Mahé und La Digue, Seychellen; Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Welcome to paradise“, begrüßt mich ein junger Seychellois mit seinen zwei kleinen Kindern auf dem Weg zum Badestrand des kleinen Ortes Bel Ombre auf der Hauptinsel Mahé im Indischen Ozean. Und ich antworte höflich: „You are lucky, you live in paradise.” Das betrifft das Klima auf der Seychellen-Insel Mahé auf jeden Fall, die vielen Strände mit weißem feinem Sand, umspült von blauem klarem 28 bis 30 Grad warmem Meerwasser und die fast tausend Meter aufragenden Bergkämme, durch die eine ganze Reihe von ausgezeichneten Wanderwegen führen.
Endemische Tier- und Pflanzenwelt
Hier in Bel Ombre wie überall auf den Inseln sind unendlich viele Fotomotive zu finden. Das beginnt mit der ganzjährig sattgrünen Natur. Durch die isolierte Lage der Seychellen hat sich eine artenreiche einheimische Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Insgesamt sind 15 Arten von Landvögeln mit 18 Unterarten endemisch. Dazu gehören die bunten Madagaskar-Webervögel, die kleinen eleganten Sperbertäubchen und die lautstarken Hirten-Stare, die alle Resorts mit ihren Grünanlagen bevölkern und auch schon mal ein paar Krümel vom Frühstückstisch im Freien stibitzen.
Ein Glanzpunkt ist zweifellos der Botanische Garten in Victoria. Victoria hat mit der Kleinstadt-Größe von rund 26.000 Einwohnern immerhin die Rolle der Hauptstadt der Seychellen übernommen. Entlang der Parkwege ist eine beeindruckende Auswahl von prächtigen Exemplaren von Bäumen wie der endemischen Meereskokosnuss Coco de Mer mit ihrer charakteristisch geformten Riesen-Nuss, Flaschenpalmen, Brotfruchtbäumen und Flamboyantbäumen zu bestaunen. Hier gibt es auch ein Gehege mit einem Dutzend Aldabra-Riesenschildkröten, eine Art, die nur auf den Seychellen vorkommt. In freier Natur sind sie vor allem auf den Inseln des Aldabra-Atolls zu finden, werden aber auch gerne in Naturparks und Gärten gehalten und gezüchtet. Die Besucher können den Tieren im Gehege auf die Pelle rücken. Auf den Panzer raufklettern ist allerdings nicht erlaubt. Aber sie dürfen mit bereit liegenden Blättern gefüttert werden.
Wer übrigens als Tourist den Botanischen Garten besuchen oder in den zahlreichen Naturparks und entlang der Urwaldtrails wandern möchte, muss sich darauf einstellen, dass auf den Seychellen die Digitalisierung weit vorangeschritten ist. Bargeld wird in 18 der Nationalen Parks und Gärten schon nicht mehr akzeptiert und nach und nach wird alles auf online Bezahlung umgestellt. Im Botanischen Garten kann man immerhin noch mit der Kreditkarte ein Ticket erwerben, was allerdings den Tagesgästen großer Kreuzfahrtschiffe, die gerne ihre Kreditkarten im sicheren Safe an Bord zurücklassen, auch nicht weiterhilft. So wird dann der Parkplatzwächter des Botanischen Gartens schon mal zu einem Vermittler von Bezahlvorgängen.
Kolonialgeschichten im Museum
Im Zentrum von Victoria hat sich das National Museum of History etabliert. Das Museum ist vor fünf Jahren in das imposante historische Gebäude einer früheren britischen Telegrafen-Gesellschaft umgezogen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Wahrzeichen der Hauptstadt, dem Clock Tower. Diesen Uhrturm stellte um die Jahrhundertwende der damalige englische Gouverneur auf, um den neuen Status der Seychellen als Kronkolonie des britischen Empires zu feiern, Sinnbild des einstigen englischen Kolonialismus und heute ein begehrtes Fotomotiv der Touristen auf der Insel. Der Uhrturm ist die Replik eines Uhrturms, der in London nahe der Victoria Station steht und sieht aus wie eine Miniatur des berühmten Big Ben.
Im Museum kann der Besucher auf zwei Etagen einen spannenden Spaziergang durch die Geschichte der Inseln der Seychellen vornehmen. Prägend die Inbesitznahme zunächst durch Frankreich in den Jahren 1742 und 1744. Schließlich wurde im Jahr 1756 oberhalb des Hafens Victoria die französische Nationalflagge platziert, zusammen mit einem speziell geformten großen Stein mit dem französischen Wappen, der die Eigentumsrechte des französischen Königshauses manifestieren sollte und im Museum zu sehen ist. So einfach wurde damals Weltgeschichte geschrieben. Nach Napoleons Waterloo wurde die Insel nach Verträgen auf dem Wiener Kongress 1815 als ein Beutestück den Engländern übergeben. Die Mitgliedschaft im Commonwealth, der Linksverkehr und der Clock Tower sind bis heute geblieben.
