Traumbilder gaukeln an meinem inneren Auge vorüber, während ein lauer 26-Grad-Wüstenwind übers Gesicht streicht. Schließlich bin ich ja auf einem „Traumschiff“!
Bis das Schrillen der Alarmanlage mich hochreißt: aus der Traum! Schlaftrunken rappele ich mich hoch und blicke wie immer zuerst auf meine Uhr: 16.45 Uhr – klar, die Rettungsübung! Der zweite Termin an diesem ersten Nachmittag an Bord des weißen Riesen.
Nachdem Ana – vielsprachige „internationale Botschafterin“ aus Portugal – schon bei ihrem Briefing für die 200 deutschen Gäste im „Pacific Theater“ auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit hingewiesen hat: „Das ist obligatorisch für alle, ohne Ausnahme!“ Und bei Royal Caribbean International seit langem erste Pflicht noch vor dem Auslaufen. „Damit“, erklärt Ana, „nicht so ein heilloses Chaos passiert wie auf der „Costa Concordia“.
Oberste Priorität: Sicherheit
Zwei Tage zuvor ist die „COSTA CONCORDIA“ havariert. Ohne dass zuvor eine Rettungsübung abgehalten wurde. Auf einem großen Schiff mit mehreren tausend Gästen muss jeder wissen, wo er sich zu sammeln hat. Obwohl ich zur Sicherheit schon mal vorher meine Musterstation inspiziert habe, schaue ich trotzdem noch mal auf meinen „SeaPass“, die Bordkreditkarte mit Türöffner-Funktion. T 9 steht da dick drauf – Sammelplatz an Steuerbordseite auf Deck 5. Weil wir doch alle vergesslich sind”¦
Überall sind Crewmitglieder postiert, die den Leuten den Weg weisen. Da kann nichts schiefgehen. Trotz der großen Zahl von Passagieren aus 25 und Crewmitgliedern aus 60 Nationen an Bord.
Da stehen sie, die Mitreisenden, aus den Kabinen links und rechts und gegenüber von meiner. In Reih ´ und Glied müssen sie sich unter „ihrem“ Rettungsboot aufbauen. Ein Crewmitglied checkt freundlich, aber bestimmt die Bordkarten und hakt Namen und Kabine akribisch auf einer Liste ab. Zusätzlich ist in der Zwischenzeit kontrolliert worden, ob niemand mehr in seiner Kabine ist. Drückeberger gibt es immer wieder nach dem Motto: „Das Theater kennen wir doch schon!“ Oder Leute, die alles für einen entbehrlichen Teil des Entertainments halten.
„Alle da!“, meldet schließlich ein Streifenträger mit UKW-Gerät an Kapitän Manolis Kasselas auf die Brücke. Crew und Gäste sind erleichtert. Das Manöver hat nur eine Viertelstunde gedauert. Vorbildlich und beruhigend!
Alltagszäsur: warum nicht?!
Herzlich willkommen bei „The Nation of why not! Ihr Abenteuer beginnt jetzt!“, heißt es ganz obenan im Tagesprogramm. Ana, resolut und stimmgewaltig, verkündet von der Bühne herab: „Als neue Bürger unser schwimmenden Nation haben Sie sich auf eine einzigartige Reise begeben, auf der alle altbekannten Konventionen der Kreuzfahrt über Bord geworfen wurden. Wenn Sie sich mit unserem Schiff vertraut gemacht haben, finden Sie heraus, dass es voller Überraschungen steckt. Glauben Sie mir, Sie werden keine Sekunde verschwenden wollen. Es gibt Berge zum Klettern und Täler zum Golfen, einfach alles!“
Vor dem gleich darauf folgenden Termin „Viel zu sehen, viel zu tun“ meint sie nur: „Macht Euch keine Sorgen und überlasst uns die Entscheidung!“ Wenn man zum Beispiel nicht weiß, welche Fitness-Möglichkeiten es gibt, wo man zu Abend essen möchte oder welche Show sehenswert ist. „Besucht unsere Planungsveranstaltung!“, empfiehlt sie nachdrücklich und ergänzt: „Why not, warum nicht?!“ Warum nicht aufs Verlieren setzen, verbirgt sich dahinter, auf das Verlieren von Hemmungen, des Zeit- und Raumgefühls. „Vor allem lasst den Alltag hinter Euch und probiert Neues aus!“, gibt sie den Deutschen, Österreichern und Schweizern mit auf den Weg durch die Weiten des 300 Meter langen, 32 Meter breiten und 53 Meter hohen 90.000-Tonners. Dank einer klaren Gliederung ist es kinderleicht, sich zu orientieren. Was ich mir, ehrlich gesagt, einfach nicht vorstellen konnte. Wie so Viele, die vor meiner Reise unkten: „Um Gottes Willen, auf so einen Riesenkasten kriegst du mich nie!“
