Bisweilen gleicht der Streit, welchen Schomerus unkommentiert bebildert, einem absurden Laientheater. Ein Schildbürgerstreich, das Allerheiligste von sechs gleichsam gewichtig auftretenden Konfessionen in einem Haus anzusiedeln. Auf dass der eine dem anderen den Platz zum Gebet streitig mache. Die Orgel der Franziskaner übertönt das abessinische Gebet. Katholik sein, ist da für manchen umso schöner. Eine Konfessionsgruppe vertreibt den Weihrauch der anderen mit eigener Essenz. Auf die ägyptischen Kopten, die nur eine kleine Kapelle haben, blickt der Franziskaner Pater Robert Jauch mitleidig hinab – von einer Ballustrade, zumindest. Das Herz, sagt Vater Afrayem Elorashalim in „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen“, kenne nur Gott. Elorashalim ist Kopte und „schockiert, dass wir keinen Platz haben.“ Jede Menge cooler Christen sehe man hier, sagt die junge Führerin einer Gruppe israelischer Soldatinnen, welche die Grabeskirche besuchen. Griechisch-orthodoxe Christen, armenische Christen, syrische Christen. Die sechste Konfession sind äthiopische Abessinier. Nur niemanden vernachlässigen! Den Schlüssel zum Hause des Herrn verwahrt eine muslimische Familie.
Miteinander, nebeneinander oder im Übergang vom einen zum anderen? Die Komplexität der religiösen Zwangsgemeinschaft wird nicht ergründet. Nachhaltiger als das, was in der Reportage wie religiöse Rangeleien erscheint, wirken die Bilder verzückter Gläubiger. Die Grenzen zwischen Pilgern, Priestern und Touristen verschwimmen. Nach den Worten einer georgischen Besucherin sei die Nähe Gottes dennoch intensiv. „Aber die Menge…“, klagt eine andere Frau. Kurz habe sie das heilige Feuer berührt. Nun sei sie „ein bisschen geheilt“. Ironischerweise ist es die Klage, ihre Kirche würde benachteiligt, welche die untereinander konkurrierenden Gruppen eint. Seit osmanischen Zeiten befindet sich die Grabeskirche in diesem Zustand. Schomerus Dokumentarfilm folgt respektvoll den Prozessionen und Gläubigen. Ein wenig zu respektvoll. Nur vereinzelt lockern Momente zaghafter Ironie den gemächlichen Dokumentarfilm auf. Gewichtig wie die Glaubensrituale wird das Thema inszeniert – und ebenso trocken und anstrengend. Ob der vor dem Abspann eingeblendete Titel „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen“ ironischer oder ernster Schlußkommentar sein soll, bleibt – wie so manche Szene – vage.
Titel: Im Hause meines Vater sind viele Wohnungen
Land/ Jahr: Deutschland/ Schweiz 2010
Genre: Dokumentarfilm
Kinostart: 24. März 2010
Regie und Buch: Hajo Schomerus
Laufzeit: 89 Minuten
Verleih: X Verleih