Die Darstellung der Kolonialgeschichte im Museum ist angenehm unaufgeregt. Ebenso die Darstellung des Weges in die Unabhängigkeit 1976, die Leistungen des ersten Präsidenten James Mancham, der allerdings 15 Jahre im Exil verbringen musste, als sein Opponent und dann Nachfolger gegen ihn putschte.
Reiseführer mit Fehlinformationen
Beim Klassiker der Reiseführer über die Seychellen vom Dumont-Verlag mit den Autoren Wolfgang und Philipp Därr in der fünften aktualisierten Ausgabe 2023 wird allerdings der Einzug des Museums in das neue Haus im Jahr 2018 nicht erwähnt und deshalb ist es auch im Kartenmaterial falsch platziert. Das spricht nicht gerade für Aktualität, auch an anderen Stellen hat die Realität das Buch überholt. Stattdessen erzählen die Autoren ihren Lesern, dass die hohen Preise auf den Seychellen auch etwas Gutes haben, denn sie verhindern den Massentourismus. Na, da kann sich die einheimische Bevölkerung freuen, die hauptsächlich vom Tourismus lebt. Die Seychellen haben ein eigenes Tourismus-Ministerium, das viel für die Förderung eines nachhaltigen Tourismus und die Bewahrung der eigenen Kultur und der unverwechselbaren Fauna und Flora tut. So wurde auch der Rückschlag durch die Corona-Pandemie im Jahr 2020 schnell kompensiert. Hier hat man erkannt: Ein Anstieg an Besucherzahlen bedeutet mehr Staatseinnahmen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und einen insgesamt positiven Einfluss auf die Wirtschaft. Erst kürzlich wurde zur Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen eine Umweltabgabe eingeführt, die jeder Urlauber auf den Seychellen zahlen muss, pro Person und Übernachtung sind das zwischen 1,70 Euro und 6,70 Euro, ja nach Größe der Unterkunft.
Hohe Mauern und malerische Lagunen
Wer Linksverkehr und schmale Straßen mit tiefen Straßengräben nicht scheut, kann Mahé in zwei Tagen gut mit dem Mietwagen erkunden. Auf der Tour entlang der Küstenstraße im Norden gibt es allerdings Wegstrecken, die kaum einen Ausblick auf das Meer und die Küstenlandschaft bieten. Dafür sorgen kilometerlange hohe Mauern von Villen und Touristen-Resorts. Zusätzlich versperrt üppige Vegetation die Sicht und Fotomotive sind rar.
Doch für die Geduldigen hat Mahé immer eine Belohnung parat, wieder weite Strände im Süden und Westen der Insel und dann ein Restaurant in Port Glaud an einer Lagune mit malerischer Aussicht auf eine Bucht mit Fischerbooten und einer hervorragenden Speisekarte. Auf ihr sind zahlreiche kreolische Spezialitäten zu finden, natürlich mit fangfrischem Fisch oder mit dem einheimischem Rum Takamaka flambierte Groß-Garnelen und Shrimps.
Rum-Destillerie mit Naturpfad
Auf der Rundreise im Süden von Mahé dürfen sich die Touristen nicht durch das dauerhaft warme tropische Klima vom Besuch der Takamaka Rum Destillerie abschrecken lassen. Gleich neben der Destille erwartet den Besucher ein wunderschöner liebevoll angelegter Naturpfad durch den grünen Urwald. Auch hier wohnen zwei Riesenschildkröten, die beiden hören – wie kann es anders sein – auf die Namen Taka und Maka. Sogar ein Malzirkel wurde an diesem Tag für eine Besuchergruppe organisiert.
Selbstverständlich kann der Besucher auch einige Rumsorten verkosten. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei: Aromatisierter Rum mit Kokos- oder Ananasgeschmack, besonders geeignet für Cocktails, ein 43-prozentiger in Bourbon-Fässern gereifter Rum, oder der klassische weiße „Overproof“ Rum mit 69 Prozent. Sehr empfehlenswert die Sorte „Dark Takamaka“, insbesondere wenn man als Beifahrer unterwegs ist.
Botschaften aus dem Herrenhaus
Ein paar Kilometer weiter liegt die Domaine de Val des Prés. Hier ist das künstlerische Handwerk der Insel zu Hause, mit kleinen Werkstätten und Souvenirläden, die nicht vorrangig Sachen aus der industriellen Massenproduktionen verkaufen. Im „Grannkaz“, dem Herrenhaus der Domaine, in dem ehemals die Plantagenbesitzer residierten, wird ein wenig Historie des englischen Empire auf Schwarzweiß-Fotos präsentiert samt einer fürstlichen Tafel mit edlem Geschirr. In einem Vorraum werden auf zwei kleinen Tischchen auch die damaligen Einheimischen nicht vergessen. Liebevoll sind hölzerne Modelle von zwei ärmlichen – man könnte auch sagen romantischen – Hütten gebastelt mit der orientierenden Botschaft für die Besucher: „So wohnten die Kreolen“.