Beste Kapitäne an Land
Überraschend ist auch, dass 3600 Menschen sich auf diesem begrenzten Raum keineswegs auf die Füße treten, wie man vermuten möchte. Selbst beim Einchecken muss man sich in keiner Warteschleife die Beine in den Bauch stehen: alles ist geradezu preußisch reibungslos organisiert und geschieht ohne Drängelei und Hast. An Bord findet der ruhebedürftige Gast überall ein Plätzchen ganz für sich. Lagert doch die Mehrheit um die Poollandschaft und lässt sich von Musik und Animation beschallen. Wer ´s mag”¦
Im Kopf habe ich noch die Zeilen einer Kollegin, die sich in einer großen deutschen Tageszeitung hämisch über den boomenden Seetourismus ausließ: „Menschenmassen auf schwimmenden Städten, das moderne Kreuzfahrtgeschäft“. Ihr Satz „Je größer ein Schiff, desto unsicherer“ ist der Gipfel an Unwissen. In nautischen Fachkreisen heißt es dann nur abschätzig-ironisch: „Die besten Kapitäne stehen immer an Land!“ Der Schwall unqualifizierter Kommentare zur „Costa Concordia“-Affäre hat auch hier Spuren hinterlassen. Heftigste Kritik und juristische Verfolgung verdient allerdings das katastrophale Bordmanagement, ohne Frage. Erst die Auswertung der Black Box wird zeigen, was hier wann von wem falsch gemacht wurde.
Doch dann legt sich hinter der „BRILLIANCE“ ausgerechnet ein „CONCORDIA“-Schwesterschiff an die Pier. Neben mir stehende Amerikaner ziehen die Mundwinkel herab: „Nice ship, but what about the captain? We should better stay here!“ Nicht sehr freundlich, spiegelt aber die angespannte Situation wider.
Träume ohne Säbelrasseln
Am üppigen Büffet im „Windjammer Café“ – fortan mein Lieblings-Restaurant von mehreren – genieße ich locker und entspannt, ohne mich umziehen zu müssen, das Abendessen – und verdaue dabei den ersten Tag an Bord. Wie ein Film spulen die vielfältigen Bilder ab. Hinter den raumhohen Scheiben verabschiedet sich das Lichtermeer von Dubai. Voraus der Persische Golf. Dunkel und geheimnisvoll. 219 Seemeilen liegen vor der „BRILLIANCE OF THE SEAS“. Wobei ab Mitternacht die Straße von Hormus passiert wird, während die meisten Gäste in ihren Kabinen über Nacht einem neuen Tag entgegen träumen. Hoffentlich ohne finsteres Säbelrasseln von Achmadineshads Schergen, die gerade wieder einmal die UN durch Marinemanöver und Raketenabschüsse provoziert haben. Doch aus dem Bordfernsehen weiß man, dass zwei US-Navy-Flugzeugträger im Anmarsch sind. Das macht besonders den Amerikanern Mut, die sonst schon beim leichtesten Krisengesäusel zusammenzucken.
Die meisten Gäste lassen sich von der politischen Lage nicht irritieren, sondern von den zahllosen Abendaktivitäten zwischen 18 und 0.30 Uhr animieren: zwischen Klassik-Gitarre, Tanz-Musik, Kino, Glücksspiel, Streichkonzert, Showtime, Musik-Quiz, Klavierkonzert, Disco, Bingo, Lotto, Gameshow”¦Da findet jeder seins.
Erinnert wird auch an „10 Dinge, die Sie auf einer Kreuzfahrt mit Royal Caribbean unbedingt unternehmen sollten“. Immer eingedenk der Tatsache, dass einem nur eine Woche bleibt, um das alles auszuprobieren und sich von der stets freundlich-herzlichen Crew verwöhnen zu lassen.
Am Schluss dieser Vorschlagsliste, die mich erschlägt, heißt es: „Ab 01 Uhr Ausgangssperre für Minderjährige, Alkoholkonsum international erst ab 21 Jahren“. Gut so!
