Ebenso können durch den Placeboeffekt Wirkungen gemindert oder aufgehoben und Nebenwirkungen produziert werden. Das Gleiche gilt für andere medizinische Maßnahmen wie zum Beispiel Operationen, wo alleine durch den Glauben Wirkungen oder auch negative Nebenwirkungen erzielt werden. Das ist in vielen Studien und Experimenten nachgewiesen, die naturgemäß nicht in das Weltbild von ausschließlich somatisch, mechanistisch und naturwissenschaftlich denkenden Menschen, Patienten, Ärzten und einer von dieser Sichtweise profitierenden Medizinindustrie passen. Die Interessen sind einer der Gesichtspunkte und Perspektiven, die die Weltanschauung prägen. Wegen der Wirkung des Placebos muss also mit allen Mitteln auf den Glauben an das Heilmittel eingewirkt werden.
Im „Bermuda-Dreieck“ -Patient, Angehörige und Arzt oder Ärztin- hängt die Wirkung von diesen drei Eckpfeilern und der Beziehung untereinander ab. Der Patient muss selber an die Wirkung glauben, ansonsten ist die Wirkung verändert, vermindert oder aufgehoben. Den Glauben könnte man auch als Autosuggestion bezeichnen. Die Angehörigen müssen an die Wirkung glauben, sonst wirken sie so auf den Patienten ein, dass die Wirkung gesteigert, vermindert, aufgehoben oder sogar eine negative Wirkung erzielt wird. Auch der Arzt mit seiner Erfahrung muss von der Wirkung überzeugt sein. Zweifelt er oder ist sogar von der Wirkungslosigkeit und dem Schaden überzeugt, überträgt sich dies suggestiv auf den Patienten. Michael Balint sprach von der Droge Arzt. Zunehmend in den letzten Jahren und Jahrzehnten kommen mächtige Partner hinzu, die auf den Glauben des Patienten einwirken, nämlich die Institutionen, das Internet und die Foren, die Wissenschaft und die Industrie.
Fangen wir zuerst mit der Industrie an, dem inzwischen einflussreichsten Behandlungspartner: die Pharma- und die Medizintechnikindustrie. Diese sind am weitesten vom Patienten entfernt und demzufolge wenig in die Erkrankungen mitfühlend einbezogen, leiden wenig wie die Angehörigen oder mancher Arzt mit. Im Gegenteil, sie prosperiert an allen Erkrankungen, indem sie Medikamente und Medizintechnik verkaufen kann. Durch diese Ferne kann sie am ehesten ihre Interessen verfolgen. Diese sind hauptsächlich finanzielle Interessen, der Profit, die Gewinnmaximierung der Konzerne, der Manager und Aktionäre. Auch hängen von ihrem Wohlergehen und der Erkrankung der Patienten Arbeitsplätze ab. Infolgedessen müssen sie mit allen Mitteln auf den Glauben der Patienten, der Angehörigen und der Ärzte einwirken und sich dort beliebt machen. Der Patient wünscht sich Sicherheit und muss Vertrauen haben. Beides stärkt die Selbstheilungskräfte und vermittelt den Heilungserfolg. Die Entfernung vom Patienten spielt auch bei der Honorierung der Ärzteschaft eine ausschlaggebende Rolle. Je weniger der Arzt direkt mit dem Patienten zu tun hat und je mehr er technische Mittel einsetzt, desto mehr verdient er, wie die Radiologen und Laborärzte.
Auf dem Wege, dem Patienten sein Wohlergehen zu suggerieren, sind der Industrie mannigfaltige Mittel eingefallen. Der Fernsehzuschauer wird jeden Abend mit Werbespots für Arzneien genervt. Teilweise werden Uraltpräparate, die schon lange in der Versenkung verschwundene waren, wieder frisch intensiv als Allheilmittel beworben. Der potentielle, ahnungslose und händeringend nach Heilung suchende Patient soll von ihrer Wirkung überzeugt werden. Eine andere Masche ist, Selbsthilfegruppen ins Leben zu rufen und diese zu beraten. In Wartezimmern der Ärzte werden Hochglanzbroschüren ausgelegt, die aber zu 90% keiner kritischen, unvoreingenommen wissenschaftlichen, das heißt nicht von der Industrie gesponserten Prüfung standhalten, wohl wissend, dass der Glaube auch hilft.
