„Hanseblick“ wieder am Sund – Flaggschiff der Weißen Flotte Stralsund kehrte nach fünf Jahren heim

MS HANSEBLICK auf dem Mittellandkanal in der Autostadt Wolfsburg. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Stralsund, Wolfsburg, Deutschland (Weltexpress). Elf Jahre ist es bereits her, dass NDR-Moderatorin Sybille Rothe am Abend des 15. Mai 2009 die traditionelle Sektflasche gegen den Rumpf des 1,5 Millionen Euro teuren Neubaus schleuderte.

Das 37 Meter lange Aqua-Cabrio – ausgelegt für 160 Passagiere, vollklimatisiert, behindertengerecht und angetrieben von zwei 360-PS-Dieseln – wurde auf der Bolle-Werft im sächsisch-anhaltinischen Neu-Derben nahe der Elbe gebaut. Für Berliner Reedereien entstanden dort bereits ähnliche Schiffe, die jedoch nicht die Zulassung für Küstengewässer haben.

Taufe von MS HANSEBLICK am Hansekai in Stralsund. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Das Flaggschiff der Weißen Flotte Stralsund wurde damit auf den Namen „Hanseblick“ getauft. Das Besondere daran ist das Oberdeck, dessen Glasdach bei schönem Wetter aufgeschoben werden kann. Ein Oben-ohne-Cabrio-Schiff also. Bundesweit das erste, das auch in den manchmal recht ruppigen küstennahen Boddengewässern zugelassen ist.

Peter Hick, Intendant der Rügener Störtebeker-Festspiele, schickte damals aus Ralswiek zwei Koggen als Eskorte zum Hansekai, an dem die Taufe vor laufenden Fernsehkameras neben der „Gorch Fock“ (I) stattfand. Höhepunkt der Show: ein Feuerwerk, das ebenfalls von Hick gesponsert wurde. Anschließend schipperte die „Hanseblick“ mit geladenen Gästen über den nächtlichen Sund. Dem Sternenhimmel sehr nahe.

MS Hanseblick vor der Speicherkulisse der Hansestadt Stralsund. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Name durch Leserwettbewerb

Der beliebten NDR-Sendung „Hanseblick“ wurde damit ein schwimmendes Denkmal gesetzt. „Die Historie der Hansestadt sowie eine neue Dimension des Sehens sind auf diesem Schiff hervorragend vereint“, betonte der damalige Reederei-Geschäftsführer Jörg Lettau, „beides passt gut zusammen“. Ein Leserwettbewerb der „Ostsee-Zeitung“ ging der Namenswahl voraus. Zeitgleich wie die „Hanseblick“ wurde übrigens „Mein Schiff 1“ von TUI Cruises in Hamburg von der NDR-Moderatorin Ina Müller getauft.

Mit an Bord dabei war das bewährte NDR-„Hanseblick“-Team um Elke Bendien und Sybille Rothe. Am Pfingstsonntag , dem 31. Mai 2009, wurde der Film über die Fahrt von der Werft zum Sund von 19 bis 20 Uhr ausgestrahlt.

MS HANSEBLICK zwischen den Leuchtfeuern der Nordfhafen-Einfahrt in Stralsund. © 2020, Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Mehrmals täglich legte seitdem das Flaggschiff ab zu Hafen- und Charterrundfahrten sowie im Fährverkehr nach Altefähr/Rügen. Mit der Eröffnung des Ozeaneums“, so der heutige Geschäftsführer Knut Schäfer damals, „hat das Interesse an Rundfahrten stark zugenommen. ´Hanseblick` ist eine ideale Ergänzung zum richtigen Zeitpunkt“.

MS HANSEBLICK am Anleger der Autostadt in Wolfsburg am Mittellandkanal. © 2020, Foto: privat, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Pendelverkehr in der Autostadt

Nach fünf Jahren Sund- und Bodden-Einsatz hatte sich die Anziehungskraft des innovativen Wassergefährts leicht abgeschwächt, so dass man nach neuen Möglichkeiten suchte. Die ergaben sich in Wolfsburg. Dort hatte eine brandenburgische Reederei mit ihrem Rundfahrtschiff „Havelberg“ ein Bein in der Tür bei Volkswagen. Den Besuchern der Autostadt wurden neben einer Besichtigung auch Rundfahrten auf dem Mittellandkanal angeboten. Doch der „Havelberg“-Reeder witterte in der Bundesgartenschau ein größeres Geschäft. Die Weiße Flotte bewarb sich und bekam den Zuschlag. Zunächst für die „Altefähr“ und „Bültenkieker“, nach deren Abzug die „Hanseblick“ eingechartert wurde.