Kreuzfahrer aus Leidenschaft
Vorhang auf am nächsten Morgen: an Steuerbord ein brauner Gebirgszug im Dunst. Der erste Hafen: Fudjaira. Davor – neben Hochhäusern – Pulks von silberglänzenden Öltanks. Dutzende von Tankern vor Anker, die darauf warten, sich schwarzes Gold in die Bäuche pumpen zu lassen. Wir dampfen durch den Golf von Oman, Teil des Arabischen Meeres und des Indischen Ozeans.
Brilliant steuert Kapitän Kasselas – „der kleinste Schiffsführer der RCI-Flotte“, wie Ana liebevoll meint – die „BRILLIANCE“ im Slalom durch die Tanker-Flotte. „Mit den technischen Möglichkeiten, die wir haben“, sagt er stolz, „fast ein Kinderspiel“. Dank zweier um 360 Grad drehbarer Azipod-Antriebe und dreier Bugstrahlruder kombiniert mit viel Erfahrung. Die hat der freundliche Grieche – „Kreuzfahrer aus Leidenschaft“ (Kasselas über Kasselas) – sich in 30 Jahren Seefahrt erworben. Über den havarierten Kollegen vom Costa-Flaggschiff hebt er nur die Augenbrauen und kommentiert diplomatisch: „Bevor ich mich äußere, warte ich erst mal die Auswertung der Black Box ab“.
Mit dem Frühstücken kann man sich viel Zeit lassen: bis elf Uhr. Anders als auf vielen anderen Schiffen, die zwar Frühaufsteher begünstigen, aber keine Langschläfer. Begründung: Man habe dann keine Zeit mehr, um für das Mittagessen einzudecken; außerdem gehen doch die meisten auf Ausflug. Da sind die Individualausflügler, die sich noch einmal genüsslich umdrehen wollen, gekniffen. Auf der „BRILLIANCE“ indes kann man so gut wie rund um die Uhr essen.
Dynamische Hafenstadt
Tagesspruch im „Cruise Compass“: „In den Tälern und Riffen von Fudjaira müssen Sie das Abenteuer nicht suchen – es wird Sie finden!“
Geordnetes Kurzzeitwarten neben der Gangway, bis ein kostenloser Shuttle-Bus mit der Aufschrift ARABIAN ADVENTURES mich in die Stadt bringt. Zeit, um zwischen Containergebirgen die Nase noch mal kurz in den „Hafen- und Einkaufsführer“ zu stecken: „Fudjaira ist eine dynamische Hafenstadt“, lese ich, „die in östlicher Richtung dem Golf von Oman zugewandt ist, und zugleich ein bedeutendes Geschäftszentrum. Das Emirat unterteilt den Staat Oman in zwei Teile. Von den sieben Emiraten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), eine bundesstaatliche Föderation, ist Fudjaira das einzige mit direktem Zugang zum Golf von Oman und damit zum Arabischen Meer. Außerdem ist Fudjaira das jüngste der sieben Emirate“.
Das ist augenfällig am Bauboom abzulesen: Hotels, Geschäftshäuser, palmen- und blumengesäumte breite Straßen.
Der Bus hält vor einem riesigen Einkaufszentrum. Endstation. Kurzer Blick hinein, aber auch schon wieder hinaus. Das weihrauchgeschwängerte, mit chinesischem Kitsch vollgestopfte Haus reicht. Aber es gibt dort bunte Prospekte und Stadtpläne.
Geschäftstüchtige Taxifahrer, die meisten, wie ihr harter englischer Akzent verrät, aus Indien und Pakistan, baggern draußen die Passagiere an. Feilschen – das muss einem nicht peinlich sein – gehört natürlich dazu. Ich überrede Jeff aus London mitzumachen. Bis wir einen preiswerten, freundlichen und ruhigen Kutscher ausfindig gemacht haben. Weitere Auswahlkriterien: Er hat am wenigsten geschrien und gestikuliert. Der junge Inder fragt nach unseren Wünschen. Anhand der Fotos auf dem Stadtplan zeigen wir ihm ein paar historische Plätze, die er in zweieinhalb Stunden anlaufen soll. Für 150 Dirham oder 32 Euro. Durch zwei geteilt allemal preiswerter als der angebotene organisierte Ausflug.