Eine andere Masche sind die Krankheitserfindungen wie beispielsweise das ADHS (das Aufmerksamkeits-Defizit-Hypermobilität-Syndrom), das früher als Zappelphilipp zwar lästig war, aber nicht als Krankheit angesehen wurde. In der von der Industrie beeinflussten Wissenschaft gilt es inzwischen als Anlagedefekt, so dass Eltern aus dem Schneider sind und keine Schuldgefühle zu haben brauchen, etwas in ihrer Erziehung falsch gemacht zu haben. Die Umsätze von Medikamenten wie Ritalin sind in den letzten Jahren um hunderte von Prozent angestiegen. Wegen der chemischen Nähe zu Kokain werden die Kinder zu Junkies erzogen und an die spätere Medikamenteneinnahme und das weitere Wohlergehen der Industrie gewöhnt. Durch dieses Vorgehen unterbleibt allerdings eine Einflussnahme auf die Eltern, mit ihren Kindern gelassener umzugehen und ihnen mehr eine anerkennende Aufmerksamkeit zu schenken. In einer schnelllebigen Zeit würde das ja auch Zeit und eine Umstellung im Erziehungsstil erfordern.
Ein weiteres Mittel ist, die Normwerte so niedrig anzusetzen, dass ein großer Teil der Bevölkerung als Kranke angesehen werden kann, etwa beim Cholesterin, den Blutfetten oder dem Blutdruck. Das Cholesterin soll nicht über 200 und der Blutdruck nicht über ca.135/85 mm Hg sein. Die frühere Regel 100 plus Lebensalter wurde ausser Kraft gesetzt. Etwa bei einem 70 Jährigen hätte man äusserst selten Blutdruck senkende Medikamente verschreiben können. Beim chronischen hohen Blutdruck galt sogar früher eine zu starke Senkung auf die Normwerte als gefährlich. Bei erhöhtem Cholesterin können sogar die Nebenwirkungen stärker sein als die Gewinne aus der Cholesterinsenkung. Dann werden von besorgten Ärzten Medikamente gegeben und von besorgten Patienten eingenommen, wobei allein die Angst und Sorge schon den Blutdruck steigern und auf den Cholesterinspiegel einwirken können, obwohl nach Studien die Lebenserwartung mit oder ohne Medikamente sich kaum unterscheidet.
Beim vorzeitigen Tod spielen wahrscheinlich ganz andere Faktoren eine gewichtigere Rolle. Den Ärzten kann diese Einflussnahme von Wissenschaft und Industrie nur recht sein, denn dadurch können sie ihre Patienten bei der Stange halten, und haben es leicht, etwas greifbares zu messen, dass nicht viel Zeit erfordert im Gegensatz zum sonst oft unkalkulierbaren Krankheitsgeschehen. Außerdem leiden sie bei den Laborwerten und dem Blutdruck gefühlsmäßig nicht mit ihren Patienten, was ihre Praxis entspannter gestalten lässt und ihrer Psychohygiene hilft.
Dadurch kommen wir auf die Einflussnahme der Industrie auf die Ärzte. Als Vermittler der Behandlungsmaßnahmen sind die Ärzte für die Industrie besonders interessant. Die Ärzte werden zu von der Industrie gesponserten Kongressen eingeladen, werden von so genannten Pharmareferenten aufgesucht, die sie von der Wirkung ihrer jeweiligen Präparate zu überzeugen versuchen und mit Probepackungen versorgen. Wenn nur eines davon verschrieben wird, hat die Industrie schon gewonnen. Fachzeitschriften leben von den Anzeigen, die ihren jeweiligen Placeboeffekt erfüllen sollen. Ein umstrittenes, wissenschaftlich kaum haltbares Verfahren sind die Anwendungsbeobachtungen, wobei die Ärzte bestimmte Arzneien verschreiben und für das Aufschreiben ihrer Beobachtungen Geld erhalten. Allein der Gewinn aus dem Verschreiben der Medikamente übersteigt meist weit die Zahlungen.
Die medizinische Wissenschaft findet nicht alleine in Elfenbeinturm statt, um nach ihren wissenschaftseigenen Kriterien zu forschen, sondern auch dort findet eine massive Einflussnahme der Industrie auf so genannte Meinungsführer und Professoren statt. Diese können sich ein Zubrot verdienen. Dies alles dient auch dem Placeboeffekt. Sicher werden die Meinungsführer nicht immer gekauft, aber eine Kumpanei auf Kongressen ist auch schon eine recht wirkungsvolle Einflussnahme. Bestechungen und Korruption spielen wie in allen Bereichen, wo es um viel Geld geht, außerdem eine Rolle. Bei den Studien zur Zulassung eines Medikamentes werden Versuchsreihen geschönt, Nebenwirkungen unterschlagen oder neue Versuchsreihen mit anderen Patienten eingeführt. Vor allem auf dem großen Markt der Psychopharmaka, wo die Wirkung sehr individuell ist und von vielen Faktoren abhängt, ergibt sich ein großer Spielraum zugunsten der Industrie. (Siehe auch die Artikel über die Industrialisierung im Gesundheitswesen und über John Virapen und sein Buch „Nebenwirkung Tod ”¦“.)
