Berlin, Deutschland (Weltexpress). Kaum hatte der amerikanische Botschafterin Berlin, Herr Grenell, die für viele Deutsche „frohe Botschaft“ in diesen Tagen in die Berliner und deutsche Wirklichkeit hinaus-trump-etet, taten sich in der Öffentlichkeit Bruchlinien auf. Den einen konnten es nicht genug Soldaten sein, die möglicherweise aus Deutschland abgezogen werden. Andere dachten an ihre Mitgliedschaft in dem einen oder anderen amerikanisch verpflichteten Netzwerk und diese empfanden die Meldung in den Mittagsnachrichten am 9. August bedrohlich. Davon hängt unter Umständen ihre Position und Einflußmöglichkeit in einer Weise ab, die dem Menschen auf der berühmten Straße wenig geläufig ist. Vor allem dann, wenn von der Publizistik über den Literaturbetrieb bis hin zu Wirtschaft und Politik damit auch die freiwillig übernommene Aufgabe zählt, die angelsächsische und vor allem amerikanische Deutung der Geschichte als eigene Erkenntnis auszugeben und dem deutschen Volk gegenüber zu vertreten. Wie sagte es der in Deutschland hoch angesehene ehemalige sowjetische Botschafter, Herr Valentin Falin, in einem Gespräch vor wenigen Jahren? Für ihn war die Geschichte „der letzten zweihundert Jahre eine einzige angelsächsische Lüge“. Eine entsprechende Erkenntnis mag auch bei den Amerikanern um sich greifen.
Anders kann man es kaum erklären, wenn das „Zentral-Ereignis der letzten einhundert Jahre“, die Konferenz von Versailles nach Ende des Ersten Weltkrieges von der Bundesregierung und der gesamten NATO-Mitgliederschaft in diesen Wochen unter den Tisch gekehrt und schamhaft verschwiegen wurde. Es scheint die Erkenntnis zu dämmern, dass die Menschen in einer wachsenden Zahl die offiziell verordneten Geschichtslügen nicht mehr glauben. Es geht kein Weg nach Christopher Clark und Wolfgang Effenberger daran vorbei: ohne Versailles kein Adolf Hitler und ohne Adolf Hitler kein Zweiter Weltkrieg. Offensichtlich hat man auf offizieller Seite eine panische Angst davor, dass die Menschen wieder die Antworten für die Zukunft durch Fragen an die Geschichte erfahren wollen.
Bis tief in den deutschen Literatur-Kommerz hinein führt das dazu, Autoren in fremdenfeindlicher und rassistischer Konsequenz eine Nähe zu Russland zu attestieren. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind in Deutschland hoffähig, wenn es sich gegen Präsident Putin und die Russen richtet. Bei der aktuellen Politik der Bundesregierung wird dieses Bild denjenigen übergestülpt, die sich im Lande selbst auf Recht und Verfassung berufen, weil anders der regierungsseitig anhaltende „fortdauernde Verfassungsbruch“ nach dem ehemaligen Verteidigungsminister, Prof. Dr. Rupert Scholz, nicht durchgezogen werden kann. Es ist der Bundesregierung anzuraten, sich Gedanken über ein herausgehobenes Gedenken an die Konsequenzen des Röhm-Putsches auf den Rechtsstaat Deutschland zu machen.
Diese Dimension tut sich auf, wenn man die Worte des Botschafters Grenell vernimmt. Man kann sich daran erinnern, dass in der Zeit des Kalten Krieges bis zur letzten Champagner-Flasche und Anti-Baby-Pille die Saus-und-Braus-Attitüde der sogenannten Schutzmächte und Verbündeten alles vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden musste. Das, was Herr Botschafter Grenell verlautbaren lässt, erinnert an Besatzungskosten unseligen Angedenkens. Will das die amerikanische Regierung oder glaubt die Trump-Administration, dass dies die genaue Beschreibung der Bundesrepublik Deutschland sei? Wenn einem alles egal ist, dann lässt man so die „politische Sau raus“. Aber, was müssen wir für eine Regierung haben, die das alles sang-und klanglos hinnimmt?
Bald dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung ist es ratsam, sich Gedanken darüber zu machen, warum amerikanische Truppen überhaupt noch in Deutschland sind? In diesen Tagen hat der NATO-Generalsekretär, Herr Stoltenberg, im fernen pazifischen Gebiet, nach internationalen Presseberichten Studenten darauf eine Antwort gegeben. Man habe nach dem Ende des Kalten Krieges für die NATO neue Aufgaben gesucht-und sie offenbar in den völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen auch gefunden- um die lästigen Fragen danach nicht mehr hören zu müssen, warum es eine offensichtlich sinn-und zwecklose NATO überhaupt noch gebe. So falsch ist diese Ansicht nicht, wie der noch im Amt befindliche amerikanische Präsident Trump seit Jahren und sehr öffentlich herumposaunt. NATO-obsolet: dafür müsste man eine „Greta finden“.
Die Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit in der Zeit des Kalten Krieges macht aber noch etwas anderes geradezu glasklar. Im Vorfeld der Wiedervereinigung hat im Sommer 1988 die amerikanische Regierung die Ansicht deutschen Parlamentariern gegenüber vertreten, dass „die gesamte sowjetische Militärpräsenz in Mitteleuropa nur dem Schutz von Mütterchen Russland nach den Erfahrungen mit Napoleon und Hitler gelten würde“, also rein defensiver Natur sei.
Und die amerikanische Militärpräsenz? Die Antwort hat vor einigen Jahren der damalige Chef des US-Instituts „Stratfor, Herr George Friedman, bei einer berüchtigten Rede in Chicago gegeben. Danach haben die USA seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 alles unternommen, eine gegen dieses Deutsche Reich gerichtete Politik zu machen. Das ist ihnen über die Finanzierung von Frankreich und England im Ersten Weltkrieg, den eigenen Kriegseintritt 1917, Versailles 1919 mit seiner ausgelegten Lunte für einen Zweiten Weltkrieg und die Unterstützung von Adolf Hitler gegen die staatliche Ordnung Deutschlands hinlänglich gelungen. Herr George Friedman hat aber seine Aussagen nicht alleine auf Deutschland bezogen. Für ihn war es erklärte amerikanische Politik seit 1871, jede vernünftige Zusammenarbeit auf dem Kontinent zwischen Russland und Deutschland zu hintertreiben. Das ist die Rolle, die heute wesentlich dem Agieren der amerikanischen Militärbefehlshaber in Europa beigemessen wird. Jede Nacht, die Gott geschaffen hat, rollen die amerikanischen Militärgeräte an Dresden vorbei nach Osten. Russland ist in diesem Denken dran.
Alle diejenigen, die sich am 1. September 2019 in Warschau treffen, um an den Ausbruch des Krieges 1939 zwischen dem Deutschen Reich und Polen zu erinnern, sollten sich fragen, warum sie sich nicht schon in Versailles getroffen haben oder danach, warum Herr Präsident Putin nicht eingeladen wurde oder danach, was als nächstes ansteht?