Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Zum Elbehafen wollen Sie?“, fragt der Busfahrer in Itzehoe, „da müssen Sie an der Schleuse in Brunsbüttel aussteigen“. Und ein Radfahrer, der gerade von der Fähre rollt, meint entmutigend: „Da drüben ist tote Hose, kein Bus, kein Taxi, nix!“ Gleich drückt der Rucksack doppelt schwer beim Gedanken an einen langen Fußmarsch mit Achillessehnen-Zerrung. Trampen? Vielleicht die Lösung.
Auf der Fähre begrüßen sich zwei kräftige Männer in Overalls mit dem Aufdruck der Schleppreederei Schramm. Die Chance, denn diese Jungs müssten sich auskennen. „Na, dann komm man mit!“ Volltreffer!! Unkomplizierte Seeleute: hilfsbereit und direkt. „Du kannst nachher mit uns zum Hafen fahren. Schiff kommt erst gegen 20 Uhr rein“, bietet einer der Festmacher an.
In langsamster Fahrt schiebt sich der Bulkcarrier mit dem blauen Rumpf von Cuxhaven her kommend ins Bild. Die weißen Aufbauten werden von der Abendsonne vergoldet. Ein Schlepper hilft achtern mit, das Heck des tief abgeladenen Frachters zu drehen und an die Pier zu drücken. Die Schramm-Festmacher nehmen die schweren Leinen an und zerren eine nach der anderen an Land. Ein Trecker übernimmt sie dann und schleift sie zu den Pollern.
Sekunden später schwebt an einem Stahlseil sirrend ein brusthoher Käfig herab. „Get in with your luggage!“ ruft der Mann. Zweifelnd steht man vor dem kippligen Gerät, schaut nach oben und überlegt, ob das denn gutgeht. Wumms, gelandet! Hilfreiche Hände greifen zu, strahlende Philippino-Gesichter ringsum. „Welcome on board with FJORDNES family!“ mit meinem Namen lese ich auf einem Plakat an der Wand und bin vollkommen von den Socken: So einen Empfang habe ich noch nie erlebt! Selbst die sonst nicht gerade leisen Festmacher sind sprachlos. „Bon Andales“, stellt sich der Dritte Offizier vor und grinst: „I´ll bring you to he captain. Er hängt sich den Rucksack auf den Rücken und bugsiert mich ins Treppenhaus, das frisch gewienert glänzt und duftet.
Blick nach vorn
„Schön, dass Du da bist und willkommen an Bord!“ kommt mir Kapitän Danilo Canteros entgegen. Eine kräftige Umarmung, wir schauen uns von oben bis unten an und stellen Veränderungen fest seit unserer letzten gemeinsamen Fahrt vor sieben Jahren auf dem Reederei-Schiff SPLITTNES.
„Wir sehen uns zum Frühstück unten in der Messe“, verabschiedet sich der Master, denn er habe noch zu tun: „Papierkram“, meint er nur abschätzig. Zum Durstlöschen hat er drei Flaschen Bier auf den Tisch meiner hellen Kabine gestellt, die zwischen der von Kapitän und Chief und direkt unter der Brücke liegt. Das breite Bett des Schlafraums nebenan, von dem auch Dusche und WC abzweigen, ist schon bezogen. Da kann man sich die nächste Zeit absolut wohlfühlen.
Aus den beiden Fenstern hat man einen direkten Blick voraus. Wie von der Brücke. Die auf dem Vorschiff verankerte Förderband-Gitterkonstruktion, 90 Meter lang und 220 Tonnen schwer, wie ich lese, schwenkt träge aus der Mittschiffslage an Land. Die Lukendeckel werden hydraulisch auseinandergeschoben. Aus dem Rüssel am Ende der Förderbrücke pladdert plötzlich dunkler Stoff auf eine freie Fläche neben der Pier. Maximal bis zu 5500 Tonnen pro Stunde können, erfährt man aus den Schiffsunterlagen, so gelöscht werden.
