Ladendiebstahl lohnt sich für die erwachsene Waris (Liya Kebede). Kaum wohnungslos geworden, findet sie bei der quirligen Verkäuferin Marilyn (Sally Hawkins) schon Unterschlupf und eine beste Freundin dazu. Geldverdienen ist in London kein Problem. Nicht einmal Englisch muss man können. Es reicht das Wörtchen “Arbeit” beim nächstbesten Schnellrestaurant vorzustammeln. Der bescheidene Anfang als Putzkraft passt besonders in die Biografie, sobald einen der angesagte Modefotograf (Timothy Spall) entdeckt. Die “Wüstenblume” lernt fleißig Englisch, übt lachend für die internationalen Laufstege das Stolzieren in Stöckelschuhen und bedankt sich bei der treuen Marilyn mit einem Gucci-Armband. Die “von der Tellerwäscherin zum Modell”-Geschichte geht so reibungslos von statten, dass die an die Tür klopfende Einwanderungsbehörde fast wie eine Erfindung der Produzenten erscheint, um einen Hauch Spannung in die märchenhafte Erfolgsgeschichte zu bringen. Flugs besorgt die Agenturchefin Lucinda (Juliet Stevenson) Waris einen gefälschten Ausweis. Damit wird die “Wüstenblume” ertappt, doch eine Scheinehe mit dem schmierigen Nachbarn Neil (Craig Parkinson) überbrückt die Zeit zur dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung. Als strahlendes Modell steht die einstige “Wüstenblume” schließlich da, mit einem ebenfalls modellhaften Liebhaber, den die Regie in letzter Sekunde aus dem Nähkästchen zaubert.
Auf den ersten Blick klingt “Wüstenblume” nach dem RTL2-Samstagabendfilm. Melodramatik, schöne Menschen und ein glückliches Ende. Unglaubwürdig, aber das Leben kann so sein. Wie im Fall der realen Waris Dirie. Die aus Somalia nach England Geflohene wurde zum weltberühmten Modell. Ihre Lebensgeschichte verarbeitete sie in der 1997 erschienen Biografie “Wüstenblume”. Nach deren Welterfolg folgten die autobiografischen Werke “Nomadenkind” und “Briefe an meine Mutter”. Ihre Bedeutung erhielten die Bücher und Interviews Diries, weil sie darin das in Europa nahezu unbekannte Tabuthema der traditionellen weiblichen Genitalverstümmelung in den Mittelpunkt rückte. In frühester Kindheit wurde Waris Dirie beschnitten. Bis heute fallen weltweit tausende Mädchen dem grausamen Ritual zum Opfer. Dirie war die erste Frau, welche sich zu ihrem Schicksal bekannte und somit öffentlich Aufmerksamkeit auf das Leid der Betroffenen lenkte. Ihre Prominenz nutzte sie zum Kampf gegen weibliche Beschneidung, die durch das Schweigen und die Scham der Opfer noch qualvoller wird. Seine wenigen bewegenden Momente hat “Wüstenblume” in den Szenen der Beschneidung Waris ´ als Kleinkind und ihres Begreifens als Erwachsene, daß ihr Leid nicht das selbstverständliche Schicksal einer Frau sein muß.
“Wüstenblume” ist ein Film, der schmerzt, nicht ob seiner Dramatik, sonder seiner Belanglosigkeit. Der lebenslange psychische und physische Schmerz der betroffenen Frauen wird durch die Banalität der Handlung marginalisiert. Waris Dirie, deren Kampf und innere Stärke Respekt verdienen, reduziert “Wüstenblume” zur melodramatischen Seifenopernfigur. Die Darsteller, von der einfühlsamen Liya Kebede übe die flippige Sally Hawkins bis zum Exzentriker Spall, versuchen vergeblich gegen die ausdruckslosen Bilder und die miserable Regie anzuspielen. Locker-flockig wird Waris Aufstieg zelebriert. In der Gegenwart ist die “Wüstenblume” stets in Sicherheit. Gefahr droht nur in Rückblenden, doch man weiß längst, dass Dirie alles überstehen wird. Mit Entbehrungen, Angst und Verzweiflung Diries will “Wüstenblume” sein Publikum nicht belasten. Die Tabuisierung der Beschneidung setzt “Wüstenblume” indirekt fort: was die Verstümmelung psychisch und emotional für Dirie bedeutet, erfährt man nicht. Auf der Leinwand treibt Sherry Hormanns Wüstenblume” nur kommerzielle Blüten.
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Originaltitel: Desert Flower
Titel: Wüstenblume
Land/Jahr: Deutschland/Großbritannien/Österreich 2009
Kinostart: 7. September 2009
Regie und Drehbuch: Sherry Hormann
Darsteller: Liya Kebede, Sally Hawkins, Timothy Spall, Juliet Stevenson, Craig Parkinson
Verleih: Majestic Filmverleih
Laufzeit: 120 Minuten
Internet: www.wuestenblume-film.de