Priesterkönig Gudea von Sirgulla überlieferte auf Tonziegeln, wie schon vor 5000 Jahren im alten Babylon nach dem Neujahrsfest die Weihe des Tempels gefeiert wurde: "’Kein Getreide wird an diesen Tagen gemahlen, die Sklavin ist der Herrin gleichgestellt, und der Sklave geht an seines Herren Seite. Der Mächtige wie der Niedrige sind gleich geachtet.“ Sieben Tage lang sollen diese Feste gedauert haben, es wurde gezecht und gegessen, was Keller und Küche nur eben her gaben – die Babylonier badeten in einem Meer von Fröhlichkeit.
Apulejus von Madaura schildert in seinen etwa 125 Jahre nach Christus erschienenen "Metamorphosen’", wie Prozessionen gar von edel ausstaffierten Schiffen auf Rädern begleitet wurden: "Damals zogen durchs Land um Korinth scherzhafte Masken. Zuerst erschien da der skurrile Vortrab der Prozession, sodann kamen die Verkleideten selber: Esel und Philosophen, Gladiatoren und Magistrate, Jäger und Soldaten, Fischer, Vogelsteller, Männer hüllten sich in Frauenkleider. Ein Bär von eben solch abenteuerlicher Larve tänzelte mit. Es folgte und beschloss endlich das kunstvoll gezimmerte Schiff voll greller Malereien den lärmenden, schreienden, grotesken Aufmarsch."
In anderen Kulturkreisen erweckt die Göttin Kybele, Herrin aller Kreaturen, mit rauschender Musik auf Hörnern, Flöten, Zymbeln, Rasseln und Pauken und wild orgiastischen Zügen und Defilees die erstorbene Natur zu neuem Leben, und bei den Germanen ist es die Erdenmutter Nerthus, die als Fruchtbarkeitsgöttin mit ähnlichen Festen geehrt wird.
Nach dem Vordringen der römischen Kohorten über die Alpen beeinflussten deren Bräuche den sich bei den Germanen entwickelnden Karneval: Bacchanalien im Herbst boten Anlass für Verkleidungen, Theaterspiel und Gelage, gefolgt von Plebejischen Spielen und zur Winteraussaat den Saturnalien, die der antike Schriftsteller Lukianos wie folgt festhält: "Es ist … nicht gestattet, etwas Ernsthaftes oder Wichtiges zu tun, sondern bloß zu trinken, zu lärmen, zu scherzen und Würfel zu werfen, Festkönige zu wählen, die Sklaven zu bewirten, nackend zu singen und etwas mit Ruß versehen in einen kalten Brunnen getaucht zu werden." Die gewohnten Benimm- und Ordnungsregeln waren außer Kraft gesetzt.
Weil solch "heidnische Tobung" im Volk kaum auszurotten war, versah die christliche Kirche diese Bräuche im Mittelalter mit eigenen Symbolen: aus "carrus navalis", dem kultischen Karren der Isis, wurde das "carne valis", das "Fleisch, lebe wohl!", entwickelte sich schließlich der Karneval und die Fastnacht mit dem fröhlichen Austollen in der Vorfastenzeit, dem der Aschermittwoch die ernste Grenze setzte.
Während sich im Rheinland die heidnischen Bräuche mit dem Auftreten der Comitee-Gesellschaften „verbürgern", leben sie im Alpenraum – abgesehen von München – in ihrem, wenn auch weiter entwickelten Urbestand durchaus weiter.
In den romanischen Ländern dagegen, insbesondere Italien, in den feudalistischen Zentren Europas am Hof der Medici und in Venedig, demonstrierten bereits in der Renaissance prunkhafte Umzüge dem Volk auch Glanz und Macht der Herrschenden. Im Gegensatz dazu bleibt der Karneval in Rom volkstümlich, und begeistert schrieb Johann Wolfgang von Goethe im ‚Römischen Karneval": "Ein Fest, das dem Volke eigentlich nicht gegeben wird, sondern das sich das Fest selbst gibt."
Weltweit vielfältig präsentiert sich der Karneval auch heute mit gepflegten Riten, etwa Maskentänzen in Kamerun, dem Voodoo-Kult in Haiti und einem Karwochen-Spektakel um einen einäugigen Riesen beim Mariones-Festival von Marinduque auf den Philippinen.
Überall in Lateinamerika hat die fünfte Jahreszeit ihre Hochburgen, in den Vereinigten Staaten kann das turbulente Treiben in New Orleans auf europäische Quellen zurückgeführt werden und im weiten Kanada paradieren fesche Garden und ziehen Elferräte auf.
