lokomotive selbst zu fahren.“ Und so tauschte der pensionierte Pilot das Cockpit mit dem Führerstand einer Dampflok. Zusammen mit seinem Ausbilder Frank Hauptvogel hat er die schwarze Lok an die fünf roten Waggons gekoppelt. Er lässt die Dampfpfeife ertönen. Abfahrt. Langsam setzt sich der Zug Richtung Brocken in Bewegung.
Nach Abschluss des Lehrgangs erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat als „Ehrenlokführer“. Es bleibt aber trotzdem eine reine Hobby-Ausbildung. Sie berechtigt nicht zur Bedienung einer Dampflok oder Mitfahrt auf dem Führerstand nach Beendigung des Kurses.
Damit nicht alles wieder schnell in Vergessenheit gerät, gibt es mehrtägige Wiederholungskurse oder einzelne Wiederholungsschichten. „Mittlerweile haben wir viele Stammkunden, die unsere Auffrischungskurse regelmäßig buchen, um mal wieder Dampf abzulassen“, erzählt Jan Methling. „Die längste Wiederholungsschicht dauerte 21 Tage“, so Holger Prochnau.
Alle beschriebenen Bahnstrecken befinden sich in landschaftlich sehr reizvollen Gegenden. Dennoch sollten sich Kursteilnehmer vorher im Klaren darüber sein, dass es anstrengende Tage sind. „Wer mit Partner oder Familie anreist, ist gut beraten, für sie ein Alternativprogramm zusammenzustellen“, rät Jan Methling. Die Entschädigung folgt aber spätestens am letzten Tag. Ein unvergesslicher Höhepunkt für alle ist es, wenn die Familie im Zug sitzt und Papa oder Opa sich als Lokführer die Ehre geben.
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Schmalspurbahnen, die eine Ehrenlokführerausbildung anbieten (alle Preise ohne Übernachtung und Verpflegung):
Mecklenburgische Bäderbahn Molli GmbH, Bad Doberan/Mecklenburg-Vorpommern
Tel 038203-415-0
www.molli-bahn.de
Schmalspurbahn „Molli“, Spurweite 900 Millimeter, Streckenlänge 15 Kilometer
Kursdauer: 10 Tage, 900 Euro
Zeitraum: April bis Oktober
Auffrischungskurse: 2 Wochen 750 Euro, 1 Woche 375 Euro, Zusatztag 75 Euro
Schnupperkurs „Ehrenlokführer“ (2 Tage): 250 Euro
Harzer Schmalspurbahnen GmbH, Wernigerode/Sachsen-Anhalt
Tel. 03943-558-0
www.hsb-wr.de
Brocken- und Harzquerbahn, Spurweite 1000 Millimeter, Streckenlänge 19 bzw. 60 Kilometer
Auf der Selketalbahn ist eine Ausbildung nicht möglich.
Kursdauer: 13 Tage, 990 Euro
Zeitraum: Mai bis Oktober
Wiederholungsschichten nach Absprache
Schnupperkurs „Ehrenlokführer“ (3 Tage): 298 Euro
Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft mbH, Zittau/Sachsen
Tel. 03583-540540
www.SOEG-Zittau.de
Bimmelbahn nach Oybin/Jonsdorf, Spurweite 750 Millimeter, Streckenlänge 13 Kilometer
Kursdauer: 12 Tage, 790 Euro
Zeitraum: November bis März
Auffrischungskurs (6 Tage): 460 Euro