Zwischen Boomtown und Mondlandschaft
Erster Halt vor dem mittelalterlichen Fort Al Hayl der 140.000-Einwohner-Stadt. Die wird gerade zu einer Freiluft-Theaterkulisse umgebaut. Wir stiefeln durch Staub und Dornen einmal um das turmbewehrte und mauerumschlossene Gebäude aus braunem Lehm. Von seinem kleinen Gehöfts grüßt der traditionell in weißen Burnus und Kopftuch gewandete Hausherr herüber: „Salaam! Willkommen und guten Tag!“ Er kommt heraus, schüttelt uns nach arabischer Sitte die Hand und strahlt ein zahnloses Lächeln. „Unser“ Hindu Naresh wendet und steuert über eine breite Autobahn auf die zerklüftete Gebirgswand zu. Irgendwann wandelt sich die Betonpiste zu einem knochentrockenen Schotterweg. Der windet sich bergauf – mit fantastischen Aus- und Einblicken. Dichtes Palmengrün kontrastiert zum Ocker-Braun der umgebenden Mondlandschaft. Darin eingesprenkelt Lehmwürfel, in denen die Oasenbauern wohnen. Teppichgroße Grünflächen werden von mageren Ziegen gerupft. Welch ein Gegensatz zur Boom-Town Fudjaira! Fotoszenen, die sogar einen LKW-Fahrer stoppen lassen. Der rücksichtsvolle Araber will uns eine alles vernebelnde Staubwolke ersparen.
Mitten im Tal ragt vor uns eine Festung auf. „Früher Scheich gewohnt, heute Museum“, wie Naresh sagt. Die Ecktürme bieten eine unverstellte Aussicht, verlangen aber auch Kletterkünste über wacklig-rutschige Stiegen. Die „Air condition“ der Räume ist perfekt: Schlitze und Kamine helfen, die sommerliche Gluthitze erträglicher zu machen. Ein idyllisches Plätzchen, in das uns Naresh entführt hat. Wir sind dankbar für diesen Ausflug mit Einblicken. Vom Oberdeck der „BRILLIANCE“ schaue ich noch lange über die Bergkette, hinter der sich die Sonne mit goldener Kulisse verabschiedet. Himmlische Vorbereitung auf den abendlichen Kapitänsempfang in der stilchecht mit Großsegler-Modellen dekorierten Schooner-Bar. Wie überhaupt die Inneneinrichtung ein absolut professionelles Design-Händchen verrät.
Im Schleichtempo steuert das Schiff nach Südosten: 160 nächtliche Seemeilen mit Kurs auf Muscat in Oman.
Wurzeln in der Frühantike
Ein Frühstücksblick von oben herab, der bezaubert, nicht nur auf die in Deutschland gebaute Zweischornstein-Staatsyacht, sondern vor allem über die von Felswänden umschlossene Bucht der omanischen Hauptstadt Muscat (die hat nichts mit der Muskat-Gewürznuss zu tun, sondern ist das arabische Wort für „Steilklippen“; das U wird wie A ausgesprochen, also „Mascat“).
Zwei Festungen, die noch aus portugiesischer Besatzungszeit im stammen, bewachen die Bucht. Der mittelalterliche Charme der Altstadt ist aus hoher Achterdecks-Warte gut zu erkennen und macht neugierig. Wer mag, nimmt den Shuttlebus, denn das Schiff liegt zwei volle Tage in der Stadt, Zeit satt also. Ich lasse mich auf die organisierte Tour ein, denn, so Ana, „der Fußweg entlang der Corniche-Uferpromenade in die Stadt ist doch ziemlich lang“.
Fünf Stunden Rundfahrt zu einem moderaten Preis von 49 US-Dollar (exklusive Gruppenvisum in Höhe von 13 US-Dollar), da bekommt man fast alles konzentriert mit. Zarah steht dafür, die hübsche Reiseleiterin aus Pakistan. Sie erzählt uns in fließendem Deutsch das Wichtigste über das Land während der halbstündigen Autobahn-Fahrt zur Großen-Sultan-Qabus-Moschee: „Der Oman, dessen erste Besiedlung ganze 5000 Jahre, also bis in die Frühantike, zurückreicht, ist der älteste der unabhängigen arabischen Staaten. Zu biblischen Zeiten war es das Zentrum des lukrativen Weihrauchhandels. Aus den in dieser Gegend heimischen Boswelia-Bäumen wurde ein Harz gewonnen, das zur Herstellung des exotischen Weihrauchs diente und damals ebenso wertvoll war wie Gold. Selbst weit entfernte Orte wie Rom wurden damit beliefert“.
