In einer kurzen Einführung schildert S.E., der luxemburgische Botschafter Georges Santer, der Léa ebenfalls in sein Herz geschlossen hat, kleine Annekdoten. Zum Beispiel war sie als Köchin zu einem politischen, luxemburgischen Event nach Washington eingeladen worden und nachdem ihr nach dem köstlichen Mahl von allen Lob ausgesprochen wurde, umarmte Léa unkonventionell den anwesenden Großherzog Henri und sagte: "I love my duke!"
Der Großherzog war einer ihrer ersten Förderer, denn Léa machte sich gleich nach Abbruch ihres Jurastudiums daran, ihren internationalen Ruhm zu erarbeiten. "Ich wollte sehen, wann es anfängt kriminell zu sein", schildert sie scherzhaft ihren kurzen Ausflug ins Akademische.
"Koch sein ist Knochenarbeit", sagt sie, aber im nächsten Moment blitzt wieder ihr Humor durch. "Ich schreie nicht in der Küche", sagt sie auf Frage des Moderators: "Ich lasse schreien." Seit sie sah, dass durch Nervenverlieren in heiklen Situationen alles nur noch schlimmer wird, hat sie einen Angestellten beauftragt, die Fehlerquellen ruhig zu übermitteln. Ihre Beschreibung, wie sie als 19-jährige ein Hochzeitsmenu für 45 Gäste kochte, die spezielle Anforderungen hatten wie einen speziellen Lammbraten, ringt einem größten Respekt ab. Sie musste einspringen für die eigentlich eingeplanten "Hippie-Köche", die wohl von der Polizei wegen Marihuana-Besitzes verhaftet wurden.
Malheurs wie Rindfleisch, welches nicht "bleu" (roh), sondern durchgebraten ist, seien "kriminell", so Léa. Ein solches Malheur meisterte sie mit Erfindergeist und Charme, servierte den 40 Gästen ein Soufflet auf Kosten des Hauses für zwischendurch und briet neues Rindfleisch nach Wunsch der Gäste, ohne diese von dem Unglück in Kenntnis zu setzen. So waren alle zufrieden und das Personal hatte auch noch eine schöne Mahlzeit mit den "durch"-gebratenen Steaks.
"Mein größtes Glück war der Erhalt des Bocuse ‚d’Or‘ gefolgt ein Jahr später von der Geburt meines Sohnes Louis", berichtet sie.
In ihrem Buch schildert sie auch ihren schwierigen Weg in der sexistischen Männerdomäne der "Spitzenköche". Sie liest vor, wie sie trotz einer Augenentzündung mit Witz und Können den Preis "Bocuse d’Or" erlang. Neidern, die ihr unterstellten, sie habe als 33-jährige den Preis nur erhalten, weil sie mit Bocuse "im Bett" war, entgegnet sie mit entwaffnendem Humor: "Das hätte ich auch so getan." Sexismus war und ist an der Tagesordnung, sagt sie. Als Journalisten sie nach der Preisverleihung fragten, was sie von Bocuses sexistischer Äußerung "Frauen gehören ins Bett, nicht in die Küche" hielte, sagt sie etwas belanglos Charmantes – sie kenne diese Äußerung nicht. Léa lässt sich nicht aus der Fassung bringen.
Sie hat ihr Handwerk in dem seit über 100 Jahren bestehenden Familienrestaurant im kleinen Dörfchen Frissange gelernt. Sehr interessant schildert sie die Anfänge, als zum elterlichen Betrieb noch eine Tankstelle gehörte und wie sie mit einem ihrer Brüder heimlich abends die Tankstelle wieder öffnete, um sich ein Taschengeld zu verdienen. Als 6-jährige schon kochte sie den Touristen, die nach Schließung des Lokals noch vorbeifuhren und Hunger hatte, die von der Mutter verpönten Tütensuppen und rührte besonders interessanten Gästen noch ein Ei und Kräuter drunter, die sie frisch im Garten pflückte.
Das Buch liest sich wie ein Krimi – sehr spannend und lustig, wie die Annekdote, als sie als kleines Mädchen im Restaurant zu einem Gast sagt: "Die Frau, die gestern an ihrem Tisch saß, war nicht so schön wie diese hier." Ihr Vater nahm sie sofort raus aus dem Getümmel und konnte sich ein heimliches Lachen nicht verkneifen.
Léa schildert, wie sie den ersten Guide Michelin Stern erhielt und davon aus einer lothringischen Zeitung im benachbarten Frankreich erfuhr. Sie konnte es nicht glauben, bis sie es am nächsten Tag auch im "Luxemburger Wort" bestätigt fand. Sterneköche werden vom Verlag nicht informiert.
In ihrem Buch werden Höhen und Tiefen beschrieben, die sie ernst nimmt, jedoch gleich wieder ihre positive Lebensenergie strahlen lässt, die sich auf einen überträgt.
Rezepte von ihrer berühmten "Crème brí»lée" und andere leckere Rezepte gibt sie in ihrem Buch ebenfalls freimütig zum Besten und lässt die Leser teilhaben an ihrer Kochkunst. Unbedingt nachbacken sollte man ihr Rezept der "Madeleines", die sie auch in ihrem Café neben dem Großherzoglichen Palast in Luxemburg-Stadt verkauft. "Die luxemburgische Butter" ist ihr Geheimtipp – die glücklichen Kühe in Luxemburg in der schönen luxemburger Landschaft geben all ihren Gerichten den Pfiff – so das Crédo Léa’s. Und wirklich: einmal gekostet, kann man süchtig danach werden!
Das Buch fesselt einen und man liest es gern "in einem Rutsch". Wer einmal von Léa’s köstlichen Gerichten probiert hat, wie zum Beispiel die "Bouneschlupp" (grüne Bohnensuppe), die sie auf einer vergangenen ITB in Berlin für die ITB-Besucher kochte, kann es kaum erwarten, ihr Restaurant in Frissange aufzusuchen, um vielleicht neben dem Guide Michelin Tester Platz zu nehmen, der anonym dort sitzt und ihr vielleicht in Bälde den wohlverdienten zweiten Stern verleiht!
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Léa Linster, Kerstin Holzer, Mein Weg zu den Sternen, 224 Seiten, gebunden, Verlag: Kiepenheuer & Witsch, März 2015, ISBN: 978-3-462-04713-4, Preise: 18,99 € (D), 19,60 € (A)