Berlin, Deutschland (Weltexpress). Was man über Glen Hansard unbedingt wissen muss. Er ist ein irischer Songwriter. Er verlässt mit dreizehn Jahren die Schule, und verdingt sich in Dublins als Straßenmusiker, schlägt sich sieben Jahre lang durch, erobert Clubs und Pubs, wird zu seinem eigene Markenartikel. Früh schon unverwechselbar, aber noch nicht einmalig, gründet er eine Band namens The Frames, die schnell einschlägt. Man wird auf Glen Hansard aufmerksam. Er bekommt einen Plattenvertrag, spielt im Musikfilm The Commitments mit, wird rasch berühmt. Once wird schließlich für ihn und seine Freundin Markéta Irglová der Film, für den er den Soundtrack schafft und für Falling Slowly einen Oscar bekommt. Zeit für ihn, sagt er sich, sich zurückzuziehen. Die wichtigste Aufgabe für ihn sieht er nun darin, so zu bleiben wie er ist. Dafür klinkt er sich aus, nimmt Abstand von Glamour und falscher Huldigung, ehe er geheilt und vom schlimmsten Beigeschmack des Ruhmes befreit das Album Rhythm And Repose als Solokünstler aufnimmt.
Seine markante Stimme bleibt einem im Gedächtnis, hat man sie einmal nur gehört. Was seinen Auftritt angeht, so ist der für jedermann ehrerbietend, oder man hat überhaupt keine Gefühle mehr.
Und Jena hat mit seinem Volkshaus ein sehr schönes Gebäude, außen wie innen märchenhaft. Auf die steinerne Burg mit Türmchen und Bogenfenstern sah Glen vom Fenster seines Hotels aus. Und staunte es nur an, wusste nicht einmal, dass er in ihm auftreten wird. War dann genauso überrascht wie alle anderen Besucher auch, die zum ersten Mal die heiligen Hallen betreten. All die Bögen, Säulen und den großen Saal erblicken und zur Bühne sehen. Bei Glen steht dort ein Kneipenklavier, genauso abgeranzt, tontechnisch ein wenig verstärkt. Auf dem Klavier eine schmale Stehlampe mit aberwitzig kleinem Schirmlein, rötlich. Daneben, wie als wäre es die Mutter, eine alte Schirmlampe, gelblich. Zwischen zwei Mikrofonen sind da noch eine riesige alte Bandmaschine und die ultimative große Pauke, von innen her wie der Vollmond beleuchtet, mit der Aufschrift Save-A-Soul-Mission versehen. Im Hintergrund stehen ein paar Gitarren bereit, und fertig ist das Stage. Mehr braucht dieser Mann nicht, um seine Songs auszubreiten. Kommt kaum jemand wie er daher. Fragt ob es Jeenaa mit langem e und a heisst oder einfach kurz Jänna? Jena wie Jana ruft es aus dem Publikum. Und schon hat er es auf seiner Seite.
Ist kaum jemand so bescheiden wie Glen, der auf die Bühne kommt, an der Gitarre fummelt und nebenher in gebrochenem Deutsch sagt: Ich bin Glen aus Irland, sieht man von Bob Dylan ab, der gar nichts zu sich von sich gibt. Und wie dieser Glen dann seine Songs herüberbringt und mit dem Publikum den Abend lang engsten Kontakt aufbaut, ist zum einen Teil sensationell und einmalig zu nennen, zum anderen aber auch seiner Herkunft zu verdanken. Immer wieder schlägt der Straßenmusiker durch. Man sieht ihn förmlich in der Gasse stehen, die Gitarre dreschend, mit den Füssen stampfend, sich im Kreis drehend wie ein städtischer Indianerhäuptling. Oftmals heulen auch die Kojoten mit, und man meint, ein wildes aufrührerisches Volk herauszuhören, das den Saal erobert, obwohl beim näheren Hinsehen immer nur dieser eine Musiker auf der Bühne ist. Der singt nicht nur, der säuselt, flirtet, kann von tief unten bis hoch oben die Stufenleiter hoch und herunter tönen, wie Tom Waits, Muddy Waters, Sting klingen, und darüber hinaus vor allem wie nur er selbst, Glen Hansard, der die Klaviatur von rau, derb, laut bis sanft, lyrisch, leise beherrscht, aber auch proletarisch kraftvoll ist. Ein mitreißender, jederzeit interessanter Typ. Ob er nun in Aktion ist und äußerst wild oder zwischen den einzelnen Titeln ganz still nur etwas aus seinem Leben, von seinen Begegnungen erzählt. Einfache Dinge, an die er sich erinnert, wobei er nicht daherredet, zwischen den Nummern, eben nicht Programmrede herunterrasselt, sondern konzentriert zu erklären sucht, wovon zu reden ist, sich schnell korrigiert, ist so selten wie wahrhaft, dass man schon allein deswegen reich belohnt dafür ist, in sein Konzert gekommen zu sein.