Das funktioniert nach einem simplen Prinzip: Der schwere Granit-Feinsplitt schiebt sich durch eine Klappe am Boden der Ladeluke auf das darunter rotierende zwei Meter breite Förderband. Die Wände des Laderaums sind schräg und mit Spezial-Teflon beschichtet. „Damit das Material von alleine rutscht“, erklärt Dritter Offizier Michael Alindayua, der, vermummt mit einer vor Staub schützenden Gesichtsmaske und Helm, am Lukenrand steht und den Löschvorgang überwacht. Über Sprechfunk gibt er schließlich Anweisung, Klappe und Luke zu schließen. Der Raum, in dem vor zwei Stunden noch 5500 Tonnen Straßenbaustoff gelagert haben, ist besenrein, ohne schweißtreibende Mannarbeit per Besen und Schlauch. Die gewaltige selbstlöschende Bandanlage mit dem schwenkbaren Arm arbeitet unabhängig von kostenintensivem zusätzlichen Personal. „Auch das haben die chinesischen Schiffbauer nach Reedereivorgaben perfekt gelöst“, findet Danilo, der auch das Schiff aus Fernost nach Kiel zur Taufe am 2.9.2021 überführt hat.
An Land bleibt am nächsten Morgen eine schwarzgraue Bergkulisse von 38.400 Tonnen Granitsplitt unterschiedlicher Korngrößen zurück.
Im Zeitlupentempo ruckt nach gut acht Stunden Löschzeit das Förderband in Mittschiffslage zurück. Wie ein schwerfällig über das Hauptdeck tapsender Dinosaurier.
Erster Offizier Roel Ompad hat über Nacht Dauerwache gehabt und Ballastwasser in die Tanks gepumpt. Statt 10.60 Meter Tiefgang taucht das Schiff nur noch mit 6,80 Meter ein, weil es keine Steine mehr im Bauch hat. Ein Bild, das an Rotkäppchens Wolf in Grimms Märchen erinnert.
Zufriedener Lotse
Der Seelotse ist an Bord gekommen, die Festmacher stehen bereit. Es kann losgehen
Elbe und Nordsee, spiegelglatt unter blauem Sonnenhimmel, scheinen mit dem Kreuzfahrer-Slogan: „Meer erleben!“ zu werben. „Ein Wetterchen heute!“, strahlt der Lotse, „haben wir hier draußen nicht so oft“.
Zentimeter um Zentimeter rangiert Kapitän Danilo Canteros den 190 Meter langen und 29 Meter breiten Koloss wie spielerisch mit dem kleinen Yoystick-Hebelchen im Steuerbord-Fahrstand von der Pier ins Fahrwasser der Unterelbe. Querab der Cuxhavener Kugelbake kommt voraus ein wahres Monster entgegen. EVER ARIA lesen wir später am Steven und können nur noch staunen über den 400-Meter-Neubau mit seinen 241.000 Tonnen und 23.000 Blechkisten, sprich Containern. Neben diesen Stahlmassen fühlen wir uns fast schon ein bisschen mickrig.
Nach rund 40 Seemeilen kommt der rote Katamaran ELBE in Sicht. Sein kleinerer Bruder DUHNEN geht längsseits und übernimmt den Lotsen. Der hat sich vom Kapitän strahlend verabschiedet, weil er mit der FJORDNES und seiner Crew samt Service äußerst zufrieden war: „Ein sympathisches Schiff, auf dem man gern arbeitet!“
Ein letztes Winken von unten nach oben und umgekehrt, dann fährt Kapitän Danilo die Umdrehungen der beiden 7250 kW-Hauptmaschinen allmählich hoch. Querab vom roten Felsklotz Helgoland zieht FJORDNES schon eine scheinbar ins Unendliche reichende schnurgerade weiße Hecksee-Schleppe hinter sich her. Der Generalkurs heißt nur noch Nord: auf zum Boknafjord!
Captains dinner für alle
An Deck startet Bootsmann Olimpio das Programm „Großreinschiff“. Seine Männer rücken mit Schläuchen, Kärcher und Besen an, um Ladungsstaub von Deck zu waschen. Nachdem die Sonne alles getrocknet hat, folgt eine Malerkolonne mit breiten Rollen und legt in atemberaubendem Tempo los. Innerhalb weniger Stunden glänzt die hellgraue FJORDNES-Haut geradezu werftfrisch.
