Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). In einer Zeit, in der auf jedem zweiten Balkon ein Monstergrill steht und die Prospekte der Discounter uns mit grellbunten Fotos eingelegter Fleischfladen zu Schleuderpreisen bedrängen, ist es wohltuend, wenn es noch Institutionen gibt, die uns aufzeigen, dass Essen im Freien keine Barbarei sein muss. Das Frankfurter Museum Angewandte Kunst (MAK) tut dies derzeit mit der ebenso verdienstvollen wie amüsanten Ausstellung „Picknick-Zeit“.
Damit beschäftigt sich erstmals eine große Ausstellung umfassend mit dem Phänomen Picknick. Vom 6. Mai bis 17. September 2017 folgt die Schau der Faszination des Speisens unter freiem Himmel quer durch verschiedene Zeiten und Kulturkreise. Der England gewidmete Ausstellungsraum zeigt gleich die Extreme auf: Äußerste Verfeinerung beim Freiluftdinieren etwa in den Pausen der Opernaufführungen in Glyndebourne oder in der Raffinesse der in der Ausstellung gezeigten Picknickkörbe: Wundervoll dekorierte japanische Lack-Picknicksets aus der Zeit um 19OO aus dem Victoria und Albert Museum in London etwa weisen auf ihre Verwendung durch eine hochentwickelte höfische Gesellschaft hin. Elegant-stabile Lederkoffer der Firma Louis Vuitton wurden in Frankreich für Auto- und Motorradfahrten ins Grüne entwickelt, luxuriöse Picknick-Körbe von Fortnum & Mason lassen mit Porzellangeschirr, Silberbesteck und mundgeblasenen Champagnerflöten keine Wünsche offen. Bizarr dann die Tatsache, dass englische Touristen – ausgestattet mit Schlemmerkörben des gleichen Warenhauses – sich am Rande der Schlachtfelder des Krimkrieges genussvoll zum Gaffen niederlassen.
Aber die Ausstellung bleibt nicht eurozentristisch. Auch auf ungewöhnliche Aspekte der Picknick-Kultur wirft die Ausstellung einen Blick, so etwa auf den Dia de los Muertos, den Totentag in Mexiko, bei dem mit den Ahnen ein mehrtägiges Fest gefeiert und auf den Friedhöfen gepicknickt wird. Weitere Aspekte sind Picknick-Formen „a la Turka“, in Indien oder zum Kirschblütenfest in Japan. Historische Formen dokumentieren sich im Zusammenhang mit höfischer Jagd und – das darf in Frankfurt nicht fehlen – dem hiesigen Volksfest „Wäldchestag“, das Hasselhorst in einem herrlichen Gemälde eingefangen hat.
Zur Ausstellung erscheint ein sehr lesenswerter Katalog von 396 Selten mit 400 Abbildungen. Beiträge von international renommierten Fachleuten erörtern und vertiefen die zahlreichen Themen der facettenreichen Ausstellung. Der Katalog ist im Museum zum Preis von 29 Euro erhältlich, im Buchhandel kostet er 32 Euro.
Daneben gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, u.a. ein Picknick a la Glyndebourne im Park des Museums mit einer Ausstrahlung der „Traviata“ – das Wetter wird hoffentlich nicht allzu englisch sein.