Bis zu sechs Mal täglich pendelte MS „Hanseblick“ fortan zwischen der Autostadt bis zur Mittellandkanal-Schleuse Sülfeld im Westen sowie Rühen und Fallersleben im Osten. Fahrradmitnahme für die individuelle Rückfahrt war möglich. Bis zum 31. Oktober wurden diese Touren angeboten. Die führten auch immer vorbei an den Produktionshallen des Volkswagen Werks und der Volkswagen-Arena des Bundesligisten VfB Wolfsburg.

MS HANSEBLICK auf dem Wasserstraßenkreuz Rothensee bei der Fahrt über die Elbe. © 2020, Foto: privat, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Bis Corona kam und der Auslastung des Schiffes einen Strich durch die Rechnung machte. Wegen der Abstandsregeln konnten nur sehr viel weniger Gäste mitfahren. Daher entschloss man sich, das Schiff zum Überwintern an den Sund zu holen. Reparatur- und Überholungsarbeiten können so von dem Stralsunder Technik-Mitarbeitern effizienter und preiswerter ausgeführt werden.

MS HANSEBLICK im Schiffshebewerk Niederfinow. © 2020, Foto: privat, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Zwischen Hell und Dunkel

Vergangene Woche warfen daher die beiden Kapitäne Rober und sein Bruder Mirko Sauer in Wolfsburg die Leinen los zur langen Überführungsreise via Mittellandkanal, Elbe-Havel-, Oder-Havel-Kanal mit Schiffshebewerk Niederfinow, Westoder, Oder-Haff, Peenestrom, Greifswalder Bodden und Strelasund zur Steinernen Fischbrücke im Stralsunder Nordhafen. Nach langen Tagesetappen zwischen Hell und Dunkel – mit Radar konnte man nicht fahren, weil der Mast vorher wegen zu niedriger Brücken abgebaut werden musste – wurde zum Essen und für Hotel-Übernachtungen in Genthin, Berlin-Spandau, Schwedt und Wolgast angelegt. Eine abwechslungsreiche Strecke von über 500 Kilometern lag hinter ihnen.

Auf dem Arbeitsprogramm der Stralsunder Azubi-Crew um Ausbilder und „Altefähr“-Schiffsführer Thomas Meller stand jetzt – mit Kran-Unterstützung – der Radarmast, den die Jungs wieder aufrichten mussten. Dann schließlich wird MS „Hanseblick“ von ihnen winterfest gemacht für die nächste Saison, voraussichtlich ab Ostern 2021.

Die beiden Kapitäne Rober und Mirko indes verabschiedeten sich in den wohlverdienten Urlaub. Mit einem gewissen Stolz, denn, so die beiden: „Unsere ganze Familie arbeitet bei der Weißen Flotte. Vater Holger schon seit 45 Jahren im Unternehmen, und jetzt zehn Jahre als Kapitän des MS „Insel Hiddensee“.

MS Hanseblick 01 Mirko und Rober Sauer (r) an Bord der HANSEBLICK. © 2020, Foto: privat, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Infos:

MS „Hanseblick“; Typ: Cabrio-Fahrgastschiff; Bauwerft: Bolle, Neu-Derben;Baujahr: 2009; Länge: 37,50 m; Breite: 6,50 m; Tiefgang: 1,20 m; Antrieb: 2 x IVECO-Diesel à 360 PS; 2 Festpropeller; Geschwindigkeit (max.): 12 kn; Passagiere: 160 (max.); Reederei: Weiße Flotte GmbH, Stralsund, Tochter der Flensburger Förde Reederei Seetouristik (FRS); Flagge: Deutschland; Heimathafen Stralsund.

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