Glen Hansard erzählt auf den ersten Blick sehr irische Geschichten in seinen Songs, die auf der Grundlage der Straßenmusik und seiner eigenen Biografie sich zu einem ganz authentischen Teppich des echten Lebens wandeln. Es geht um Freundschaft, Verlust, Hoffnung, Aufrichtigkeit, Solidarität mit Menschen auf Wanderschaft und letztlich um ein Leben in Verbindung von Erfahrung und geretteten Seelen. Doch über Glen Hansards Texte zu schreiben, ist ähnlich wie über Architektur zu tanzen, entfalten sie sich doch in der Liveperformance. Dann ist er der wilde Romantiker unter den dreizehnjährigen Jungen auf der Grafton Street in Dublin, der beherzt Bob Dylan Songs covert; und in dem Oskar prämierten Film Once das Herz auf dem richtigen Fleck trägt. Eine der schönsten und vielseitigsten Liebesgeschichten, die das europäische Kino geschenkt bekommen hat und mit den beiden Verliebten wir die Musik dazu. Öffentliches Spiel und Gesang als Straßenmusiker sind seine Zugangspunkte zu den Menschen.
Glen Hansard bekommt Sie alle herum, man muss ihn nur einmal live erleben. In Jena ist es ein verregneter, stürmischer, dunkler Novemberabend, an dem sich kein Hund hinterm Ofen hervorlocken lässt. Irgendwie herbstmüde langte ich zum Konzert an, und hatte Angst einzuschlafen, da es nur Sitzplätze gab. Als Support spielt Ex-Frames-Gitarrist Rob Bochnik, mit dem Glen Hansard in der neunköpfigen Begleitband zauberhaft harmoniert. Solo aber wirkt der Mann mit den wallenden Locken im seit Monaten ausverkauften Volkshaus eher schüchtern. Trägt seine melodischen Songs zum detailreichen Gitarrenspiel großartig vor, aber auch ein wenig zu erwärmend und schön, um wach zu bleiben. In der dritten Reihe sitzend gibt sich niemand im dunklen Saal dem Sound hin und döst selig ein. Mit mit dem ersten Song von Glen Hansard ist die Angst ausgestanden. Die Sinne werden putzmunter, Augen und Ohren weiten sich. Der sehr persönliche Song „Time Will be the Healer“, vom neuen Album „Between Two Shore“, so neu, dass es den meisten im Saal unbekannt sein dürfte, erreicht das Publikum sofort. Es hält die Leute gerade so auf ihren Stühlen, die man hätte sich auch schenken können. Glen ist nicht der Mann für Sitzkonzerte. Mit „Winning Streak“, den gesungenen Segenswünschen zu kalten und warmen Zeiten, im Kampf zwischen Gut und Böse im Leben, befinden wir uns im irisch-amerikanischen Film inmitten des von seinen Erfahrung geprägten Lebens Hansards, das Leben auf der großen Straße. Und da herrscht vor allem ein Gesetz, dass der Freundschaft, Aufrichtigkeit, Hilfe, wie in der Geschichte von „Grace Beneath the Pines“ beschrieben. Eine Meisterleistung was die beinahe gesprochenen Teile seines Vortrag angeht, der vom Flüstern her aufschreit und in der Speedmetalmanier des wilden Gitarrenspiels seine Ekstase findet. Wie oft es so schon zuging, ist am Holz der abgeschabten Akustikgitarre zu sehen, die direkt aus den Zeiten der Straßenmusik stammt.