Oman – beliebt und sicher
Wir erfahren im Schnellstraßen-Durchgang – Stop and go inklusive -, dass Muscat im 14. Und 15. Jahrhundert zu einem bedeutenden Außenposten der mächtigen Handelsstadt Hormus wurde. Das wiederum führte im 16. Jahrhundert zur Eroberung der Stadt durch die Portugiesen. Ihr Ziel: Schutz der eigenen Handelsrouten im Osten. Bis die Briten, deren Weltreich sich mehr und mehr ausdehnte, sie zwei Jahrhunderte später aus ihren Hochburgen im Indischen Ozean vertrieben.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Stadt Regierungssitz der Al-Bu-Said-Dynastie. Als Sultan Qabus Bin Said, dessen bartumkränztes Bildnis von vielen Hauswänden herabschaut, im Jahre 1970 die Macht ergriff, begannen – dank der Erschließung von sprudelnden Ölquellen – umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen. Während der letzten Jahrzehnte haben sie das zuvor unterentwickelte Land ins 21. Jahrhundert katapultiert mit modernen Infra-, Wohn- und Arbeitsstrukturen. „Auch Sie tragen dazu bei“, lächelt Zarah charmant, „denn der Oman ist ein beliebtes, weil sichereres Reiseziel mit wachsender Beliebtheit“. Dem hat die junge Frau auch ihren Job zu verdanken. „Allerdings sind Steuern für Ausländer hoch, ebenso die Wohn- und Lebenshaltungskosten“, erklärt sie, „da bleibt nicht viel übrig“. Aber in Pakistan hätte sie keine Perspektive gehabt.
Männer-Macht in der Moschee
Bevor die „BRLLIANCE“-Passagiere von dem geweihten Duft der Sultan-Qabus- umweht werden, heißt es, sich kleidungsmäßig „respektvoll“ zu verhüllen. In der Ausflugsbeschreibung wird darauf hingewiesen, dass Schultern und Knie bedeckt sein sollten, bei Frauen zusätzlich noch der Kopf und alle Körperpartien außer Gesicht und Händen. Sandalen dürfen nur mit Strümpfen getragen werden. Wenn, wie geschehen, dann doch noch fünf Zentimeter am Knöchel herausragen, kann es zur Zurückweisung kommen. Die Wächter sind sich ihrer Willkür-Macht bewusst und daher manchmal mehr, manchmal weniger rigoros.
In abenteuerlichem Outfit und auf Socken schliddern die Busgruppen über den glattgeschliffenen Marmorboden in die größte Freitags-Moschee des Omans. „Sechs Jahre hat der Bau gedauert“, erklärt Zarah und wedelt mit ihrer runden „Gruppe-11“-Kelle durch die Luft.
Bis die große Halle mit dem gewaltigen 15 Tonnen schweren Kristall-Leuchter erreicht ist. Der „größte Teppich der Welt, an dem hunderte von Frauen jahrelang Milliarden Knoten knüpften“, darf nicht betreten, wohl aber fotografiert werden. In einer vergoldeten Nische klemmen die heiligen Bücher des Korans.
Mutrah Souk, Al Alam und Qurum
Echt orientalisch geht es in Muscats ältestem Markt, dem überdachten Muttrah Souk, in der Altstadt zu. Wer sich durch das quirlige Labyrinth der Händlerstände schieben lässt – übrigens völlig gefahrlos! -, bekommt Einblicke ins lokale Gebräuche, erhascht den Duft exotischer Gewürze und erlebt den geruhsamen arabischen Lebensstil. Manch einer erhandelt sich einen Krummdolch, landestypische Kleidung oder Schmuck. Ein Gläschen Tee ist auch noch drin, bevor es über die malerische Küstenstraße durch das Fischerdorf Sidab zu Muscats Altstadt geht. Hier lebt mit Blick auf die glitzernde Bucht Sultan Qabus in seiner offiziellen Residenz, dem Al Alam-Palast. Der prunkt in einem Stilmix aus orientalischen und westlichen Baustilen, dominiert von satten Blau- und Goldtönen.
