Berlin, Deutschland (Weltexpress). Kiels Trainer Tim Walter wirkte in der Pressekonferenz nach dem Spiel noch „angefressen“. Seit dem Schlusspfiff war über eine halbe Stunde vergangen, zu kurz, um den Emotionslevel wieder ganz runter zu fahren. Eine harmlose Frage über die Auswechselung eines Spielers, bügelte er ab mit der Bemerkung, „das kannst Du entscheiden.“ Die Frage galt dem Kieler Spieler Kingsley Schindler. Er wurde in der 9. Minute für Mathias Honsak eingewechselt. Honsak hatte sich bei einem Zweikampf verletzt und konnte nicht weiterspielen. Schindler wurde in der 65. Minute durch Masaya Okugawa wieder ersetzt. Was der Journalist selbst entscheiden sollte, war die Nachfrage, ob sportliche oder gesundheitliche Gründe den Ausschlag gegeben haben, Schindler wieder aus dem Spiel zu nehmen.
Die Kieler hatten das Spiel beim 1. FC Union unglücklich verloren. Bis zur 90. Minute stand es torlos und alle Beteiligten hatten sich mit dem Ergebnis abgefunden, da stocherte Grischa Prömel den Ball doch noch über die Linie. Die Kieler bekamen den Ball nicht weg, dann wurde Foul gespielt, der Schiedsrichter wollte schon pfeifen, es wäre ein Foulstrafstoß geworden, da fiel das Tor. Prömel schaltete am schnellsten. Wer so gewinnt, gewinnt glücklich. „Heute hat nicht das bessere Team, sondern das glücklichere gewonnen“, so sah es Kiels Trainer. Urs Fischer, dagegen sprach von einem, vor allem aufgrund der zweiten Halbzeit, verdienten Sieg. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
In der ersten Halbzeit hatten die Gäste mehr vom Spiel. Nur gelang ihnen kein Treffer, in der 17. Minute durch Jae Sung Lee und in der 27. Minute durch Kingsley Schindler hätte es passieren können. Die Eisernen kamen erst in der 44. Minute zu ihrer ersten hundertprozentigen Torchance. Das Bild wandelte sich mit Beginn der zweiten Hälfte. Union verstärkte die Angriffsbemühungen und in der 48. Minute musste Kenneth Kronholm sein ganzes Können aufbieten, um einen Schuss von Akaki Gogia zu entschärfen. Die Nachschuss-Chance versemmelte Simon Hedlund.
In der 76. Minute erhoben sich auch die Sitzplatz-Inhaber. Nach fast siebenmonatiger Verletzungspause konnte Sebastian Polter wieder auf den Platz. Fast wäre ihm gleich mit der ersten Ballberührung der Führungstreffer gelungen. Einen Eckball köpfte er genau in die Arme von Kronholm. In der 81. Minute hätten die Kieler in Führung gehen können. Mit einer Riesentat lenkte Rafal Gikewicz den Schuss von Okugawa um den Pfosten. Nach dem Führungstreffer für die Eisernen war noch nicht Schluss. Nach der Ansage des Führungstreffers durch den Stadionsprecher Christian Arbeit wurde die Nachspielzeit von vier Minuten verkündet. Eine Vorlage von Marcel Hartel auf Sebastian Polter konnte Kronholm im direkten Duell abwehren. Die Abwehr geriet zu kurz und Polter setzte zu einem Fallrückzieher an und hatte Erfolg. Über den verdutzten Torwart hinweg landete der Ball im Tor. Für Kiels Trainer war dieser Treffer nur Makulatur, für Polter und die Fans des 1. FC Union aber ein historischer Moment, der Stoff aus dem später die Legenden entstehen.