Der Saal tobt. Die Leute springen auf, klatschen wie verrückt Beifall. Der Abend entwickelt sich zu einem intensiven Bühnenerlebnis. Die einzelnen Musikstücke und dazugehörigen Geschichten berühren, rühren auf. Das Konzert steigert sich von einem Höhepunkt zum nächsten absolut besten Moment. Der Vorantragende selber ist in seiner Art authentisch und bescheiden geblieben. Eine ehrliche Haut, das spürt jedermann, die das großartige Liebeslied „The Bird of Sorow“ erlitten hat. Die Aussage so schlicht wie umwerfend wahr, lautet: Bist du allein und verlassen, aber bereit dafür, wirst dich ein gutes Herz entdecken und erkennen, und du die Liebe wieder finden. Und schon sind wir mit den nächsten Songs im prämierten Film Once. Darüber wie notwendig es ist, den eigenen Gefühlen zu folgen, wenn es um die Liebe zwischen Mann und Frau geht, erzählt „When Your Mind’s Made Up“. So explosiv gespielt, das im Publikum die Altersgrenzen verschwinden, alt und jung eins werden, alle sich irgendwie annähern. Ein gemeinsames Bedauern, den Song „Falling Slowly“ nur von Glen und nicht im Duo mit seiner ehemaliger Partnerin (im Leben, auf der Bühne wie im Film), Markéta Irglová an seiner Seite gesungen zu bekommen. Dem starken Solo tut es keinen Abbruch. Glen wird endgültig Teil vom Publikum und trägt es von Jena aus über die Royal Albert Hall in London hinaus bis zur Grafton Street in Dublin.
Dort nämlich lässt es sich Glen weiterhin nicht nehmen, mit Freunden für Obdachlose zu spielen. Vergangenes Jahre besetzte man eigens mit Bono und Unterstützten ein leerstehendes Krankenhaus, in dem zweihundertfünfzig Obdachlose über Weihnachten und Neujahr Obdach fanden. Dass er aus der tiefen eigenen Lebens- und Liebeserfahrung des Sängers kommt lässt ihn so einmalig sein. Die banale Tiefe und das herzliche Empfinden finden Ausdruck in all seinen Songs, und machen Glen Hansard zu einem ganz außergewöhnlichen Musiker und Menschen. Die Geschichten zu seinen Songs lassen sich alle in Ausführlichkeit fortsetzen, das wichtige an ihnen ist der Mann, der sie uns als großes Live-Erlebnis erzählt. In Jena dreht Glen, als die Zuschauer nach diversen Zugaben bereits meinten, es wäre Schluss, noch einmal richtig auf. Er und Rob sein Freund spielen für ihr Publikum unplugged, beide auf einer großen Lautsprecherbox stehend, das von Leonhard Cohen inspirierte Lied „Oh Mercy“ und lassen ein paar Songs noch folgen, ehe das Publikum dann zur verabschieden ist und lange wird nicht zur Ruhe kommen.
Das Berliner Publikum hat am 20. und 21. 02. 2018 die Chance, Glen Hansard mit seiner großartigen Band im Admiralspalast zu sehen. Am 19. November war Glen Hansard Teil der TV Noir Gala in Admiralspalast, bei der er den inoffiziellen Wettbewerb mit dem zu provinziell gestrickt daherkommenden deutschen Nachwuchsstar Clueso freundlich an die Wand sang und spielte. Und sicher ist auch, dass beide Shows ausverkauft sein werden.