"Am besten, man sieht das heutige Rennen als missglückte Generalprobe für eine erfolgreiche Vorstellung bei der WM, gemäß einer alten Theaterweisheit." Zwar nickte der deutsche Frauen-Cheftrainer Gerald Hönig zu diesem tröstenden Worten, doch seine Gesichtszüge verrieten eine andere Seelenlage. Gerade hatten seine Schützlinge beim Weltcup-Klassiker in der Vorwoche in Antholz mit der Staffel lediglich als Sechste die Ziellinie überquert. Nach Rang vier zuvor unter irregulären Wetterbedingungen zum Jahresbeginn in Oberhof eine weitere Enttäuschung. Bei der letzten kollektiven Prüfung vor der WM, wo solche Platzierungen vermutlich als Debakel quittiert würden. Ursachen für die ungewohnt mäßigen Positionen waren Fehler beim Schießen und nervliche Schwächen.
In Südtirol patzten vor allem die Weltcup-Spitzenreiterin Magdalena Neuner – als Zweite nach Franziska Hildebrand und vor Miriam Gössner und Tina Bachmann in der Loipe – und die völlig verunsicherte Schlussläuferin Tina Bachmann. Am Ende lag das deutsche Quartett nach total zwei Strafrunden und 12 zeitraubenden Nachladern 1:15 Minuten hinter dem solid und verlässlich agierenden Siegerteam aus Frankreich zurück. In Oberhof waren für Hildebrand/Gössner die in Antholz pausierenden Andrea Henkel und Sabrina Buchholz eingesetzt worden.
Cheftrainer Uwe Müssiggang konstatierte in der Antholzer Mix-Zone in einer Zwischenbilanz: "Wir haben derzeit mit der überragenden Magdalena Neuner nur eine Athletin, die in der Lage ist, die für Podiumsplätze schnellen Laufzeiten der Weltspitze mitzubestimmen oder zu dominieren." Die mittlerweile 34-jährige Andrea Henkel, mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin, habe nach Trainingsausfall und Verletzung "noch nicht wieder die Power, um ganz vorn dabei zu sein." Henkel ist auch die einzige deutsche Skijägerin, die außer der fünffachen Saisonsiegerin Neuner einen Podiumsplatz (3. Massenstart Oberhof) schaffte.
Allerdings trifft der Hinweis auf generelle Laufdefizite nicht zu, denn Gössner und Bachmann haben mehrfach in der Vergangenheit Laufzeiten unter den Besten hingelegt. Werden indes zu Wackelkandidatinnen am Schießstand, wenn sie sich unterwegs zu sehr verausgaben. Für die WM-Staffel sieht Hönig "bei normalem Verlauf" Neuner und Henkel gesetzt. "Bei den restlichen zwei Positionen werden wir aktuell sehen, wer sich da anbietet."
Günstiger beurteilt Cheftrainer Müssiggang die Ausgangslage für die Männer. Neben dem Dreifach-Saisongewinner Andreas Birnbacher sind offenbar auch Sprint-Weltmeister Arnd Peiffer (ein Saisonerfolg) und der junge Simon Schempp (3. in Östersund) bei günstigen Umständen imstande, ganz vorn dabei zu sein. Beim 30-jährigen Birnbacher sei mit dem ersten Weltcupsieg im Vorjahr "offensichtlich der Knoten geplatzt. Schießen konnte er schon immer gut. Aber nun hat er auch das Selbstbewusstsein und die taktische Reife, dies in Wettkämpfen immer besser mit schnellen Laufzeiten zu verbinden." Der Schlechinger, bislang im Schatten der einstigen Mannschafts-Leitwölfe von Sven Fischer über Ricco Groß, danach Michael Greis und zuletzt Arnd Peiffer, stehe in seiner bislang stärksten Saison. Was Rang drei im Gesamt-Weltcup "verdient" widergäbe "und Andi natürlich sehr beflügelt". Mit Rang zwei in der Staffel hinter Frankreich sei die Mannschaft auch breiter aufgestellt als die Frauen. Obwohl der erkältete Schempp und der nach Trainingsausfall weit von seiner Form entfernte Greis in Antholz fehlten. Doch Rückkehrer Michael Rösch, Aufsteiger Daniel Graf, Birnbacher und Peiffer bewiesen, dass auch diese Formation Podiumsformat besitzt.
Für Greis – bislang noch ohne WM-Quali-Norm – sind die kommenden Rennen in Oslo und Kontiolahti die letzte Möglichkeit ein WM-Ticket zu ergattern. "Denn", so Müssiggang,"einen Freifahrtschein zur WM gibt es auch für Olympiasieger nicht."