Aber wir schauen erst einmal in die Vergangenheit. Denn der Ausstellungsrundgang zeigt einem erst einmal, was um 1460 in Regensburg als Kunst überliefert ist und dabei, wie die Katholische Kirche – ein andere gab es noch nicht – mit dem Schreckensbild der Hölle die Leute auf den rechten, den gläubigen, den von der Kirche verordneten Weg bringen wollten. In beispielhaften Szenen wird vorgeführt, wie man gute Werke tut und was mit denen geschieht, die das unterließen, ja das Gegenteil taten. Ins Fegefeuer mit ihnen, da wird gekocht und gepfählt, und jedem das Seine gegeben: dem Geldhändler zum Beispiel sein Geld in den Rachen gestopft, so daß er erstickt. Ja, das ist eine übersichtliche Welt, in der die Hölle blutrünstige Schreckensvisionen erzeugt, so daß man niemals von Allegorien sprechen könnte, sondern von einer derb-sinnlichen Darstellung der vorgestellten strafenden Unterwelt. Das Paradies dagegen ist mit dem Petrus samt Schlüssel am Himmelstor nachgerade langweilig geraten, allerdings amüsiert man sich dann, erkennt man an der Himmelpforte das Stadtwappen von Regensburg!
Danach kommt die Buchkunst dran. Es ist gut einen Überblick zu erhalten über die Werke der Zeit, unter denen dann tatsächlich die Miniaturen von Furtmeyr aufstrahlen. 1470 ist sein Name in der sogenannten Furtmeyr-Bibel zu lesen, die als zweibändige Handschrift zu den Werken gehört, die durch bildliche Darstellung im Sinne der biblia pauperum das biblische Geschehen in Form von Bildern auch Leseundkundigen nahebringt. Diese Exemplare gehörten dem Herzog Albrechts IV. von Bayern nebst Habsburger Gemahlin Kunigunde von Österreich und die Exemplare sind derzeit auseinandergenommen, so daß nicht wie sonst, ein einziges Blatt für das Gesamtwerk steht, sondern hier wirklich in voller Breite sichtbar sind. Es sind Deckfarben, mit denen Furtmeyer die Geschichten anschaulich und transparent macht, um die Bilder herum ranken sich Blattwerk und Blumen und die Initialen sind lieblich verspielt.
Dann wieder wird man mit der Landschaftsmalerei um 1500 bekannt, wie sie sich aus den christlichen Bildern immer weiter emanzipiert und ein immer größeres Gewicht erhält, bis sie später eine eigenständige Gattung wird. Immer wieder aber kommt man zurück zu den kleinen Buchmalereien, bei denen Furtmeyr inzwischen technologisch draufgesattelt hat. Er verwendet Ultramarin für sein Blau und echtes Gold. Sündhaft teuer damals und auch heute noch wertvoll. Beides gibt den Blättern noch heute einen Glanz und eine schon ’gefühlte` Kostbarkeit, daß man ob dieser Opulenz den Kopf schüttelt, wie sich so etwas 500 Jahre erhalten kann und aussieht wie neu. Und sich freut. Fortsetzung folgt.
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Info:
Ausstellung: bis 13. Februar 2011.
Beachten Sie das umfängliche Begleitprogramm unter www.regensburg.de/furtmeyr und versuchen Sie es mit einer Führung
Katalog: Furtmeyer. Meisterwerke der Buchmalerei und die Regensburger Kunst in Spätgotik und Renaissance, hrsg. von Christoph Wagner und Klemens Unger, Schnell & Steiner 2010
Wie sollte man all das den meisten Unbekannte von und über Berthold Furtmeyr, zwischen 1460 und 1506 als Künstler nachweisbar, sowie die außerhalb Regensburg weithin unbekannte dortige Kunst der Spätgotik und Renaissance anders darstellen können, als im Format eines steinernen Gehwegplatte. Ja, tragen können müssen Sie, wenn Sie den Katalog nach Hause schleppen, aber dann erfahren Sie über viele Stunden, Tage, Wochen und Monate immer wieder ein großes Glück.
Tatsächlich ist es so, daß illuminierte Buchmalerei in Vergrößerungen uns erst die Augen öffnen können, für die vielen kleinen, oft versteckten Feinheiten der Originale, die nicht dafür gedacht waren, hinter Glas mit Abstand betrachtet zu werden. Wir sind froh, daß sie überhaupt wenigstens im Ausstellungszeitraum dem Licht ausgesetzt werden und wirklich glücklich, Sie in diesem wunderbaren Bildband in Ruhe betrachten zu können. Auffällig dabei ist, daß die wirklich hervorragenden Reproduktionen Furtmeyrs dennoch seine „Luxusspezialitiät“ nicht nachdrucken können: sein Aquaraminblau und sein Gold.
Der eigentliche Wert des Bandes geht natürlich über diese wunderbaren Bilder hinaus. Er liegt in der kunsthistorischen Erforschung der Zusammenhänge um den Künstler, sein Oeuvre, die Wechselwirkungen mit anderen Künstlern, die damaligen gesellschaftlichen und historischen Lebens- und Arbeitsbedingungen in und um Regensburg, dann aber auch um die Buchmalerei selbst, ihre Korrespondenz mit der Malerei auf Tafel, Leinwand und Fresko, die Zeichnung, der Druck – es ist kein Gebiet der Kunstgeschichte ausgespart, wenn man sich wie in einem Biotop allein Regensburg vornimmt. Und es wird auf einmal tatsächlich so, wie es sich die Herausgeber des Katalogs vorgestellt haben mögen, daß einem der Text erneut Lust auf die Bilder macht, in denen man mit dem Wissen im Hintergrund nun noch mehr sehen und erkennen kann.