Naturwissenschaftlich orientierten Ärzten und der Industrie spielt das naturwissenschaftliche, mechanistische und organische Weltbild von allen Seiten nach dem Motto" wo etwas weh tut, muss etwas kaputt sein" sehr in die Hände. Zur Krankheitsuntersuchung wird geröntgt, im Blut und Urin gepanscht und exakte unwiderlegbare Werte entnommen. Diese Methoden haben sich immer mehr verfeinert wie das MRT, werden immer häufiger angewandt und dadurch wird das Gesundheitswesen immer teurer. In Krankenhäusern, wo die Herzkatheterisierung durchgeführt wird, und in der Radiologie geht es zu wie in einem Taubenschlag.
Knie-, Hüft- und Schultergelenksoperationen gehören ebenfalls in diesen Bereich. Ein befreundeter Orthopäde sprach vom therapeutischen Röntgen. Bei manchen Patienten hilft alleine die Aussage, dass nichts dran ist. Andere fühlen sich nicht ernst genommen. Für sie muss doch etwas dran sein, da es weh tut. Es gibt für organisch orientierte Heiler unangenehme Studien, wobei echte Kniegelenkoperationen und Scheinoperationen durchgeführt, indem nur äußere Schnitte angebracht wurden und den Patienten erzählt wurde, was alles gemacht worden sei (Spülung, Knorpelglättung, Teilmeniscusentfernung), und die Ergebnisse verglichen wurden. Die Ergebnisse waren ziemlich ähnlich. Andererseits kenne ich manchen älteren Langstreckenläufer, der wegen Kniebeschwerden operiert, bei dem ein schwerer Schaden (Arthrose Stadium 4, Knochen auf Knochen ohne schützenden Knorpel) diagnostiziert wurde mit der Voraussage, dass sie nie mehr laufen könnten. Später konnten sie wieder altersgerecht normal laufen.
Die teuren Einrichtungen und Geräte müssen möglichst rund um die Uhr eingesetzt werden. Jeder Patient will wissen, wo er dran ist und erhofft sich dadurch eine Heilung. Der menschliche Geist, die Seele und seine sozialen Beziehungen beim Krankheitsgeschehen bleiben völlig außen vor. Aber auch das Wissen und der Glaube, wo man dran ist und was dann zu tun sei, wodurch Hoffnungen geweckt werden, haben einen Placeboeffekt und somit eine therapeutische Wirkung, es sei denn, die anderen Gründe haben eine stärkere ausschlaggebende Krankheitsverursachung.
Die Medizintechnik muss, um ihre technischen Untersuchungen an den Mann/die Frau zu bringen, den Patienten suggerieren, dass die Krankheitsursachen durch ihre Methoden gefunden werden. Ebenso muss sie suggerieren, dass die Technik auch zur Heilung hilfreich ist. Im Pharmabereich ist im Volksglauben seit Jahrtausenden die Überzeugung verankert, dass Medikamente heilen. Die Pharmabranche muss den Patienten nur beibringen, dass gerade ihre Arzneien nützlich sind. Diese Überzeugung machen sich auch andere alternative Heilungsmethoden zu Nutze wie die Homöopathie oder die Akupunktur.
Da die naturwissenschaftliche Schulmedizin vielen Patienten so sehr entseelt und technisiert erscheint, suchen sie eine Seele etwa bei der Akupunktur in der fernöstlichen Magie oder bei der Homöopathie in einer intensiven Arzt-Patienten-Beziehung und einer giftfreien, nicht-chemischen und natürlichen Welt. Akupunktur wird nach traditionellem chinesischen Wissen gelehrt. Jedoch ist nach Studien die Wirkung bei Behandlern, die diese traditionelle Methode wenig gelernt haben und danach falsche Behandlungspunkte setzen, also nur so tun als ob, ziemlich ähnlich. Aus naturwissenschaftlicher Sicht sind die homöopathischen Dosierungen so sehr verdünnt, dass sie gar nicht wirken können. Helfen wird wahrscheinlich mehr die intensive, ratgebende Arzt-Patienten-Beziehung und der Glaube. Um die Medizin zu beseelen, gibt es auch eine Reihe teils bizarrer esoterischer Behandlungs- und Krankheitserklärungswege. Alle haben ihre Daseinsberechtigung und wollen ihren Profit machen.
Der Placeboeffekt, die Auto- und Fremdsuggestion spielen auch bei der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten eine entscheidende Rolle. Zum Wesen der meisten Krankheiten gehört, dass die Patienten misstrauisch sind, unter Ängsten und Aggressionen stehen, die in der Symptomatik gebunden sind, und deswegen ist für sie eine vertrauensvolle und harmonische Beziehung besonders wichtig. Intensive und aufklärende Gespräche können dieses Vertrauen schaffen. Kann dieses in einer 5-min-Medizin nicht ausreichend hergestellt werden, nehmen ihr Misstrauen und ihre Ängste überhand.
