Luxemburg (Weltexpress). Das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (Mudam) präsentiert mit „Appearance“ die erste monographische Ausstellung des international renommierten Kanadiers Jeff Wall mit 27 großformatigen Fotografien auf 800 m² Ausstellungsfläche, teilweise in Leuchtkästen. Die Werke geben einen Überblick über sein Schaffen von 1970 bis heute, darunter einige seiner bedeutendsten Werke „Picture for Woman“ (1979), „The Storyteller“ (1986) und „Restoration“ (1993).
Wall definierte die Fotografie neu und stellte sie ins Bezug zu den Tableaux der Malerei, Literatur oder auch Film.
So kommt es zu regelrechten Inszenierungen seiner Fotos, die oft Monate der Vorbereitung bedürfen. Und: jedes seiner Bilder ist eine einmalige Komposition, oft in Anlehnung an berühmte Gemälde (The Storyteller bezieht sich auf Le Déjeuner sur l’herbe von Édouard Manet oder Skulpturen („The Thinker“ ist eine Hommage an Auguste Rodin’s „Der Denker“)
„Invisible Man“
Ein prägnantes Beispiel hierfür ist seine Fotoinszenierung „Invisible Man“ nach einem Roman „After Invisible Man“ des US-Autors Ralph Ellison, der in den US-Schulklassen Pflichtlektüre ist. Der Roman handelt von einem Schwarzen, der vom Süden her nach Norden zieht auf der Suche nach seinem Glück und dort jedoch regelrecht in der Masse untergeht, also unsichtbar wird – invisible.
Diese Romanfigur zieht in eine Souterrainwohnung und installiert nach und nach immer mehr Glühbirnen an der Decke, wohl zuallererst, um sich Licht zu verschaffen, letztendlich jedoch, um besser sichtbar zu werden, also nicht mehr „invisible“ zu sein – jedoch ist die Masse der Glühbirnen beklemmend skuril – viele Fragezeichen tun sich im Betrachter auf. Das Foto zeigt einen Schwarzen (bezahlter Statist), mit dem Rücken zum Betrachter auf einem Schemel hockend inmitten seines zugestellten Zimmers – die Zimmerdecke ist zugepflastert mit Glühbirnen.
„In front of a nightclub”
Ein weiteres Beispiel für aufwändige Inszenierungen ist „In front of a nightclub“. Wall erläutert die Schritte seiner wochenlang dauernden Inszenierung. Das Motiv dreht sich eigentlich um einen Rosenverkäufer, „so wie sie in allen Großstädten in den Cafés und Restaurants Rosen anbieten, die ein betrunkener Kavalier seiner ebenfalls betrunkenen Begleitung zum Geschenk anbieten mag“, so Wall. Den Rosenverkäufer habe er aber nicht in den Vordergrund stellen wollen, sondern er geht in der Nachtclub-Besuchermenge (bezahlte Statisten) unter, kaum wahrnehmbar. Es geht hier um das Individuum und die Menge – jedes der Fotografien Walls hat einen philosophisch-metaphysischen Background. Es ist faszinierend, Wall zuzuhören und der Werkentstehung zu lauschen. Nicht umsonst ist der promovierte, preisgekrönte Kunstgeschichtler auch Universitätsprofessor – binnen 25 Jahren unterrichtete er an verschiedenen kanadischen Universitäten und publizierte kunstkritische Schriften, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Innerhalb von 40 Jahren stellte er seine Fotografien in den namhaftesten Museen der Welt aus.
Warum heißt die Ausstellung „Appearance“? „Fotografie ist eine Art der Erscheinung, wie wir auf andere wirken.“ erläutert Wall den Titel. „oder auch: was bedeutet es, zu erscheinen?“ Wall ist durch und durch Philosoph.
Die Ausstellung im Mudam, dem Museum für moderne Kunst in Luxemburg, ist noch bis zum 6.1.2019 zu bewundern, Führungen auf Deutsch und eine Konferenz mitinbegriffen.