Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Daniel Anz ist Hufpfleger und Hufschmied, der in Argentinien lebt. Er ist Begründer des Konzeptes F-Balance mit Akademien in Argentinien, Deutschland, Schweiz und Spanien, wo Hufpfleger und Hufschmiede zum Podologen ausbildet werden. Immer mehr Hufschmiede erkennen, dass der Eisenbeschlag den Hufmechanismus empfindlich stört und erkennen, dass die Barhufpflege die gesündere Variante der Hufbearbeitung ist, wie Daniel Anz es selbst erkannte, als er 1999 begann, die longitudinale Flexibilität des Hufes zu beobachten.
Daniel Anz versucht als Podologe zwischen den beiden Lagern Hufpfleger und Hufschmiede zu vermitteln, die sich großenteils immer noch unversöhnlich gegenüber stehen, wie auch Pferdehalter, die sich leider zu wenig in der Anatomie und Funktion des Hufes auskennen.
Er ist Verfasser des Buches „Das F-Balance-Lehrbuch-Die Rückkehr zur Essenz der equinen Podologie“.
Hiltrud Strasser ist promovierte Veterinärmedizinerin. Sie ist Verfasserin von sieben Büchern über Hufgesundheit: Grundlagen der Gesunderhaltung, sowie Ursachen und Behandlung von speziellen, als unheilbar geltenden Krankheiten, sowie über die schreckliche Unsitte, Pferden Eisen ins Maul zu stecken. Hinzu kommt ein Lehrbuch speziell für Hufpflegeschüler, bzw. Hufheilpraktiker. Alle Bücher sind in englischer Übersetzung, sowie vielen anderen Sprachen am Markt. Ein weiteres Buch über die Problematik rund um artgerechte Haltung von Pferden und Beispiele für ihre Schwierigkeiten mit der Schulmedizin auf der ganzen Welt ist in Arbeit.
Mittlerweile ist ihr ganzheitlicher Ansatz im Umgang und der Behandlung mit gesunden und kranken Pferden in der ganzen Welt verbreitet, wo Hufpfleger in ihrer Methode ausgebildet werden oder zufällig eines ihrer Bücher gelesen haben. In der Schweiz ist die Ausbildung zum „Hufpfleger nach Dr. Strasser“ staatlich anerkannt.
Das Interview
Paschel: Lieber Herr Anz, lassen Sie uns einsteigen bei dem Beginn Ihrer natürlichen Hufbearbeitung mit einem Zitat auf Ihrer Homepage:
„Seit ich 1999 begann, die longitudinale Flexibilität des Hufes zu beobachten, hat sich mein Leben für immer verändert. Früher war mir nur der horizontale Hufmechanismus bewusst, und ich arbeitete nach traditionellen Methoden. Doch nachdem ich die natürliche Funktion des Hufes wirklich verstanden hatte, und bei der Hufbearbeitung die longitudinale Flexibilität beachtete, konnte ich nicht mehr zurück, um einen Huf nach traditionellen Techniken zu bearbeiten. Wirklich nie mehr!“
Wie ich das verstehe, waren Sie vorher Hufschmied und kamen damals zum Barhuf. Sehe ich das richtig?
Anz: Eigentlich ist das nicht richtig. Ich bin noch Hufschmied und mache gerne Barhuf, weil ich weiss, daß es für das Pferd besser ist. Wenn ich heute ein Pferd hätte, würde ich es Barhuf lassen. Selbst bin ich Hufpfleger, als Lehrer bin ich Hufschmied und Hufpfleger.
Paschel: Frau Strasser, auch Sie zitiere ich von Ihrer Homepage:
„Mehr zufällig ergab sich, dass meine Pferde in einem Offenstall lebten und mein damaliger Hufschmied der Ansicht war, sie könnten ohne Beschlag auskommen. Das verwunderliche war, dass Pferde, die in teuren Ställen standen und regelmäßig professionell mit Hufeisen beschlagen wurden, eine Vielzahl gesundheitlicher Probleme aufwiesen, die eher kostengünstig gehaltenen Pferde hingegen nie krank wurden.“
Sie sind danach ganz weggekommen vom Hufeisen, das man zuweilen auch Hufschutz nennt. Das Eisen ist mittlerweile für Sie das Gegenteil von Schutz. Es ist verantwortlich für viele Krankheiten, die Sie erstmals in Ihrem Buch „Ohne Eisen“ (1988) beschreiben. Spätere, spezialisierte und erweiterte Auflagen erhielten den Titel: „Was spricht eigentlich gegen Hufbeschlag?“
Welche Krankheiten führen Sie auf das Eisen am Huf zurück?