Kaum ein Land in Europa, das nicht vom karnevalistischen Bazillus erfasst wäre. Während auf der iberischen Halbinsel die Feste eher lokale Bedeutung haben, kumuliert die spanische Variante zum Höhepunkt auf der kanarischen Insel Teneriffa. Hier ist das Treiben mindestens seit 1820 bekannt: bunt gekleidet zogen die Bewohner durch die Straßen und bewarfen sich mit ausgeblasenen, mit Sägemehl und Papierschnitzeln gefüllt Eiern, die heute von Konfetti und Luftschlangen abgelöst wurden, und der große Korso von Santa Cruz hat sich im Laufe der Zeit von der Ochsenkarren-Karawane zu einem prachtvollen Umzug gemausert.
Als touristisches Spektakel in die Sommermonate verlegt haben den Karneval viele ost- und nordeuropäische Länder, und die Züricher treibt es am dritten Montag im April auf die Straßen, wenn die Zünfte prunkvoll kostümiert und mit aufwendig dekorierten Wagen, Reiter- und Musikgruppen durch die Stadt ziehen zum "Sechseläuten“.
Mit einem zünftigen Rosenmontagszug, bunt wie in Düsseldorf und Köln, feiert Patras am Golf von Korinth, und wer an Karneval in Frankreich denkt, kommt nicht an Nizza vorbei. Die Blumenstadt an der Côte d’Azur sieht sich immer ein wenig als das "europäische Rio", wobei der Vergleich sicher nicht übertrieben klingt, wenn Farbenpracht, Prunk und Perfektion Maßstab sind.
In der brasilianischen Metropole selbst kommen Millionen von Menschen fast eine Woche lang kaum aus den grandiosen Kostümen, die überall das Bild des Carioca-Kamevals bestimmen. Ein solches ist hier Ehrensache, und oft wird an einem Prachtgewand das ganze Jahr gearbeitet. Anreiz, sich mit einem möglichst kostbaren Kostüm zu schmücken, gibt es genug: bei den großen Bällen und den Samba-Paraden erhalten die schönsten Kleider Prämien. Niemand verachtet dieses Geld, es wird benötigt für neue Kostüme; denn kein Brasilianer würde auf die Idee kommen, beim nächsten Karneval noch einmal in der gleichen Verkleidung zu erscheinen.
Überall in Rio wird in diesen Nächten getanzt, vor allem auf der Straße. Auch, wenn jedes Jahr seinen Modetanz mitbringt, der beliebteste Rhythmus bleibt die Samba, die dem Karneval von Rio ihren unkopierbaren Stempel aufdrückt.
Nicht zuletzt gelten Samba-Schulen als ausgereifte Stufe der Entwicklung von den Straßenschlachten der Stadtteile zu friedlichen Wettbewerben mit Musik, Tanz und Farbenprächtigkeit. Die Defilées und Show-Paraden sind der Höhepunkt des Rio-Kamevals geworden und haben ähnlichen Kultstatus wie die Kamevalsgesellschaften der Alten Welt erlangt. Besser als kaum ein anderes Element haben sie sich als der große Schmelztiegel bewiesen, in dem nicht gesellschaftlicher Rang oder Rasse den Status bestimmen, sondern alleine die Bereitschaft zum Mitmachen. Eine Parallele, die auch für den anderen Top-Kameval in Amerika auf der karibischen Insel Trinidad gilt.
Für das Ereignis des Jahres beginnen die Vorbereitungen für die neue fünfte Jahreszeit bereits mit dem Ablauf der alten. Auch hier ist Karneval Allgemeingut. Wenn es um Kostüme, Songs und Organisation geht, ist jeder mit dabei, und fast ist es Ehrensache, als Teilnehmer an einer der hervorragenden und bekannten MAS-Camps, bei denen auch Touristen willkommen sind, zu partizipieren. Immer ist auch etwas Geheimnistuerei dabei, schließlich möchte man sich nicht von einer der konkurrierenden Bands übertrumpfen lassen.
