Nicht nur Fatalisten stellen fest: Einen ernsthaften Waffenstillstand hat es in der umkämpften Region nie gegeben. Es hat ihn nicht gegeben, weil sich die Kriegsparteien – vor allem die in Kiew – auch nicht auf eine Demarkationslinie einigen konnten. Die Gebietsstreitigkeiten gingen und gehen weiter, der Krieg geht mit, auch wenn immer wieder einmal die Waffen ruhen. Eine Waffenruhe aber ist kein Waffenstillstand. Selbst vereinbarte und in den Weltmedien verbreitete Meldungen von dieser oder jener Waffenruhe halten nicht, was die Lautsprecher in den Ministerien, im Militär und in den Medien versprechen.
Die Dezember-Waffenruhe hält nicht. Punkt. In den letzten Tagen wurden Soldaten und Zivilisten getöten und noch mehr verletzt. Spiegel-Online (16.01.2015) lässt den ukrainischen Präsidentenberater Juri Birjukow zu Wort kommen, der behauptet, dass der Krieg „so schlimm“ sei „wie seit September nicht mehr".
Keine Frage: Auch in dieser Tagen wird mit dem Weltgeld, dem Dollar, der Krieg der neuen Herren in Kiew, die nach dem Februar-Putsch fester denn je im Sessel zu sitzen scheinen, – und dem Euro – gegen die neuen Republiken Lugansk und Donezk finanziert und geführt.
Und der Krieg wird verklärt. Von Kiew als Antiterroroperation (ATO). Zwar sei „die Situation im ATO-Raum“ kompliziert, aber sie werde „von den ATO-Kräften kontrolliert“, teilte das Pressezentrum der ukrainischen Streitkräfte am Freitagabend (16.01.2015) auf seiner Facebook-Seite mit. Zu den ATO-Kräfte sind faschistische Einheiten zu rechnen, welche die ukrainische Restarmee bei ihrer Drecksarbeit unterstützen. Weiter heisst es: „Die heftigsten Kämpfe wurden im Laufe des ganzen Tages im Donezker Flughafen beobachtet. Die Milizen bemühten sich vergeblich, die ukrainischen Helden aus dem neuen Terminal zu verdrängen. Derzeit dauern die Kämpfe um den Flughafen an.“
Bei diesen Kämpfen hagelt es nicht nur Kugeln sondern Granaten. Granatwerfer und Grad-Mehrfachraketenwerfer sollen seit Tagen zum Einsatz kommen. Sputnik teilt mit (17.01.2015), dass der „Ort Marjinka in der Nähe des Flughafens“ von Donezk sowie „die Orte Peski, Opytnoje und Tonenkoje … von Artillerie beschossen“ worden seien. Auch bei Lugansk wurde geschossen und getötet. Spiegel-Online informiert darüber (16.01.2015), dass bei einem Angriff der Rebellen auf einen Kontrollpunkt bei Lugansk ein Zivilist getötet worden sei.
„Stellungen der Milizen im Raum des Flughafens“, so Sputnik (17.01.2015), seinen „mindestens 17 Mal aus Mehrfachraketenwerfern, Artillerie, Granatwerfern und Panzerabwehrlenkraketen beschossen“ worden.
Truppenteile der neuen und von Kiew freien Republik Donezk hingegen sollen den Flughafen fast vollständig unter Kontrolle gebracht haben. Laut Sputnik teilte der Stab der Volkswehr der Volksrepublik mit, dass sich „wahrscheinlich … auf dem Gelände des Flughafens vereinzelte Gruppen von ukrainischen Militärs“ befänden, die „aber keinen Widerstand“ leisten würden sondern „sich irgendwo auf dem Territorium des Flughafens versteckt haben“.
Waffenstillstand? Waffenruhe?
Es fehlt nicht nur eine Waffenruhe und ein Waffenstillstand, es fehlen auch „Impfstoffe und andere Medikamente“ für mehr als 5 Millionen Menschen in der umkämpften Region. Das ukraine Gesundheitssystem würde „unter Gewicht der humanitären Krise“ zusammenbrechen (vgl. WHO-Text „Ukraine health system buckling under weight of humanitarian crisis“ vom 16.01.2015). Dr. Dorit Nitzan, WHO-Vertreter in der Ukraine, scheint förmlich nach Hilfe zu schreien, wenn sie vor der Gefahr von Ausbrüchen übertragbarer Krankheiten warnt und vom Leid der Vertriebenen und Flüchtlinge im Land spricht, von Roma, Kindern, Frauen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, chronischen Kranken und den vielen Verletzten des Krieges. Vor allem in den Städten Donezk und Lugansk sowie umzu sei die medizinische Versorgung stark eingeschränkt und nur noch minimal, weil „50 Gesundheitseinrichtungen“ ganz oder teilweise zerstört und geplündert worden seien.
Ihren Worten sollten die Leserinnen und Leser des WELTEXPRESS wohlwissend mehr „Glauben schenken“ als den Worten der selbsternannten Friedensfreunde.