Erfreulicherweise haben sich diese Lebensumstände in den letzten 150 Jahren merklich verändert. Eine beträchtliche Zahl der Bevölkerung wohnt in Mehrfamilienhäusern und modernen mehrgeschossigen Neubauten. Mit der Eröffnung des internationalen Flughafens in Victoria im Juli 1971 startete auch der internationale Flugverkehr und damit das boomende Tourismus-Geschäft, und das schaffte auch Wohlstand für die Bevölkerung.
Gegenüber der Domaine auf der anderen Straßenseite verläuft der unendlich lange Sandstrand. An diesem Sonnabend haben sich hier viele Einheimische mit ihren Familien im Schatten der Bäume zum Badevergnügen und zum Picknick versammelt.
Fischfang live am Strand erleben
Doch der Strand bietet nicht nur Badefreuden, sondern liefert live echte Erlebnisse im Urlaub. Am langen Sandstrand von Beau Vallon im Nordwesten von Mahé ist zunächst zu beobachten, wie fünf Seychellois an einem langen Seil etwas aus dem Meer ziehen. Nach einer halben Stunde kommt dann Bewegung in die Gruppe der Fischer. Sie ziehen das Seil mehrere Dutzend Meter am Strand entlang, verfolgt mittlerweile von einem Schwarm von Badegästen mit Fotoapparaten und mobilen Telefonen in der Hand. Schließlich werden unter tatkräftiger Mitwirkung einiger Touristen die letzten zwanzig Meter eines endlos langen Fischernetzes an den Strand geholt. Im Netz zappeln große und kleine Fische. Einige Frauen drängen nach vorn und begutachten die Fische. Haben sie ein Exemplar ausgewählt, hat ein Fischer den Fisch schon in der Hand und es wird gleich bar bezahlt. Die größeren Fische sind für 150 Rupien (umgerechnet 10 Euro) zu haben. Der Fang ist allerdings bescheiden und es gibt auch nur wenige Käufer. Aber für mehrere Dutzend Urlauber einige schöne Fotomotive.
Abenteuer Busfahrt
Eine preiswerte und stressfreie Alternative zum Mietwagen ist auf Mahé der Öffentliche Busverkehr. Die großen blauen Busse fahren häufig, sind zur Hauptverkehrszeit auch schon mal rappelvoll, die Haltestellen sind gut ausgezeichnet, mit ihnen sind auch die entlegensten Strände und natürlich auch die Hauptstadt Victoria zu erreichen. Insbesondere für einen Besuch von Victoria ist der Bus zu empfehlen, da Victoria gut zu Fuß zu erkunden ist, Parkplätze rar sind und der große Busbahnhof zentral in unmittelbarer Nähe der Markthalle gelegen ist. Die Bezahlung ist nur mit Prepaid-Buskarten möglich, die es aber problemlos in fast allen Läden zu kaufen gibt. Eine Fahrt kostet umgerechnet 70 Cent. Und die Fahrt selbst, mit Vollgas über die Serpentinen der schmalen Bergstraßen, immer ein paar Zentimeter vom Abgrund entfernt, ist ein Abenteuer an sich.
Insel der Kokosnüsse und Granitfelsen
Neben der Hauptinsel Mahé, auf der die übergroße Mehrheit der Bevölkerung lebt, und vielen unbewohnten Koralleninseln gibt es noch eine Handvoll weiterer Inseln, die Touristen aus aller Welt empfangen. Zu den schönsten gehört unbestritten die 15 Quadratkilometer kleine Insel La Digue mit ihren berühmten Granitfelsen. Mitten im Urwald taucht die Kokos- und Vanille-Plantage Union Estate auf, platziert rund um einen riesigen Granit-Monolith. Auf dem Gelände wird dem Besucher vorgeführt, wie einst das Kokos-Öl hergestellt wurde, vom Schälen und Trocknen der Nüsse bis zu den Ölmühlen, die zunächst durch Büffel angetrieben wurden, dann aber später durch Motoren ersetzt wurden. Hier haben auch einige Aldabra-Riesenschildkröten ein Refugium gefunden.
Doch die eigentliche Attraktion der Insel ist der Strandbereich Source d’Argent, der über die Jahre und Jahrzehnte berühmt fotografiert wurde. Einige der hier entstandenen Bilder wurden auch schon mal nach Polynesien verlegt und als Südsee-Romantik verkauft. Direkt im Uferbereich befinden sich eine Unmenge von großen, schön geformten Granitfelsen, dazu weiße Strände und türkisfarbene Lagunen. Da gibt es traumhafte Fotomotive, wenn nicht gerade fotografierende Touristen im Weg stehen.
Der kleine Hafen in La Digue ist Zwischenstation für die Fähre zur zweitgrößten Insel Praslin, nur sechs Kilometer entfernt. Und wenn man sich per Schiff auf den Weg in Richtung Madagaskar macht und dabei die vielen Inseln und Korallenriffe der Outer Seychellen passiert, dann wird man daran erinnert: Die Seychellen sind ein Staat der Inseln mit einer Seefläche, die größer ist als ganz Deutschlands Landfläche.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Dr. Ronald Keusch wurde unter keusch-reisezeiten.de im November 2023 erstveröffentlicht.
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