Musik schürt das Feuer des Karnevals. Egal, ob zum parodierende Calypso oder zum aus ihm hervorgegangenen energiegeladenen Soca mit seinen indianischen Trommel-Elementen. Hier schwingt jeder ganz unweigerlich mit im Rhythmus der Karibik. Und schließlich sind da noch die allgegenwärtigen Steelbands, eine Insel-ureigene Erfindung. Nachdem während des 2. Weltkrieges die afrikanischen Trommeln verbannt wurden und leere Keksdosen nicht den gewünschten Effekt brachten, besann man sich auf ausgediente Ölfässer, die ein ganzes Kaleidoskop von Tönen und Klängen ermöglichen. Formationen mit 130 Mitwirkenden sind heute keine Seltenheit und ringen darum, die beim Publikum Erfolgreichsten zu sein.
Trinidads Kamevals-Wahnsinn beginnt um zwei Uhr am Kamevalsmontagmorgen, wenn die ersten Nachtschwärmer die Straße hüpfend und tanzend, animiert vom einheimischen Rum und erfüllt von der Einzigartigkeit des Ereignisses, okkupieren. Diese frühe "mas", bekannt als ‚jouvert" in Abwandlung des französischen „jour ouvert" ist ein Ritual, in dem die dunkle Seite des menschlichen Lebens dargestellt wird. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war es Sitte, während des Karnevals die Kolonialherren durch extravagante Kostüme nachzuäffen und zu veräppeln. Wenn der Tag anbricht, wechselt die düstere Parade zur "pretty mas". In diesem Wirrwarr von Kostümen, Musik und Bewegung steckt das wahre Herz des Karnevals von Trinidad, einer der größten, friedlichsten und fröhlichsten Straßenpartys der Welt.
Eine Auswahl der weltweit führenden Karnevalsveranstaltungen
Veranstaltung: Carnaval de Rio
Ort: Rio de Janeiro, Brasilien
Termin: 12. bis 16.2.2010
Infos vor Ort: RIOTUR – Empresa de Turismo do Município do Rio de Janeiro S.A., Praça Pio X, 119 / 9 º e 12 º, Centro, Rio de Janeiro, Brasilien, Tel. 0055 21 2271 7000, Fax. 0055 21 2531 1310, Email: riotur.riotur@pcrj.rj.gov.br, Web: www.ipanema.com/carival, www.riodejaneiro-turismo.com, www.rio-carnival.net
Fremdenverkehrsamt: Brasilianisches Fremdenverkehrsamt c/o MPB, Börsenplatz 4, 60313 Frankfurt am Main, Tel. 069 / 96 23 87 33, Fax. 069 / 21 97 12 76, Email: ebt.de@embratur.gov.br oder assistant.ebt.de@embratur.gov.br, Web: www.braziltour.com oder Rio Convention & Visitors Bureau c/o TMC, Fischtorplatz 17, 55116 Mainz, Tel. 06131 / 600 70 75, Fax. 06131 / 600 73 76, Email: kontakt@tmc-werbeagentur.de, Web: www.rioconventionbureau.com.br
Veranstaltung: Trinidad Carnival
Ort: Port of Spain, Trinidad, West Indies, Karibik
Termin: 9. bis 16.2.2010
Infos vor Ort: National Carnival Commission, Hotel Normandie, 10 Nook Avenue, St. Ann’s, Port of Spain, Trinidad and Tobago, Tel. 001 868 621 5269 und 001 868 612 5270, Email: carnivalinstitute@gmail.com, Web: http://www.ncctt.org/cms/index.php?option=com_content&view=article&id=79:ncc-carnival-events-2010&catid=2:events&Itemid=18
Fremdenverkehrsamt: Trinidad & Tobago Tourist Office, Postfach 2647, 55016 Mainz, Tel. 06131 / 333 29 99, Fax. 06131 / 333 19 90, Email: info@basicsite.de, Web: www.gotnt.de
Veranstaltung: Antigua ´s Carnival
Ort: Antigua & Barbuda, West Indies, Karibik
Termin: 24.07 bis 3.8.2010
Infos vor Ort: The Carnival Office, PO Box 478, 60 Newgate St, St. John ´s, Antigua & Barbuda, Tel. 001 268 462 4707 und 001 268 462 0194, Fax. 001 268 462 9286, Email: info@antiguacarnival.com, Web: www.antiguacarnival.com
Fremdenverkehrsamt: Antigua and Barbuda Tourism Authority, Thomasstr. 11, D-61348 Bad Homburg, Tel. 06172 / 21504, Fax. 06172 / 21513, Email: antigua-barbuda@karibik.de, Web: www.karibik.de/antigua-barbuda
Weitere Informationen im Web: www.carnaval.com, www.carnivalcities.com, www.caribbeanchoice.com