Strasser: Niemand wird vermuten, dass Stoffwechselstörungen des Gesamtorganismus, besonders Leber und Nieren, im Vordergrund stehen, gefolgt von Herzerkrankungen sowie Erkrankungen der Gelenke, von Knochen, Knorpel, Bänder und Sehnen sowie Abbau des Hufbeins, wodurch die Aufhängung geschwächt wird und stetig schlechter werdende Hornqualität. Die Menschen erkennen nur, wenn ein Pferd starke Schmerzen an einer Gliedmaße hat und deshalb lahmt. Oft bemerken sie nicht mal kürzere Schritte oder sie glauben, das sei besonders „nett“, wie auch das weite Untertreten der Hinterhand, um die schmerzende Vorhand zu entlasten. In der Folge treten Rückenerkrankungen wegen veränderter Körperhaltung auf, um Schmerzen in den Hufen zu mindern, wie Hufrehe, angebliche „Strahlbeinlahmheit“ und anderes. Besonders drastische Folgen hat Beschlag des noch nicht ausgewachsenen Hufes bei Pferden unter 5 Jahren.
Paschel: Gibt es für Sie auch Ausnahmen, wo ein Beschlag gerechtfertigt wäre?
Strasser: Nein. Es heißt ja bei den Beschlagsbefürwortern immer: „Wenn es geht, ist es ohne Beschlag besser“. Das heißt, wenn das Pferd ohne Hufeschutz gut über jeglichen Untergrund läuft. Wenn es das nicht tut, heißt das aber, dass es Schmerzen hat. Diese sollte man beseitigen, indem man die Ursache, meistens falsche Hufform, beseitigt und nicht, indem man die Hufe durch Unterbindung der Blutzirkulation betäubt, um ein Pferd einsatzfähig zu halten, obwohl es defekte Hufe hat. Hufeisen werden benutzt, um dem Pferd das Gefühl für den (steinigen) Untergrund zu nehmen und auch Schmerzen in der Huflederhaut bis zu einem gewissen Grad auszuschalten, damit das Pferd stets voll einsatzbereit ist und damit man keine Rücksicht auf die Hufe des Pferdes nehmen muss. Diese Einstellung der Veterinärmedizin, der Hufschmiede und der Pferdehalter steht natürlich im Widerspruch zu unserem Tierschutzgesetz. Wie wir von den entlaufenen und heutigen „Wildpferden“ in allen Erdteilen wissen, kommen die Tiere ohne Huf “schutz“ mit dem Untergrund, der ihnen in weitläufigem Gelände zur Verfügung steht – besonders hartes Gestein – sehr gut zurecht. Es sei denn, man schränkt ihren Lebensraum so sehr ein, daß er nicht mehr mit einem pferdegerechten Ursprungsterrain zu vergleichen ist, wie es in Australien und neuerdings in Ungarn mit den ausgewilderten Przcewalsky-Pferden geschieht, die Hufprobleme entwickeln, weil das zur Verfügung gestellte Terrain viel zu klein ist.
Paschel: Herr Anz, Sie bilden also nicht nur Hufpfleger sondern auch Hufschmiede aus in der Hufschmiedekunst, wie man das so nennt. Wie ich vermute, hat der Eisenbeschlag für Sie manchmal einen Sinn.
Anz: Ich weiss, daß viele Pferde in der Welt noch beschlagen werden. Sie werden mit der Traditionellen Methode schlecht ausgeschnitten und dann beschlagen. Am Ende das Ergebnis ist nicht korrekt. Deswegen möchte ich, daß diese Pferde besser ausgeschnitten werden, bevor sie beschlagen werden. Meine Arbeit heute als Lehrer hat das Ziel: Alle Pferde sollen besser laufen, ohne oder mit Hufeisen. Bei meinem Konzept geht es nicht nur um Barhuf, sonden um Hufbearbeitung. Viele Hufschmiede kommen in unsere Schulen, um den Huf zu verstehen, und danach möchten viele keine Hufeisen mehr sehen. Und die Hufschmiede, die noch weiter beschlagen, machen es besser als vorher.
