Berlin, Gelsenkirchen, Deutschland (Weltexpress). Ein Dankesgruß, versehen mit einem Smiley, per SMS wäre zeitgemäß. Und angebracht. Beispielsweise von Domenico Tedesco (31/FC Schalke 04), Alexander Nouri (37/Werder Bremen), Hannes Wolf (36/VfB Stuttgart), Sandro Schwarz (38/ Mainz 05) oder Manuel Baum (37/ FC Augsburg) an einen Adressaten: Julian Nagelsmann (29/1899 Hoffenheim).
Man darf davon ausgehen, dass einige der genannten Fußball-Lehrer heute nicht den begehrten Stuhl eines Bundesliga-Cheftrainers besetzen würden, wenn es das Beispiel Nagelsmann nicht gäbe. Jener war bei den Kraichgauern mit gerade mal 28 Jahren dazu auserkoren worden – aus Mangel an Geld oder Personal -, die Mannschaft vor dem drohenden Absturz in die Zweite Liga zu retten.
Nagelsmann überstand das Himmelfahrts-Kommando nicht nur unversehrt. In der nun beendeten Saison landete das von ihm betreute Aufgebot knapp hinter Borussia Dortmund auf Rang vier. Das bedeutet über eine erfolgreiche Qualifikation den erstmaligen Sprung der Hoffenheimer in die europäische Königsklasse, der Champions League!
Und Nagelsmann etablierte sich als Trendsetter in der Trainerfindung der Fußball-Bundesliga, die als eine der stärksten Ligen der Welt gilt.
Tedesco und Co. sind alle irgendwie und irgendwo Nagelsmänner! Top ausgebildet, top ehrgeizig und allesamt jung an Lebens- und Berufsjahren! Und meistens mit kaum nennenswerten, eigenen Meriten als Spieler!
Dafür mit um so größerem Eifer und Ehrgeiz bereits in der Ausbildung und danach als Spielerbetreuer!
Das jüngste Beispiel liefert Domenico Tedesco. Der Deutsch-Italiener schloss die Trainerausbildung als Bester seines Kurses noch vor Nagelsmann mit dem Fabel-Notendurchschnitt von 1,0 ab.
„Sport-Bild“ stellte heraus, als Kicker habe er lediglich in der Kreisliga den Spieler-Alltag erlebt. Sein Trainerwissen konnte er in der Praxis zunächst bei den Jugendmannschaften in Stuttgart und Hoffenheim erproben. Ehe er sich im März beim abstiegsbedrohten Zweitligisten Aue beweisen durfte. Das gelang so eindrucksvoll, dass Schalkes Manager Christian Heidel aufmerksam wurde. Und dem von Augsburg geholten Markus Weinzierl (auch erst 42) nach einer enttäuschenden Saison (10. Platz) den Laufpass gab und überraschend Tedesco verpflichtete. Ein Trainertalent ohne jegliche Bundesliga-Erfahrung sowie der kurzzeitigem Praktikum im Erzgebirge!
Tedesco ist auch deswegen ein Sonderfall in der Jung-Trainer-Welle, weil er bisher noch keinerlei Arbeitsnachweis in seinem neuen Wirkungskreis hatte.
Nagelsmann beispielsweise oder auch Nouri waren vor ihrer Berufung zum Cheftrainer in ihren Vereinen Jugend- oder Co-Trainer. Sie kennen sich in den Vereins-Strukturen aus, kennen sich miteinander mit den Leitungsgremien.
Auch finanziell ist die hausinterne Lösung günstiger. Nicht nur, dass die Gehaltsansprüche der Trainer–Eleven bescheidener sein dürften. Da ist zudem – wie nun bei Dortmund mit dem Niederländer Peter Bosz – keine millionenschwere Ablöse zu leisten. Und meist ist der Umfang der Abfindungen bei vorzeitiger Entlassung des Vorgängers schon deshalb geringer, weil die Neuen die bisherigen Assistenten überwiegend akzeptieren.