Im Pharmabereich zeigt sich das dann darin, dass die Patienten die Arzneien nicht nehmen und wegwerfen, sobald sie den Beipackzettel mit den vielen möglichen Nebenwirkungen lesen. Diese möglichen Nebenwirkungen erscheinen ihnen wie eine zukünftige Realität, so dass sie Angst davor haben. Da aber auch gravierende Nebenwirkungen ohne und mit Suggestiveffekt tatsächlich auftreten können, müssen die Patienten ihre Medikamente zur Gesunderhaltung wegschmeißen. Als Folge wird etwa die Hälfte aller verkauften Medikamente weggeschmissen. Von beidem profitiert die Pharmaindustrie. Sollten die Patienten nur die Medikamente kaufen, die sie tatsächlich einnehmen, also die Hälfte, würde die Pharmaindustrie zusammen krachen, einem bedeutenden Wirtschaftszweig für die Volkswirtschaft. Also müssen zur Erhaltung der Gesundheit und des Profites der Industrie Medikamente weggeschmissen werden. Insofern haben der Glaube und Placeboeffekt eine oft paradoxe Wirkung.
In den Internetforen begegnen sich vor allem ängstliche Patienten. Durch ihre Aussagen und Erfahrungen wird Misstrauen gesät und der Placeboeffekt an die Besserung und Heilung eher gemindert. Die Institutionen wie die Krankenkassen oder die Rententräger sollten eigentlich ein Auge auf den Nutzen von Behandlungen werfen, verstehen sich aber meist als Vermittler zwischen Patienten und Behandlern und als Bezahler. Die ärztlichen Spitzenverbände und die Politik nehmen meist die Interessen der Industrie wahr, so dass der Erkrankte von ihnen wenig Unterstützung erfährt und sich alleine gelassen fühlen muss. Jemand, der sich alleine gelassen fühlt, muss umso stärkere Erlösungshoffnungen haben, die er dann in den Versprechungen derjenigen, die am lautesten ihre Stimme erheben, nämlich der industriellen Werbung, sucht, aber nur solange wie diese in sein Weltbild passt. Insofern ist der Patient als Kunde König.
Einfache Behandlungsmethoden bei chronischen Erkrankungen wie beim metabolischen Syndrom (Übergewicht, Bewegungsarmut, Diabetes, erhöhte Blutfette und hoher Blutdruck) und vielen anderen Krankheiten wie abwechslungsreiche und kalorienreduzierte Ernährung und Bewegung sind nicht im Sinne der Industrie. Dadurch würden viele Patienten zu gesund, und sie könnte nicht ihre Pillen und Medizintechnik verkaufen. Dem Übergewichtigen kommen die Pillen entgegen. Er braucht sich nicht bewegen, seinen Appetit reduzieren und kann weiter qualmen. Deswegen erfolgt in dieser Weise der Angriff auf die Seelen und deren Glauben.
Trotz der Macht des Glaubens, des Placebos und der Suggestion haben Pillen und Medizintechnik ihren Sinn und ihre Erfolge, oft gerade wegen des Glaubens. Ihren Sinn haben auch die klassischen nichtärztlichen Behandlungsmethoden wie Krankengymnastik, Massage, Bäder und Luftveränderung. Zu unterscheiden wann und wozu, ist für Patienten und Ärzte meist sehr schwierig oder sogar gar nicht möglich. Wegen dieser schwierigen Unterscheidbarkeit werden von allen Seiten anscheinend klare Aussagen in der Naturwissenschaft gesucht. Placebo und Wirkstoff sind in ihrer Wirkung nicht zu trennen, da der Mensch, sein Körper, seine Seele und sein Geist einschließlich der sozialen Beziehungen eine Einheit bilden.
Das Gesundheitswesen und die Energieversorgung, ähnlich wie das Finanzwesen, sind ein derartig kostbares Allgemeingut, dass sie nicht allein den Profitinteressen überlassen bleiben sollten. Den Bankencrash hat die Allgemeinheit zu tragen. Wohin das in katastrophaler Weise führen kann, erleben wir gerade in Japan und schauen gebannt, ob es nicht noch viel schlimmer wird. Infolge der Möglichkeit von Naturkatastrophen, menschlichem Versagen und Profitgier ist auch das geringste Restrisiko bei dieser gefährlichen Technologie unverantwortbar. Ich habe die potentielle Aussage eines Arbeiters im Reaktor im Kopf, der wegen des von ihm verursachten Gaus (1000 mal kontrolliert, dann vielfach geschlampt und nichts passiert ) nach seiner Schlamperei angeklagt wurde „es hieß immer die Atomwerke seien sicher, und jetzt soll es an mir alleine liegen?!“.