Paschel: Mit dieser pragmatischen Einstellung schaffen Sie es anscheinend, viele Hufschmiede in Ihre Ausbildung zu bringen, die sich neben ihrer Arbeit als Hufschmied ein zweites Tätigkeitsfeld erschliessen wollen, also „ökonomisch“ motiviert sind. Ich kenne auch einige Hufschmiede, die selbst barhuf reiten, weil sie die Gesundheit ihres eigenen Pferdes mehr im Blick haben. Können Sie mir da folgen?
Anz: Die Hufschmiede und die Hufpfleger wissen, daß das Ausschneiden sehr wichtig ist, deswegen kommen sie in unsere Akademien. Die Hufzubereitung ist unsere Spezialität. Wenn sie später sehen, daß der Beschlag besser ist, sehe ich das als Fortschritt. Daß Ausschneiden eine wirtschaftliche Chance ist, entgeht meinem Anliegen. Mein Ziel als Lehrer ist: Alle Pferde sollen besser laufen, mit oder ohne Hufeisen.
Strasser: Wenn jemand die Schadwirkung von Hufbeschlag verstanden hat, dann ist es ihm/ihr unmöglich noch jemals einem Pferd – eigenen oder fremden – so etwas anzutun. Da es aber dennoch vorkommt, liegt es entweder daran, daß die Anatomie, Physiologie und Gewebefunktionen doch nicht richtig verstanden wurden, weil niemand diese Hufbearbeiter ordentlich unterrichtet hat, oder man unterstützt die Pferdehalter in ihrer Bequemlichkeit bei den Haltungsbedingungen. Es geht – ethisch betrachtet – nicht darum, daß die Pferde nach der Hufbearbeitung wieder besser laufen, sondern daß Ursachen für schon vorhandene oder bevorstehende Schäden behoben werden. Bereits eingetretene Entzündungen können nicht sofort nach einer Hufbearbeitung verschwunden sein. Deshalb ist auch nicht gesagt, daß ein Pferd nach der Hufbehandlung besser laufen können muß. Das kommt eben auf die Historie des Pferdes und seiner Hufe an. Wichtig ist, daß Ursachen für Schäden beseitigt werden, damit das Pferd eine Genesungschance bekommt, und nicht, ob der Reiter sein Pferd sofort wieder nutzen kann.
Paschel: Wenn ich da einmal vermitteln darf. Ich denke schon, daß Herr Anz die Schadwirkung von Hufbeschlag erkannt hat, vielleicht nicht mit dem fundierten Wissen, das Sie, Frau Strasser, als Tierärztin haben. Wie ich Sie verstanden habe aus früheren Gesprächen, gibt es selbst in veterinärmedizinischen Anatomie-Büchern, die in der Ausbildung der Tierärzte grundlegend sind, gemalte Bilder von Pferdebeinen, die Hufeisen haben, als wären Pferde damit geboren. Was erwarten Sie da von den Hufschmieden?
Wenn ich das richtig sehe, ist Ihr Institut für Hufgesundheit das einzige weltweit, das eine Tierärztin an seiner Spitze hat, eine, die dazu noch eine ganzheitliche Sicht hat in der Pferdebehandlung, gesundheitlich, die artgerechte Haltung und Fütterung betreffend, sowie die Hufbearbeitung. Dazu kommt noch Ihre Erfahrung als aktive Jagdreiterin.
Um das einmal noch deutlicher zu sagen: Solange die Pferdehalter Beschlag wollen, wird es Hufschmiede geben. Solange Tierärzte das unterstützen, erst recht.