Relaxen pur am nächsten Tag, der ganz dem kilometerlangen Strand von Qurum gehört. Nur 15 Taxi-Minuten vom Hafengate und man ist da. Sogar Sonnenschirme gibt es. Nachbarn: omanische Familien, die ihr Wochenend-Picknick genießen. Auch hier wieder Modernes und Traditionelles dicht beieinander: junge Frauen in T-Shirt und Jeans ebenso wie schwarz Vermummte mit „Sehschlitz“. Freundlich laden sie den Gast aus Deutschland zum Mitessen ein, der nach dem Baden in lauwarmem Indik-Wasser hungrig geworden ist.
In Badehose oder Badeanzug zu schwimmen, das sieht man hier nicht; aber soll ich stattdessen Jeans anziehen? Man fühlt sich irgendwie nackt und beobachtet an diesem öffentlichen Strand.
Neugieriger iranischer Flieger
Gekonnt dreht Kapitän Kasselas „seinen Riesendampfer“ rückwärts „aus der Parklücke um die Ecke“ an ein paar zierlichen hölzernen Dhaus vorbei, bis der elegante „BRILLIANCE OF THE SEAS“-Steven direkt auf die Hafenausfahrt zeigt und das Schiff Vorausfahrt aufnehmen kann. Muscats Lichter funkeln zum Abschied, und das „BRILLIANCE“-Typhon dröhnt dreimal lang über die geschäftige Stadt. Bevor das Abendprogramm zur „Arabian White Party“ startet, geht es im Schönheitssalon rund. „Färbe mich schön!“, heißt das Motto im „Tagesangebot“: „Es ist alles über dich. Unser professionelles Personal wird dafür sorgen, Sie sehen und fühlen fabelhaft. Möchten Sie besser aussehen als blond, eine freche Rothaarige oder eine geheimnisvolle Brünette?“ Oder lieber eine „Lachfältchen-Behandlung und Lippenverschönerung“ über sich ergehen lassen?
394 Seemeilen liegen vor dem Schiff und seinen Menschen: ein Seetag, zwei Seenächte und die zweite Umrundung der omanischen Halbinsel Musandam samt Passage der in die politischen Schlagzeilen geratenen Straße von Hormus.
Die Liegestuhl-Ruhe am nächsten Nachmittag währt nicht lange. Ein tiefes Brummen erfüllt die Luft. Hinter der „BRILLIANCE“, die im internationalen Verkehrstrennungsgebiet fährt, ein hoch aus dem Wasser ragender Supertanker mit schäumendem Bart; über ihm eine „Drohne“, die sich schnell als zweimotoriges Flugzeug entpuppt. Fast in Augenhöhe dröhnt es vorbei, so dass man die beiden Piloten sehen kann. Dem Typ nach eine amerikanische Kiste, aber – mit grün-weiß-roter Flagge am Heck: ein Iraner also. 18 Seemeilen von der sichtbaren iranischen Küste entfernt, an der ein Patrouillenboot entlang fegt; an Backbord die zum Greifen nahen zackigen Berggipfel der Halbinsel Musandam. Der Flieger dreht eine weitere große Schleife, kurvt noch einmal im Tiefflug über den Tanker hinweg und hält wieder auf das Heck der „BRILLIANCE“ zu. Hier spürt man hautnah, dass die Situation irgendwie brenzlig ist.
Florierende Metropole an der Piratenküste
Abu Dhabi – der Name hat Klang! Wonach? Nicht nur nach schier unendlich sprudelnden Ölquellen, sondern auch nach einer modernen Metropole inmitten futuristischer Wolkenkratzer und Luxushotels der Extraklasse. Eine Million Menschen leben heute in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, wobei ein hoher Prozentsatz westliche Geschäftsleute und Gastarbeiter sind. Ökonomische Basis ist hier nicht mehr so sehr die Ölindustrie, sondern die Rolle als internationales Handels- und Finanzzentrum und attraktives Reiseziel für Touristen.
Über Jahrhunderte führte die T-förmige Insel im Persischen Golf ein ruhiges Dasein. Bis auf Zwischenspiele von Piraten und Eroberern. Karge Erwerbsquellen waren Perlenfischerei, Fischfang sowie etwas Landwirtschaft und Viehzucht. Mit der Entdeckung von Öl mutierte Abu Dhabi schnell zu einer florierenden, modernen Metropole mit großer Anziehungskraft auf Investoren und Touristen.