Lunch time. „Chopp, Chopp!“ erinnert Bootsmann Olimpio Verastigue ans Mittagessen. Den Ausdruck verstehen, weil international, alle.
Am Captains table sitzt bereits Kapitän Danilo, neben ihm still vor sich hin lächelnd Chief-Ingenieur Danilo Galve. Er und sein Zweiter Ing. Jun Aldeguer gehen wie die übrige Maschinen-Crew nur Tagschicht. Bei Alarm oder Problemen sind sie jederzeit erreichbar. Sie nehmen sich auch Zeit für eine Maschinenraum-Führung bis ins Ladedeck mit seinem gewaltigen Förderband-System. Es fällt auf, dass die gesamte Anlage wie neu glänzt. „Gute Pflege ist alles“, meinen beide und lächeln verschmitzt, „das ist wie in der Ehe“.
Cookie, der Koch Wenceslao Regner, hat ein reichhaltiges Lunch-Büffet mit philippinischer Note aufgebaut: Fisch, Fleisch, Suppe, Salat und Melonenstücke als Nachtisch. Zwei Reistöpfe stehen für die Asiaten, aus denen die 21-köpfige Besatzung komplett besteht, immer bereit. „Good appetite!“ Captains dinner: hier deftig-kräftig-gutbürgerlich, von jetzt an dreimal täglich. Und alle immer gemeinsam. Da gibt es keinen Unterschied. Die Krönung ist immer das Sonntagslunch mit Steak, Pommes, Salat und Eis.
Nach dem Essen ist gut ruhen, zumal Wetter und Bordprogramm jetzt wenig Alternativen bieten. Die Skagerraksee gibt sich ruppig bei NW-Wind, der Schaumköpfe auf die dunkelblaue See tupft. An Bord kursiert der Handy-Film über eine Monsterwelle, die das Reederei-Schwesterschiff STONES in der winterlichen Nordsee überschüttete. über 25 Meter hoch und rund hunderttausend Tonnen schwer. Zentimeterdicker Stahl wurde dabei zerfetzt wie Papier. Den 15.000-Euro Schaden belegen erschreckende Bilder. Doch die Nordsee bleibt diesmal weitgehend friedlich.
Später zur Coffee time Brücken-Klönschnack mit dem Wachhabenden Zweiten Heinrich – tatsächlich! – Noga bei einem Pott Kaffee und Keksen. Kapitän Danilo hockt in seiner Kommunikationszentrale vor dem PC: „Hausarbeit. Es stehen mal wieder die Abrechnungen an“, sagt er und lässt seinen Blick zwischendurch auch mal über See und Navigations-Bildschirme schweifen. In der Schiffskasse warten Euros zur Auszahlung. Handgeld zum Einkaufen für die Crew, die ansonsten ihren Lohn an die Familien überweisen lässt. „Und auch andere Familienmitglieder unterhält“, erklärt Heinrich, „das ist bei uns so üblich. Jeder hilft jedem“. Für die OP eines kranken Freundes von Matrose Bienvenido wird sogar eine Sammlung an Bord veranstaltet. Wobei jeder seine Summe in eine Liste eingetragen hat: gelebte Solidarität. Im Übrigen sei er wie alle froh, dass endlich ihre philippinischen Zertifikate und Patente von den deutschen Behörden anerkannt worden seien. Schließlich stellen die Männer einen Großteil der Besatzungen auf deutschen Schiffen.
Queen passiert
Am Spätnachmittag des nächsten Tages kommt an Steuerbord die norwegische Küste als schmales graues Band in Sicht. Nach 338 Seemeilen seit Elbe I dreht FJORDNES in den Boknafjord ein. Von der Lotsenstation Kvitsoy schießt von Backbord das Lotsenboot heran, an Steuerbord nähert sich aus Stavanger der Kreuzfahrer QUEEN MARY 2. Kurze Begrüßung und die übliche Frage nach dem Tiefgang. Kapitän und Lotse kennen sich von vielen gemeinsamen Fahrten. „Wir können langsam machen“, informiert ihn Danilo, „weil unser Liegeplatz noch belegt ist“. Die QUEEN passiert mit 18 Knoten majestätisch und wegerechtskorrekt vor dem Steven, während FJORDNES nur noch dahinschleicht.