Strasser: Ja, es ist so, wie Sie sagen. Nur heißt das nicht, daß das in Ordnung ist. Leider haben viele Professoren nicht die Courage, die weltweit neuesten Erkenntnisse in ihrer Lehre zu vertreten, aus Angst vor Anfeindungen oder daß sie von anderen Kollegen nicht mehr ernstgenommen werden. Wie so Vieles in unserer Welt von materiellen Interessen und Unwissenheit verursacht wird, ist es auch mit der Gesundheit: Solange man mit kranken Pferden mehr verdient als mit gesunden, wird es Menschen (Tierärzte, Hufschmiede) geben, die in Unwissenheit gehalten werden, damit Andere Geld verdienen können. Man muß das leider so drastisch sagen, weil alle Kenntnisse über die Schadwirkungen von Hufeisen – auf anderen Gebieten ist es ähnlich – seit Jahrhunderten bekannt und durch die heutigen Kenntnisse über die Biomechanik, die Gewebeeigenschaften und den Stoffwechsel 100%ig abgesichert sind. Trotzdem werden diese Erkenntnisse an den Universitäten, wo ja letztlich auch die Hufschmiedeausbildung erfolgt, nicht gelehrt, ja sogar unterdrückt und verleumdet. Die “normalen Menschen”, hier Pferdehalter, können diese Machenschaften gar nicht glauben und vertrauen ihrem Tierarzt, dem diese Kenntnisse fremd sind.
Anz: Meines Erachtens haben Sie Recht, Frau Strasser. Vieles wird nicht unterrichtet, weil Interessenskonflikte entstehen. Veränderung ist immer sehr schwierig.
Ich bin kein Hufschmied, der nicht weiß, dass das Hufeisen schädlich sein kann. Meine Absicht ist es, die Qualität des Beschlags zu verbessern, der unweigerlich weitergeht, wie Herr Paschel das schon gesagt hat. Wie ich bereits erwähnt habe, fahre ich zweigleisig. Wenn ich ein Pferd hätte, würde ich es barhuf haben.
Paschel: Lassen Sie uns trotzdem zur Praxis kommen. Viele „Fachleute“ behaupten, dass sie die korrekte Art gefunden hätten, den Barhuf zu formen. Als kritischer Schüler habe ich mir angewöhnt, das zu tun, was mich überzeugt.
Überzeugen Sie mich mal und zwar so, daß auch Leser, die nicht reiten, es auch verstehen können?
Strasser: Den Huf bearbeiten wir so, daß die optimalen Proportionen, die mit einem bodenparallelen Hufbein einhergehen, hergestellt werden. Dazu muß man wie mit Röntgenaugen den Huf verstehen, durch intensives Training an toten Hufen und nach dem Studium sehr vieler Schnitte durch Kadaverhuf, und entsprechend vermessen und dann bearbeiten. Die Proportionen sind bei allen Huftieren gleich. Leider versteht die Schulmedizin nicht die physikalischen Voraussetzungen für das Auffangen so hohen Gewichtes auf der winzig kleinen Grundfläche des Hufes und akzeptiert deshalb nicht das bodenparallele Hufbein. Dabei gibt es seit mindestens 6 Jahren eine Publikation aus dem Institut für Biomechanik der Universität Auckland, wo mittels Computeranimation bewiesen wird, das bei jeder anderen Position des Hufbeines, die von der Bodenparallelen abweicht, erhebliche, schädliche Spannungen in der Hufkapsel und an den Lamellen entstehen.
Anz: F-Balance-Konzept bedeutet im Wesentlichen die Berücksichtigung der funktionalen Sohle des Hufes in Bezug auf die longitudinale Flexibilität der Hornkapsel (siehe Video oben). Das F-Balance-Konzept ist ein Konzept der Hufbearbeitung, das sich an natürlichen Referenzpunkten des Hufes orientiert und exakt messbar und reproduzierbar ist. Ein wichtiger natürlicher Faktor manifestiert sich sichtbar am Huf. Es ist die funktionelle Sohle, die für das Niveau 0 – „null“ – steht. Eine korrekte Beurteilung der funktionalen Sohle ohne die gleichzeitige Berücksichtigung der longitudinalen Flexibilität der Hornkapsel ist nicht möglich.
Mögliche F-Balance-Niveaus: Ausschneiden auf Niveau 0, +1, +2, +3, …, je nach Fall, aber nie auf -1, -2, …
Paschel: Da habe ich als Laie eine Verständnisfrage an Sie, Herr Anz: Was verstehen Sie unter 0-Niveau?