Eine Stadtrundfahrt spare ich mir, denn der Shuttle-Bus mit offenem Oberdeck (gut zum Fotografieren!) fährt in einer halben Stunde direkt vom Schiff downtown: an der berühmten fünf Kilometer langen Corniche-Uferpromenade entlang in ständigem Sichtkontakt zur Stadt zur Marina Mall. Dieses moderne Einkaufszentrum erschlägt einen mit seinem Angebot. Lohnend ist die Gratis-Fahrstuhlfahrt zur 100 Meter Aussichtsplattform des Mall Towers. Er bietet einen weiten Blick über die Skyline der Stadt, auch wenn die Fotosicht ein bisschen durch Dunstschleier vernebelt sein kann.
Zwanzig Minuten Fußweg und man steht mitten in der Geschichte Abu Dhabis: vor dem Heritage Center, eine Rekonstruktion alter Lehmziegelhäuser, Basare und der traditionellen Beduinen-Wüstenlager. Ein anschauliches Lehrstück in lokaler Geschichte.
Kontraststark ist die Aussicht vom goldsandigen Strand unter Palmen über die türkisfarbene Lagune auf die Phalanx der Glas- und Betonpaläste. Bis der Open-top-Bus mich wieder zu meinem schwimmenden Luxushotel bringt. In haarsträubend-fliegender Fahrt – bedingt durch heftigen Wind – noch einmal an der schon legendären Corniche entlang.
Absolute Highlights: atemberaubend
„Dubai ist“, so liest man neugierig im an Bord ausliegenden „Hafen- und Einkaufsführer“, „ein Land surrealer Gegensätze. Alte arabische Traditionen mischen sich mit einer modernen, von Komfort und Luxus geprägten Lebensweise. Das moslemische Erbe sowie die alten und neuen Sitten machen den Charme der bevölkerungsreichsten Stadt der VAE aus. Die einzige Konstante in Dubai ist wahrscheinlich die Veränderung“.
Vom Containerhafen, an dem auch Kreuzfahrtschiffe festmachen, schweift der Blick über die stillgelegte „Queen Elizabeth“ zur gigantischen Wolkenkratzer-Mauer hinüber. Der ehemalige Cunard-Liner wird überragt von der „BRILLIANCE“.
Morgendliche Sand-Wasser-Schleier vernebeln auch hier die Sicht, so dass die Skyline sich mystisch zu verhüllen scheint, aber umso verlockender erscheint.
Wie der sechsstündige 79-US-Dollar-Ausflug, der so gut wie alle Highlights umfasst und den Betrachter nur noch staunen lässt: angefangen bei der künstlichen Insel Jumeirah Palm Island mit 60 Kilometer Strand, einem kurzen Fotostopp vor dem gläsernen Siebensterne-Luxushotel-„Segel“ „Burj Al Arab“, einem Streifzug durch das 223.000 Quadratmeter messende Einkaufsparadies „Mall oft he Emirates“ mit seinem Snowpark in einer künstlichen Bergwelt, den Souk Al Bahar (Seemanns-Markt) im Stadtzentrum Burj Khalifa.
Absolutes Highlight im echten Wortsinn ist und bleibt der Burj Khalifa Tower, mit 828 Metern und 160 Etagen höchstes freistehendes Gebäude der Welt. Geradezu ein ingenieurtechnisches Wunder. Der Ausblick von der 124. Etage (im Preis inklusive!) in 425 Metern Höhe auf die abendlich pulsierende Metropole ist schlichtweg atemberaubend oder wie die Amerikaner sagen: „Breathtaking!“ Da lässt sich auch die einstündige Wartezeit verschmerzen. Dafür schießt man mit einem der außerirdisch anmutenden Aufzüge in Minutenschnelle in die Höhe.
Die Dubai Fountains – farbige musikuntermalte Wasserspiele mit bis zu 150 Meter hohen Fontänen im 30 Hektar großen Burj Khalifa See – setzen den bodennahen Schlusspunkt unter das Turm-Abenteuer.
Das passt dann auch zum „Cruise Compass“ dieses 7. Tages: „Abschied mit Pauken und Trompeten“: „Steigen Sie ganz nach oben in die Kletterwand! Gehen Sie auf die Tanzfläche! Genießen Sie jeden Bissen! Verwöhnen Sie sich, tun Sie, was Sie wollen!“ Damit empfehlen sich Kapitän Manolis Kasselas, Kreuzfahrtdirektorin Anna Bass und ihre hochprofessionelle Crew für die nächste Reise auf der formschönen „BRILLIANCE OF THE SEAS“.