Nagelsmann und Co. werden auch oft als Laptop- oder Konzept-Trainer bezeichnet. Ein Hinweis auf deren moderne Arbeitsweise, bei der intensiv die Möglichkeiten digitaler Hilfsmittel, beispielsweise bei der Analyse der Gegner oder den eigenen taktischen Vorhaben sowie bei Datenmessungen, maximal genutzt werden. Da sind die jungen Shooting-Stars der Branche wohl auf einem anderen Level als heute die Trainergeneration Ü50 oder Ü60.
Nagelsmann weist auf einen anderen Vorzug seiner Altersklasse hin: „Ich bin so alt wie die Spieler, wir sind dieselbe Generation, wir können auch über Privates reden. Das ist ein Vorteil.“
So gelten denn durchaus bewährte Fußball-Lehrer wie Thomas Schaaf, Armin Veh, Mirko Slomka, Bruno Labbadia beim derzeitigen Trainer-Jugendwahn schon ein wenig als Altmeister der Zunft. Und mit relativ wenig neuen Jobmöglichkeiten.
Vor allem der 62-jährige Peter Neururer, vor drei Jahren letztmals bei Bochum als Trainer beschäftigt, mäkelt am Jugend-Hype herum: „Aus den zwei, drei Fällen einen Jugendwahn zu machen, ist absoluter Schwachsinn. Genauso sind jetzt nicht alle Nagelsmänner“, sagte er. „Jung zu sein, ist allein zunächst kein Qualitätsmerkmal.“
Neururer verbringt die Zeit in Experten-Talkrunden bei Sport 1 und lebt ansonsten wie einige Kollegen vom Ersparten.
Andere des Jahrgangs Ü 60 gestalten das Trainerdasein im Ausland. Christoph Daum als derzeit angefeindeter Nationaltrainer in Rumänien. Uli Stielike wurde in Südkorea als Auswahlverantwortlicher nach akut gefährdeter WM-Qualifikation vor die Tür gesetzt. Während Felix Magath in China weiter deutsches Fußball-Know-how gegen üppiges Salär verbreiten darf.
Natürlich und Gott sei Dank gibt es aber auch genügend Trainer jenseits der 50, deren Erfahrungen ein wesentlicher Bestandteil ihrer erfolgreichen Karriere darstellt.
Freiburgs jetzt schon altersweiser Christian Streich ist erst 51. Münchens in sich ruhender Carlo Ancelotti ist 58. Der wohl im Tagesgeschäft kaum gestresst wirkende Bundestrainer Joachim Löw hat eine 57 als Kennzahl. Und Liverpools Neu-Kulttrainer Jürgen Klopp hat am heutigen Freitag die ominöse 50 erreicht!
Die Alterspanne 50 bis 60 scheint jedenfalls die beste Karriere-Phase für Fußball-Lehrer zu sein.
Eindrucksvolle Beispiele gegen den derzeitigen Jugend-Strom bilden der Italiener Claudio Ranieri und der ewige Franzose Arsene Wenger bei Arsenal London. Ranieri hat im Vorjahr mit Leicester die Sensationsmeisterschaft auf der Insel vollbracht und war heuer nach Abstiegsgefahr gefeuert worden. Der französische Erstligist Nantes möchte den Signore partout haben. Braucht dazu aber eine Ausnahmegenehmigung des Verbandes, weil Ranieri die 65 bereits überschritten hat.
Und Wengers, frischgebackener FA-Cup-Sieger, Langzeit-Anstellung bleibt beispiellos weltweit. Seit 1996 ist der heute 67-Jährige Teammanager der Londoner Gunners!
Eine Verweildauer, die für Tedesco in Gelsenkirchen utopisch sein dürfte. Manager Heidel beruft sich allerdings bei seinem Risiko-Coup auf zurückliegende positive Erfahrungen in Mainz. Da hätte man die Anstellungen der unbekannten Neulinge Klopp, Tuchel und zuletzt Martin Schmidt zunächst sehr kritisch begleitet: „Aber zum Schluss ist alles gut mit ihnen gegangen.“
Allerdings weiß auch der 54-jährige Heidel: „Wenn es schiefgeht, wird der Aufschrei der Kritiker groß sein, wie konnte man das nur machen und einen so jungen Trainer holen?“.