Anz: Der Huf hat natürliche Grenzen.
Wenn ich etwas zu viel vom Horn weg nehme, etwas, das zum Huf gehört und eine Funktion hat, nenne ich das -1. Und so versuche ich nie ausschneiden.
Wenn ich auf Nieveau Null arbeite, nehme ich nur weg, was gewachsen ist, zum Beispiel durch Beschlag. Beim Beschlagen arbeite ich auf Niveau Null.
Und beim Barhuf, wenn das Pferd eine entfindliche Sohle hat, spiele ich mit +1, +2, +3… das heißt etwas länger als Niveau Null.
Paschel: Wie erkennen Sie vor der Hufbearbeitung, ob eine Sohle empfindlich ist?
Anz: Es ist mehr das Wissen aus Erfahrung zu sagen, wo die funktionelle Sohle empfindlich ist. Es besteht auch die Möglichkeit, die Sohle mit verschiedenen Werkzeugen zu pressen, um zu schätzen, wie dick sie ist. Es gibt, wie man mir sagte, eine exakte Methode, die Dicke der Sohle zu bestimmen, die ich leider nicht kenne.
Strasser: Wie ich in meinen Büchern mit Bildern erklärt habe, gehen wir von den Proportionen des Hufbeines aus, das ja die Grundlage für die äußere Hufform darstellt. Wie seit Jahrhunderten bekannt ist, bildet das Vorderhufbein eine 45°-Kontur, das Hinterhufbein eine ca.55°-Kontur. Demnach muss auch der äußere Huf solche Konturen aufweisen, wenn es eine stabile Aufhängung im Innern geben soll. Das der Kronrand aller Huftiere 30° in der Seitenansicht aufweist, habe ich aus hunderten von Messungen an lebenden , frisch gefangenen Wildpferdehufen – teilweise zusammen mit Jamie Jackson, teils mit meinen Partnern in Amerika während des Einfangens von wilden Mustangs in den Rocky Mountains – an Pferden und Eseln im Orient, die zu Arbeiten benutzt werden und täglich auf steinigen Straßen herumlaufen, ohne dass sich jemand um ihre Hufe kümmern würde, an Fotos von freilebenden Zebras und Eseln, an freilebenden Rindern, Elchen, Wildschweinen sowie Wanderschafen studiert und habe in meiner langjährigen Praxis der Korrektur angeblich unheilbarer Hufe bemerkt, dass wirklich der 30° Kronrandwinkel ein Garant für ein bodenparalleles Hufbein ist. Geringe Abweichung gibt es bei sehr großen Kaltblütern, bei denen der Kronrand bis zu 3° flacher sein kann, z.B. beim Shirehorse.
Da die Hufbeinhöhe sich bei allen Rassen fast gleich darstellt, gilt auch für alle Rassen eine Ballenhöhe von ca. 3 bis 3,5 cm vom Haaransatz oberhalb des Ballenhornes. Aus diesen Parametern erhält man die äußere Hufform. Das Sohlenprofil ist nicht weniger wichtig für den Komfort des Pferdes: Am Längsschnitt durch einen Kadaverhuf wird sichtbar, dass beim bodenparallelen Hufbein der Ansatz der tiefen Beugesehne immer senkrecht unter dem Ende des Haaransatzes an der Zehenkontur liegt. Der Ansatz der tiefen Beugesehne wird von der Strahllederhaut überdeckt, die das Strahlhorn produziert. Deshalb wissen wir, dass unterhalb des Saumbandes die Strahlspitze liegt. Von der Seitenansicht muss man sich das beidseitig am Huf markieren, damit man bei der Sohlenansicht entsprechend die Stelle für die Strahlspitze findet. Und wir wissen vom Studium der Hufbeine, dass das Gewölbe des Knochens den höchsten Punkt eben vor der Strahllederhaut hat. Also muss nach dem Finden der Strahlspitze direkt davor das Gewölbe in der gleichen Tiefe ausgeschnitten werden, wie es im Knochen ist: vorn 1 cm, hinten 1,5 cm, wobei das bei sehr harthufigen Rassen bis zu 5 mm mehr sein kann. Aber mit 1 und 1,5 cm ist man bei allen Pferden im sicheren Bereich. Aus den leeren Hufkapseln wissen wir, dass die Eckstreben in einem schmalen Bereich zwischen Strahl und Sohlenlederhaut – dem Strahlkronwulst – bis zur Hälfte der Strahllänge gebildet werden.