Taktik
Urs Fischer wechselte im Vergleich zum Bielefeld-Spiel auf drei Positionen. In der Verteidigung spielte Christopher Lenz für Ken Reichel auf der Position des linken Außenverteidigers. Im Mittelfeld bekamen Robert Zulj und Simon Hedlund den Vorzug gegenüber Felix Kroos und Marcel Hartel. Kiels Trainer nahm einen Wechsel vor, Jonas Meffert rückte für Patrick Herman in die Startelf. Der 1. FC Union spielte zunächst im 4-2-3-1, was in der 27. Minute korrigiert wurde. Der Spielaufbau wurde anschließend im 4-3-3 organisiert. Damit wurde auf die taktische Ausrichtung der Kieler reagiert. Kiels Trainer ließ ein 4-4-2 mit Raute spielen. Die beiden Außenverteidiger Johannes van den Bergh und Jannik Dehm spielten dabei weiter nach vorn gezogen und attackierten Unions Außenstürmer Hedlund und Gogia bereits an der Mittellinie. Zur Absicherung des Zentrums ließ sich der Sechser Jonas Meffert oft zwischen die beiden Innenverteidiger Haucke Finn Wahl und Dominik Schmidt fallen. So gelang es den Eisernen selten, hinter die Abwehr zu kommen. Gegen diese taktische Finesse musste ein Mittel gefunden werden. Grischa Prömel wies nach dem Spiel extra darauf hin. „Kiel spielt ein sehr spezielles System, wir haben uns in der Vorbereitung einige Videosequenzen angesehen, das war nicht leicht, darauf zu reagieren.“
Fazit
Es war ein Spiel am Dienstagabend, dass sehr ausgeglichen war. Beide neutralisierten sich, letztendlich war es ein Glücksmoment auf Seiten der Gastgeber, der das Spiel entschied. Im Spielaufbau liegen beim 1. FC Union eindeutig Reserven. Vor allem Manuel Schmiedebach erwischte nicht seinen besten Tag, leistete sich im Spielaufbau zu viele Fehlpässe (Quote 58%). Der Treffer von Sebastian Polter, für den eine lange Leidenszeit zu Ende ging, war eine hübsche Zugabe. Holstein Kiel war kurz vor einem Punktgewinn und keinesfalls zwei Tore schlechter.
Stimmen zum Spiel
Grischa Prömel (Mittelfeld 1. FC Union Berlin): „Das der Polter reinkommt und gleich so Fallrückzieher-Tor erzielt, ich weiß nicht was der Martin Krüger (Athletik-Trainer) da mit ihm gemacht hat. Es ist natürlich wie ein Märchen für ihn, gleich wieder vor der heimischen Kulisse zu knipsen.“
Sebastian Polter (Stürmer 1. FC Union Berlin): „Ich bin überglücklich, 7 Monate hart gearbeitet für diese 15 Minuten heute. Ein bisschen Wettkampfpraxis hatte ich schon durch das tägliche Training. Der Trainer hat mich beiseite genommen und gefragt, ob ich mir einen Einsatz über 10 Minuten vorstellen kann. Für Sebastian Andersson ist es ganz gut, wenn er bei der momentanen Belastung, die letzten Minuten mal aussetzen kann.“
Tim Walter (Trainer Holstein Kiel): „Es ist einfach Scheisse, in der 90. Minute zu verlieren. Wenn du kein Tor schießt, hat der Gegner eben immer die Möglichkeit noch zu gewinnen.“
Urs Fischer (Trainer 1. FC Union Berlin): „Die erste Halbzeit war ausgeglichen, Kiel hatte mehr Ballbesitz ohne wirkliche Torgefahr. In der 2. Halbzeit waren wir besser, insofern geht der Sieg in Ordnung.“
Spieldaten
2. Fußball-Bundesliga, 7. Spieltag
25.09.2018, 18:30 Uhr
1. FC Union Berlin
Tor: Rafal Gikiewicz Abwehr: Christopher Trimmel; Manuel Friedrich; Florian Hübner; Christopher Lenz Mittelfeld: Manuel Schmiedebach; Grischa Prömel; Robert Zulj; Angriff: Akaki Gogia (ab 86. Julian Ryerson); Sebastian Andersson (ab 76. Sebastian Polter); Simon Hedlund (ab 70. Marcel Hartel)4-3-3
Trainer: Urs Fischer
Holstein Kiel
Tor: Kenneth Kronholm Abwehr: Jannik Dehm; Dominik Schmidt; Hauke Finn Wahl; Johannes van den Bergh Mittelfeld: Jonas Meffert; David Kinsombi; Alexander Mühling (ab 90. Benjamin Girth; Jae Sung Lee; Angriff: Mathias Honsak (ab 9. Kingsley Schindler ab 65. Masaya Okugawa); Janni Luca Serra
4-4-2 mit Raute
Trainer: Tim Walter
Ergebnis: 2:0 (0:0)
Tore:
1:0 (90. Min) Grischa Prömel
2:0 (90.+3 Min) Sebastian Polter
Karten:
gelb 57. min Hauke Finn Wahl (Holstein Kiel)
gelb 67. min Christopher Lenz (1. FC Union Berlin)
Zuschauer: 20.879 im Stadion An der Alten Försterei unter Flutlicht
Schiedsrichter: Benjamin Cortus, Eduard Beitinger, Christian Leicher und Riem Hussein
Wetter: angenehm (15 Grad C), herbstlich