Durch das geöffnete Kammerfenster strömt jetzt Waldluft herein: der Duft von Norwegen! Die kahlen Schären weichen allmählich den von Fichten gesäumten Bergrücken, die in der Ferne sogar noch schneebedeckt sind. „Ein ideales Urlaubsgebiet, unsere Ryfylke-Region“, schwärmt er, „du kannst hier alles an einem Tag machen: wandern, Skilaufen und Wassersport betreiben“. Reich sei man hier geworden durch Erdgasverarbeitung und Aluminiumverhüttung. „Den Strom aus Windkraft exportieren wir teuer per Kabel nach Deutschland“, weiß er, „wir haben genügend preiswerte Wasserkraft“.
Nach zweieinhalb Stunden und einem Drehmanöver legt FJORDNES am Steinbruch von Jelsa an. NORSK STEIN prangt in Riesenlettern an einer Werkshalle, ringsum graue Granitsplitt-Hügel aus dem ältesten Gestein der Welt. 4,5 Milliarden Jahre hat dieser Baltischen Schild, aus dem auch Schweden, Finnland und Nord-Russland bestehen, auf dem harten Buckel.
Sein Bergfuß wirkt durch die Sprengungen wie angeknabbert. „Das hat den Besitzer, der das Gelände verpachtet hat, steinreich gemacht“, grinst der Lotse und zeigt in die Runde, „das hier ist der größte Steinbruch Europas“. Gewaltige Radlader, schwer bepackte 60-Tonner mit Riesenreifen, dröhnen am Ufer entlang und schütten immer neue Hügel auf.
Im Ladebüro startet Erster Offizier Roel die Ballastpumpen, von Land aus schwenkt ein Förderband über eine geöffnete Luke. Sekunden später pladdert die erste Tonne hinein. Das Display über der Steuerkabine zeigt die Menge an, die hier noch aufgefüllt werden muss. Der Dritte Offizier gibt dem „Bandleader“ oder zu Deutsch Bandfahrer an Land Handzeichen, wenn der Ausleger geschwenkt muss, damit der Granitgrus gleichmäßig verteilt wird.
Getränke gegen Fisch
In Jelsa geht es norwegisch ruhig zu. Es gibt nur zwei Liegeplätze und man hat Zeit. Also fiert Bootsmann Lauro nach dem Mittagessen das Speedboot per Kran zu Wasser. Fünf Mann gehen auf Erkundungstour. In einer Fjordbucht wohnt Oddvar Sildelid mit seiner Frau Ase-Lill. „Den müssen wir unbedingt besuchen“, meint Bootsmann Olimpio und gibt Gas. Bis um die Ecke das Fischerdorf Vatlandsvag mit seinen roten und weißen Holthäusern auftaucht. Auf dem Anlegesteg ein strahlender braungebrannter Wikinger-Typ: „Ich bin Oddvar“, sagt er nur und führt uns in einen seiner Hafenschuppen. Aus alter Verbundenheit beschenkt er die Crew mit tiefgefrorenem Fisch. Oddvar, ehemaliger Kapitän und Lotse, ist nicht nur Hobby-Fischer mit eigenem Kutter, sondern auch Vermieter von Ferienhäusern und Angelbooten. „Wir haben überwiegend deutsche Gäste“, freut er sich über die guten Geschäfte und lädt uns auf die Terrasse seines am Berg gelegenen Hauses ein. Ase-Lill, ehemalige Schiffs-Stewardess, hat ihren Mann an Bord kennengelernt. Kaffeegedecke und Kekse sind von ihr schon auf den Tisch gestellt worden. Eis gibt es auch noch. Die Männer genießen diese häuslich-private Atmosphäre mit weitem Traumblick über die Bucht.
Auf dem Rückweg wird noch am einzigen Supermarkt der Umgebung kurz gestoppt. Dann sind Bienvenido und Dennis an der Reihe. Mit Spezialschabern kratzen sie einen Eimer voll fetter Miesmuscheln von den Felswänden. „Die sind für´s Barbecue morgen Abend“, verrät Olimpio und leckt sich den Mund.