Und wir wissen von unserem Eimermodell und von der Tatsache, dass sich Hufe bei starkem Aufprall um bis zu 4mm zu jeder Seite bewegen und deshalb muss die Oberkante der Eckstrebe genügend Spielraum für ein entsprechendes Abflachen geben, was leicht mit dem Satz des Pythagoras ausgerechnet werden kann. Entsprechend schneiden wir die Eckstrebe so zu, dass sie einesteils Stütze für die Trachten ist und andererseits das Abflachen des Hufes nicht stört. Wer den Film „Hoof Study“ aus dem Institut von Prof. Chris Pollitt (Queensland University, Australien) gesehen hat, den alle meine Hufschüler weltweit studiert haben, weiß, ohne selbst Versuche mit Hufumrissen gemacht zu haben, dass es eine deutliche „Longitudinaldehnung“ – in Deutsch Längsdehnung – des Hufes gibt, die bei optimaler Hufform ca. die gleiche Größe hat wie die Querdehnung. Die Längsdehnung wird in meiner Power Point Präsentation für den Grundkurs am toten Huf unter der Presse gezeigt. Das ist eines meiner Argumente gegen Hufbeschlag und auch gegen temporären Hufschutz. Wenn man sich an diese Proportionen hält, wird das Sohlenhorn (sofern es nicht schon vorher zu dünn war wegen steiler Hufbeinstellung) nicht zu dünn. Dabei ist festzustellen, daß nicht nur die Dicke der Hornsohle, sondern eine vorhandene Entzündung der Sohlenlederhaut für Empfindlichkeit verantwortlich ist. Hinzu kommt der Charakter des Hufes (Härte) bei unterschiedlichen Rassen, die gegenüber unterschiedlichen Böden empfindlich sind oder nicht. Mit der üblichen Zangen- Press-Methode kann man nur feststellen, ob es eine Entzündung im Bereich der Sohlenlederhaut gibt, nicht aber die Dicke des Sohlenhorns bestimmen. Es kommt ja darauf an, wie feucht das Horn in dem Moment ist.
Paschel: Wenn ich mich in die Rolle eines Laien versetze, habe ich jetzt nicht viel verstanden. Zum Glück habe ich schon einige Ihrer Bücher gelesen und hatte eine kompetente Strasser-Hufpflegerin, dass ich zu wissen glaube, wie das in der Praxis aussieht. Sie, Frau Strasser, haben schon viele Pferde behandelt, die zum Schlachter sollten, weil sie wegen der Diagnose Hufrolle als unheilbar galten. Ihre ganzheitliche Hufbearbeitung hat sie gerettet. Was sind die wesentlichen Therapiemaßnahmen in solchen Fällen?
Strasser: Wie ich soeben beschrieben habe, wird die Ursache für das Problem, zu lange Eckstreben, die das arterielle Blut vor dem Eintritt in das Hufbein abklemmen und es demnach für Rückstau bis in die Seitenarterien zum Strahlbein sorgt, durch Herstellen einer korrekten Hufform beseitigt. Da es durch den Druck der Eckstreben auch auf die darüber liegenden Geweben zu flächigen Entzündungen gekommen war, halten die Schmerzen noch einige Tage an und vor Allem ist der Stoffwechsel in den entzündeten Geweben natürlich erhöht. Stoffwechsel in der Lederhaut heißt: Zellteilung zur Hornproduktion. Das bedeutet, in den entzündeten Bereichen wächst nach der Hufbearbeitung das Horn viel schneller als im übrigen Hufbereich. Deshalb muss innerhalb weniger Tage immer wieder das zu schnell gewachsene Horn entfernt werden, so lange, bis die Entzündung abgeklungen ist, was an einem harmonischen Hornwachstum zu erkennen ist. Sofern das Hufbein durch menschengemachte – evtl. auch zu sehr eingeschränkter Lebensraum – Fehlstellung noch nicht stark abgebaut ist und die Aufhängung in den Lamellen noch einigermaßen intakt ist, kann die Heilung der „Hufrollenerkrankung“ sehr schnell gehen. In dem Buch „Strahlbeinlahmheit“ bin ich ausführlich und mit vielen Beispielen auf diesen Problemkreis eingegangen.