Infos
Schiffsdaten MS „BRILLIANCE OF THE SEAS“ (Schwesterschiffe: RADIANCE OF THE SEAS, JEWEL OF THE SEAS, SERENADE OF THE SEAS):
Bauwerft: Meyer-Werft, Papenburg; Ablieferung: 5.7.2002; Klassifikationsgesellschaft: Det Norske Veritas; Klasse: NV + 1A1 Passenger; BRZ: 90.090; Displacement: 49.219 t; Länge: 293,2 m; Breite: 32,2 m; Höhe/Airdraft (Kiel-Mast): 52,8 m; Maschinen: 2 x 33.520 PS-Gasturbinen; Stromerzeugung: Abdampf aus Gasturbinen (9300 PS); 2 x fünfflügelige Propeller an Gondeln (um 360 Grad schwenkbar); Antrieb: 2 x ABB Pod Drive (28.600 PS); 2 Stabilisatoren; 2 x Bugstrahlruder (je 3320 PS); Geschwindigkeit (max.): 22 Knoten; Gasölverbrauch: bei 22 kn: 215 t/Tag; Frischwasser: 750 t/Tag; Rettungseinrichtungen für 3360 Personen; Gäste (max.): 2500; Crew: 900; Kabinen: 1050 (davon 14 rollstuhlgerecht, 577 mit Balkon, 26 Suiten, 1 Royal Suite); Flagge: Bahamas; Heimathafen: Nassau; Eigner: Royal Caribbean International, Miami, Florida.
Lebensmittel-Verbrauch in einer Woche:
18.450 Eier, 470 Pfund Reis, 12.500 Pfund Gemüse, 11.580 Pfund Obst, 14.000 Liter Milch, 5.350 Pfund Rindfleisch, 185 Pfund frische Kräuter, 5.000 Pfund Kartoffeln, 556 Pfund Kaffee, 785 Pfund Eiskrem, 549 Pfund Hummer, 31.345 Pfund Geflügel, 3.650 Pfund Zucker, 18.000 Flaschen Spirituosen, 12.000 Büchsen Bier.
Was gut ist:
Sicherheitsstandards: hoch; Rettungsübung noch vor dem Auslaufen, strenge Kontrollen;
Crew: stets freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend;
Kabinen: großzügig mit viel Stauraum;
Essenszeiten: rund um die Uhr; Frühstück: bis 11 Uhr (gut für Langschläfer);
Speisen: hohe Qualität, Variationsbreite, ansprechende Präsentation;
Kaffee, Tee, Softdrinks: jederzeit und gratis;
Informationen: vielsprachig (Deutsch nach Englisch), vielfältig;
joggen, walken: auf komplett umlaufenden Deck 5;
Bankautomat;
Liegestühle: mehr als ausreichend (keine deutschen Belegungskämpfe);
Ausflugspreise: angemessen;
Organisation: vorbildlich, keine Schlangen (auch beim Ein- und Auschecken nicht);
Überprüfen der eigenen Bordrechnung: jederzeit über TV;
Zustand des Schiffes: selbst nach zehn Jahren noch hervorragend;
Atmosphäre: international-leger;
Ruheplätze ohne Massenbetrieb: genügend vorhanden;
Abreisetag: man kann bis nachmittags an Bord bleiben;
Trinkgeld: 11,65 US-Dollar/Tag/Person, kann abgebucht oder persönlich übergeben werden;
Preis-Leistungs-Verhältnis: hervorragend.
Was verbesserungsbedürftig ist:
Rettungswesten sollten für jeden nicht nur in den Kabinen, sondern auch an den Musterstationen zur Verfügung stehen, um zeitraubende Umwege über die Kabine zu vermeiden;
Getränkepreise: zu hoch (1 Glas Wein ab 8 US-Dollar; 0,5 l Bier: 6,95 US-Dollar plus 15 % Service);
Nebengeräusche: sind durch Jogger und Stühlerücken (besonders frühmorgens) auf Deck 4 zu hören, und in Mall-Nähe kann es infolge von Musik-Veranstaltungen bis 24 Uhr zu laut sein; Musik: Dauerbeschallung kann lästig sein, weniger und nur an bestimmten Stellen wäre mehr.