Großer Abräumer an diesem Abend war natürlich Florian David Fitz, der sowohl die goldene Lola für die Kategorien „Bester Film“ als auch „Bester Darsteller“ für seine Tragikkomödie „Vincent will Meer“ entgegen nehmen durfte. Fitz, der auch in der Kategorie „Bestes Drehbuch“ nominiert war, musste leider diesen Preis an die Samdereli Schwestern abgeben, die mit ihrer Komödie „Almanya – Willkommen in Deutschland“ die goldene Lola erhielten. In der Kategorie „Bester Film“ wurden sie mit der silbernen Lola ausgezeichnet.
„Wir sind wirklich platt,“ war das einzige, was Nesrin und Yasmin Samdereli vor Freude sagen konnten. In der Tat war es für alle Mitarbeiter eine sehr große Überraschung, dass die Komödie über eine Familie aus dem anatolischen Teil der Türkei, die Anfang der 60er nach Deutschland auswandert, einen solchen großen Erfolg mit sich bringen könnte. Aber eins ist sicher, der große Erfolg war auch schon lange fällig, denn die Samdereli Schwestern lieferten im deutschen Film schon sehr gute Arbeit ab. So drehte Yasemin Samdereli 2002 die Multi-Kulti Liebeskomödie „Alles getürkt“, für das sie auch das Drehbuch mit ihrer Schwester Nesrin gemeinsam schrieb. Nesrin arbeitete an diversen Drehbüchern der Serie „Türkisch für Anfänger“.
In der Komödie beschäftigen sich die Schwestern mit der Frage: „Wer oder was bin ich eigentlich? Deutscher oder Türke?“ Diese Frage stellt sich der sechsjährige Cenk, den beim Fussball weder seine türkischen noch seine deutschen Mitschüler in die Mannschaft wählen. Um Cenk ein bisschen zu trösten, erzählt ihm seine 22-jährige Cousine die Geschichte seiner Großeltern, die Ende der 60er Jahre als türkische Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Seither ist viel Zeit vergangen, Deutschland, das man – nachdem man genug Geld zusammen gespart hatte, um in der Heimat ein gutes Leben führen zu können – wieder verlassen wollte, ist längst zur Heimat der Familie geworden. Eines schönen Abends verkündet Opa Hüseyin bei einem großen Treffen der Familie, er habe ein Haus in der Türkei gekauft und wolle nun mit der Familie zusammen in die Heimat fahren. Nun stellt sich für viele Mitglieder der Familie die Frage, wo denn nun die Heimat ist. Da Hüseyin keine Widerworte duldet, bricht die ganze Familie in die Türkei auf…
Diese Komödie spricht sowohl Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund an. Türken schwelgen in Erinnerungen und Deutsche verstehen so langsam, dass die zweite und dritte Generation der Migranten, eigentlich keine Migranten, sondern ein fester Bestandteil Deutschlands sind. Hier stellt sich natürlich wieder das in der deutschen Politik heiß disskutierte Thema Integration in den Vordergrund, das die Samdereli Schwestern in ihren Film einbauen, ohne Menschen anzugreifen. Denn wer diesen Film anschaut, wird sich in der Tat die Frage stellen: Wie soll ich mich denn noch in ein Land integrieren, in dem ich geboren bin? Ich kenne doch nur diese Mischkultur, in der halb deutsch halb türkisch gesprochen wird, in der sowohl Bayram als auch Weihnachten ein Begriff sind oder in der es mal Maultaschen und dann auch Manti (türkisches Ravioli-Gericht) zum Mittagessen gibt. Auf diese heikle Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist, haben die Samdereli Schwestern mit ihrer Komödie eine kleine, und wohl vorerst die Menschen befriedigende, Antwort gegeben.