Paschel: Was machen Sie, Herr Anz, bei der tierärztlichen Diagnose Hufrolle – Euthanasie
Anz: Ich bin kein Spezialist für Hufrolle, aber mit meinem Hufbearbeitungskonzept wissen wir, dass Pferde bei dieser Krankheit viel besser laufen, wenn wir den Gelenkspalt erhöhen zwischen 3./2. Phalanx und Strahlbein.
Nachdem ich Dr. Strassers Erklärung interpretiert habe, verstehe ich, dass unsere Möglichkeiten, einen Huf zu bearbeiten, unterschiedlich sind. Podologen haben nicht die Möglichkeit, einen Huf innerlich zu sehen, wenn sie ihn beschneiden, aber wir können lernen, alle Informationen, die außerhalb des Hufes existieren, zu verstehen und das auf dem Hintergrund, was die Natur unter idealen Bedingungen tun würde. Vergessen wir nicht, dass die Hufe der meisten Pferde – Freizeitpferde und Sport -, krank werden, weil sie nicht artgerecht gehalten werden, und dass ein kranker Huf durch eine Veränderung der Haltung geheilt werden muss, begleitet von einer qualifizierten Hufbearbeitung. Die Bedürfnisse des Pferdes haben Vorrang vor den Wünschen des Menschen.
Paschel: Mit diesem Statement von Ihnen, Herr Anz, würde ich gern das Interview beenden und mich bei Ihnen Beiden bedanken für Ihre Bereitschaft zu einem Austausch Ihrer z. Teil unterschiedlichen Sichtweisen. Ich kann für mich sagen, dass ich wieder etwas dazu gelernt habe und würde gern dieses Gespräch noch weiter führen zu gegebener Zeit.
Aus dem Gespräch nehme ich mit, dass die Grundlage der Podologie nur eine fundierte tiermedizinische Wissenschaft sein kann.
Können sie mir da zustimmen oder das ergänzen?
Anz: Persönlich denke ich, dass es nicht notwendig ist, wissenschaftliche Kenntnisse zu haben, um einen Huf richtig zu bearbeiten. Wichtig ist zu wissen, wie das Pferd lebt und noch wichtiger ist, dass man von Außen lesen kann, was im Fuß vorhanden ist. Dies kann jeder lernen und das ist, was wir wirklich brauchen.
Strasser: Das A und O der Hufbearbeitung ist die Kenntnis über die Statik der Gliedmaßen, die Möglichkeiten der beteiligten Gewebe und das Wissen um die Proportionen eines Hufes. Je mehr freie Bewegung auf festem Untergrund ein Pferd hat, umso weniger Schäden werden entstehen, sofern der Huf nicht mittels künstlichem „Schutz“ in seiner physiologischen Bewegung behindert wird. Außerdem ist wichtig, daß man die Rasseeigenschaften der Hufe in Zusammenhang mit dem zur Verfügung stehenden Untergrund betrachtet.
Paschel: Liebe Frau Strasser, vielen Dank für Ihre detaillierten Ausführungen, die den Laien vielleicht etwas überfordern, aber für Pferdehalter um so interessanter sein sollten.
Ihnen Herr Anz, danke ich besonders deshalb für dieses Interview, weil wir es leider in Deutsch führen mussten, wodurch Sie als Argentinier etwas im Nachteil waren, wenn es um fachliche Details ging.
Ich hoffe aber, dass wir weiter im Gespräch bleiben können, Als Diplomsportlehrer und ehemaliger Leistungssportler ist mir körperliche Arbeit sehr vertraut und ich muss immer wieder feststellen, egal ob Hufschmied oder Hufpfleger, Ihre Arbeit ist sehr anspruchsvoll und wird zu oft nicht genügend gewürdigt aus meiner Sicht.