Bude zu. Der farbige Mann darf das Lokal nicht betreten. “Deutschland den Deutschen, Afrika den Affen.“, grölt ein Gast vor einer Kneipe. Ahnte er, dass Günther Wallraff vor ihm steht, würde er ihn einlassen. Nicht, weil er den Autor und Journalisten kennte, sondern weil Wallraff weiß ist. Wie schon für seine aufsehenerregende Dokumentation “Ganz unten” schlüpft Wallraff in “Schwarz auf Weiß” in die Rolle eines Emigranten. Statt als türkischer Gastarbeiter wie in “Ganz unten” tritt er von Maskenbildnern geschminkt als dunkelhäutiger Deutscher `Kwami Ogonno’ auf. Die Szenen, welche die versteckte Kamera aufnimmt, sind beschämend. Du nicht. Geh weg. Du kannst hier nicht rein. So einen wollen wir hier nicht. Ganz schwarz, ganz schlimm. Im Wanderverein klammert sich ein älterer Herr neben `Kwamí¬ ´“zur Vorsichtsmaßnahme” an seinen Regenschirm, ins Café gehen wollen die Wanderer mit dem Schwarzen nicht. In Kneipen will man ihn nicht einlassen, als er einer Frau Blumen schenkt, kommt es beinah zur Schlägerei – rausgeworfen wird der vermeintlich Schwarze. Tür zu, Ende, sagt ihm der Kneipenwirt. Vermieterin und Hundetrainer verlangen horrende Sondergebühren, frei sei sowieso nichts. Auf dem Amt verweigert man ihm die Auskunft und droht mit Polizei. Die Hautfarbe wird zum Verbrechen. Bei der hellhäutigen Kollegin Wallraffs von all dem keine Spur. Im Zug voll pöbelnder Fußballfans verhindert nur die Polizei Gewalttätigkeiten gegen den farbig Geschminkten. Wo nicht blanke Aggression herrscht, wird der `Neger’ herablassend behandelt. “Die können kein Deutsch.”, behauptet ein Campingplatzbetreiber, der den Dunkelhäutigen nicht zwischen `den weißen’ Wohnwagenbesitzern will. Automatisch nimmt er an, die schweigenden Frauen, welche als Wallraffs Verwandte posieren, verstünden nichts. In fließendem Deutsch sprechen sie später von den Diskriminierungen, denen sie Tag für Tag ausgesetzt sind.
Als Enthüllungsjournalist wurde Wallraff bekannt. Doch “Schwarz auf Weiß” deckt ein offenes Geheimnis auf. Man muss nicht bis in die ostdeutsche Provinz reisen, um Fremdenfeindlichkeit der Bundesbürger zu erleben. Redewendungen und Kinderlieder vermitteln sie früh. Zehn kleine Negerlein, getürkt, Kümmeltürke – das sagt man eben mal so. Viele der uneingeweihten Filmprotagonisten betrachten sich wahrscheinlich nicht als Rassisten. Ihre Empfindsamkeit für rechtes Gedankengut ist gänzlich abgestumpft. In Nordrhein-Westfahlen stößt Wallraff auf Diskriminierung wie in Sachsen-Anhalt und Berlin. Einmal wird der angebliche Schwarze zuvorkommen behandelt: als er in einer Boutique eine 15.000 Euro teure Uhr kauft. Die Farbe des Geldes ist überall gerngesehen. “Schwarz auf Weiß” bebildert mit schonungsloser Sachlichkeit Ausländerfeindlichkeit als Alltagsphänomen. Selbst die vermeintlich positiven Reaktionen einzelner Bürger erscheinen durch ihre Umstände in einem negativen Licht. Ein dunkelhäutiger Deutscher, der Wallraff zu einem Bewerbungsgespräch begleitet, beschreibt das Verhalten des Vorgesetzten als außergewöhnliche Freundlichkeit. Dabei wurde ihm und dem maskierten Wallraff lediglich gewöhnliche Achtung entgegengebracht, keineswegs besonderes Zuvorkommen. Selbst dieses Minimum an Höflichkeit empfindet der dunkelhäutige Interviewte als bemerkenswertes Entgegenkommen, so gewöhnlich ist die Diskriminierung für ihn geworden.
“Schwarz auf weiß” ist ein präziser, kurzer Film. Wallraff hätte ihn länger, quälender, noch drastischer machen können. Gedrehtes Material gab es genug. Borniertheit, Ignoranz, Hass – man fühlt sich schäbig nach den Widerwärtigkeiten, welche der Film dokumentiert. Der Dreh war fordernd, seelisch und physisch. Ein niederschmetterndes Fazit, daß es dies bedeutet, Nicht Weiß in Deutschland zu sein. Günther Wallraff scheint erleichtert, sich am Ende die Schminke abwaschen zu können. Der braune Dreck lässt sich nicht einfach fortspülen. Weg muss er dennoch.
Titel: Schwarz auf Weiß
Deutschland 2009
Genre: Dokumentarfilm
Start: 22. Oktober
Regie: Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger
Konzept: Günther Wallraff, Pagonis Pagonakis
Verleih: X Verleih