An der Reling hat Kapitän Danilo eine Angelschnur ausgeworfen. In einem Eimer zappeln nur ein paar kleine Fische, „aber die schmecken gegrillt ausgezeichnet“, strahlt Danilo. Auch andere werfen ihre Angeln aus und ziehen den einen oder anderen Kabeljau an Deck.
Die Ladezeit verzögert sich. Nicht alle gewünschten Granitsplitt-Korngrößen sind sofort verfügbar. Außerdem muss das Förderband jedes Mal gespült werden, um nichts zu vermischen, was nicht zusammengehört. Europa braucht den harten Stoff. Die sieben Hartmann-Schiffe sind dafür im Dauereinsatz. Sie verteilen die begehrten Gesteinsprodukte für Beton-, Straßen-, Deponie-, Gleis- und Wasserbau in über 50 Häfen zwischen Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Polen. Unterm Strich sind das gewaltige 12 Millionen Tonnen pro Jahr oder 480.000 LKW-Ladungen von jeweils 25 Tonnen. Eine unvorstellbare Kolonne von 7200 Kilometern, was etwa der Länge Südamerikas entspräche.
Seereise beginnt
Immer wieder verholt die Crew das Schiff vor- und zurück, kürzt die schweren Festmacherleinen per Windenkraft auf oder verlängert sie. Alles ohne Schlepperhilfe! Das an Land stehende Förderband ist nämlich starr, so dass die Ladeluken danach auszurichten sind. Das verschafft den Männern eine nur kurze Nacht. Für den spiegelglatten Fjord, die schwarzen Berge und das rotglühende Himmelstheater haben sie keinen Blick übrig. Immerhin können vier von sieben Luken beladen werden.
Um 19.45 Uhr sind alle Luken dicht. Die beiden Hauptmaschinen lassen den 40.000-Tonner erzittern. 21.00 Uhr: Leinen los und ein! Auslaufen mit Kurs auf Kiel. Rund 520 Seemeilen.
Über dem Boknafjord liegt eine mystische Stimmung: granitgraue Wolken, durch die Sonnenstrahlen brechen. Auf den Bergkämmen scheinen Trolle zu tanzen. Wie ein Mittsommernachtsmärchen!
An Back- und Steuerbord zieht die typisch norwegische Urlaubslandschaft vorbei. Rostrote und leuchtend gelbe Holzhäuschen garnieren die Idylle aus Fels-, Wald- und Wasserlandschaft. Dazu passt nicht nur der Name des Schiffes, sondern auch seine kanadische Schornsteinmarke: CSL und ein rotes Ahornblatt. Steht für die renommierte Canadian Steamship Lines, mit der die Reederei HSH Shipmanagment ein Joint Venture betreibt.
Zweieinhalb Stunden später steigt der Lotse querab Stavanger auf das Versetzboot. „Beginn der Seereise“, sagt Kapitän Danilo zu seinem Dritten, der die Zeit ins Schiffstagebuch einträgt.
Der Schärengürtel lockert sich, FJORDNES schiebt seine platte Nase durch die stille See.
Zwei Mega-Kreuzfahrtschiffe passieren auf Gegenkurs mit Ziel Stavanger. Mit ihrem Massenbetrieb möchte man nicht tauschen, wenn man FJORDNES quasi für sich hat.
Am nächsten Morgen dröhnt das Nebelhorn seine Weckmelodie: jede Minute einmal lang. Das Vorschiff scheint verschwunden zu sein. Kühles Wasser und warme Luft treffen aufeinander und sorgen für Null Sicht. Doch irgendwann setzt sich die Sonne durch.
Bordklima angenehm
Nachmittags ziehen Grilldüfte durchs Deckshaus. Es ist so weit: Das ersehnte Barbecue kann auf dem Achterdeck steigen. Fisch satt samt Muscheln wartet auf die hungrige Crew. Koch Wenceslao hat noch Salate und Obstteller vorbereitet. Beim Bier kommt man sich näher und erfährt auch viel Privates von den Jungs. Die haben mitten im Skagerrak sogar Video-Kontakt zu ihren Familien und zeigen ihnen auf den fernen asiatischen Inseln, dass an Bord alles in Ordnung ist. „Dieser soziale Kontakt ist für sie ganz wichtig“, betont Danilo.
Der Abend wird fortgesetzt im Mehrzweckraum. Hier dominiert der Philippino-typische Karaoke: reihum einsetzender Sologesang zu schnulzigen Musikfilmen mit Untertiteln und knackigen Bikini-Mädels. Voller Inbrunst und Sehnsucht vorgetragen.
Die Stimmung steigert sich. Alle, bis auf die Wachen, machen mit und kreischen vor Vergnügen. „So ein Ventil brauchen sie einfach für ihre Motivation während monatelanger Seezeit“, kommentiert Kapitän Danilo die vergnügte Show, „auch einen Kapitän, vor dem sie sich nicht fürchten müssen“. Der Mann, so erlebt man ihn, hat neben seiner Vorgesetzten-Funktion gleichzeitig auch die Rolle einer Vaterfigur übernommen, die von allen respektiert wird. Das Bordklima ist entsprechend angenehm. Niemand nutzt das aus.
Die Philippinos können sich auch bei Basketball an Deck austoben oder sich mit Gewichten strecken und Muskeln trainieren. Trainiert wird auch dienstlich und mit großem Ernst: die vorgeschriebenen Feuerschutz- und Rettungsboot-Manöver.
FJORDNES rundet die dänische Nordspitze Kap Skagen und fädelt sich durch den dichten Schiffsverkehr in den Großen Belt – unter der atemberaubenden gleichnamigen Brücke hindurch, über die in luftigen 65 Metern Höhe spielzeugklein LKW und PKW kriechen. Die Insel Langeland begleitet uns an Steuerbord, bis in der Kieler Bucht der Lotse an Bord kommt.
Festgemacht wird im Scheerhafen zwischen Nord-Ostsee-Kanal und Marinebasis Kiel-Wiek. Mibau-Schüttgut-Sattelschlepper stehen schon in den Startlöchern, um den frischen Stoff zu übernehmen. Die knappe Liegezeit von elf Stunden reicht auch zum Einkauf und Beinevertreten. Um Mitternacht heißt es wieder „Klar vorn und achtern!“ Auf nach Norden zur nächsten Splittrunde, die Schiff und Crew dann mit der nächsten vollen Ladung von Jelsa nach Danzig führt.
Informationen
MS FJORDNES: Bauwerft: Chengxi Shipyard Co., Ltd.; Bau-Nr.: CX 9402; Indienststellung: 25.6.2021; Schwesterschiff: STARNES; Taufe: 6.9.2021 am Cruise Terminal Kiel; Taufpatin: Hilde Sandvik; IMO-Nr.: 98 80 855; Rufzeichen: V 2 H F 8; Typ: selbstlöschender Bulkcarrier, ausgerüstet mit schwenkbarem 90 m langen, 220 Tonnen schweren Boom-Conveyor-Fördersystem; maximale Löschleistung: 5500 t/h; Flagge: St. Johns/Antigua & Barbuda; Eigner: Fjordnes Shipping GmbH & Co KG; Bereederung: HJH Shipmanagement GmbH & Co KG, 21781 Cadenberge; Charterer und Miteigentümer: Mibau-Gruppe (Gemeinschaftsunternehmen von Hans-Jürgen Hartmann und HeidelbergCement AG); jährliches Transportvolumen der Firma mit sieben Schiffen: 12 Mio. Tonnen; Klasse: DNVGL + 1A Bulk Carrier; BRZ: 26.756 t; Ladekapazität: 40.693 tdw; Schiffsgewicht (light ship): 11.536 t; Displacement (Schiffsgewicht und Ladung): 52.278 t; Länge: 190.00 m; Breite: 29 m; Tiefgang (max.): 10,80 m; Höhe Kiel-Antenne: 49.95 m, Wasserlinie-Antenne: 33.79 m; 2 Hauptmaschinen: Mittelschnellläufer HHM-MAN B&W, Leistung: je 7250 kW, Geschwindigkeit (max.): 15 kn; vierblättriger Verstellpropeller, rechtsdrehend, 4 m Durchmesser; Bugstrahlruder (2000 kW), Heckstrahlruder (1500 kW); Besatzung (philippinisch): 21