Der Dauerregen hörte gegen 19 Uhr auf, einer Aufführung auf der Bregenzer Seebühne von Mozarts ’Zauberflöte` stand nun nichts mehr im Wege, wenngleich man sogar schon mit der Hausversion geliebäugelt hatte. Doch der Anblick von 7000 Menschen, die warm verpackt, mit Regenhaut und Decken versehen, zum Festspielhaus eilten, ließ solch selbstsüchtige Gedanken schnell verschwinden und man stürzte sich couragiert in die Menge. Nachdem wieder mal die Inhaber der Plätze in der Mitte der Reihe zu allerletzt kamen, man die Wolldecke, die Regenhaut sowie das Kissen zum vierten Mal schön arrangiert hatte, saß man endlich mollig warm Schulter an Schulter mit dem Sitznachbarn und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Der Bodensee hatte einen hohen Wellengang an diesem Abend, einige Schiffe kamen daher verspätet an, doch keiner klagte, es regnete ja gottlob nicht mehr, das war das Losungswort. Die starke Wellenaktivität verhindert Auftritte vom Wasser aus, aber sonst lief alles wie gewohnt. Die Akrobaten turnten wieder in luftiger Höhe beim Auftrittskampf von Gut gegen Böse. Leider hat man während der gesamten Vorstellung nicht ausmachen können, wer denn nun in welche Kategorie gehörte.
Kniefall vor dem Kommerz?
Weil die staatlichen Zuschüsse in den letzten 20 Jahren nicht erhöht wurden, müssen die Bregenzer Festspiele enorm hohe Eigeneinnahmen erwirtschaften. Man spricht von 80% von 20 Millionen Euro. Giordanos Revolutionsoper „André Chenier“ gilt mittlerweile künstlerisch als einer der größten Erfolge in der Festspielgeschichte, doch die Zuschauerzahlen waren nicht ganz so blendend, unzählige Busunternehmen schienen dem unbekannten Titel zu misstrauen. Wunschprojekt von David Pountney für seine letzte Arbeit in Bregenz war das Musical ’Show Boat`, doch die aufgeschreckten Finanzplaner gaben dafür kein grünes Licht.
Gut so, könnte man sagen, aber das war vielleicht eine Entscheidung gegen die Kunst. Wenngleich ’Die Zauberflöte` ein Publikumsrenner ist, zeigt die Inszenierung, dass David Pountney mit diesem Werk nicht den gewohnt genialen Inszenierungsstil aufbauen konnte. Er scheint der Grundaussage der Oper nicht zu trauen, Eingeweihte und Entsagende sind seine Sache nicht, so werden Sarastro und seine Mannen auch bedingungslos demontiert. Jeder kämpft gegen jeden auf einer Bühne, die von drei riesigen Höllenhunden bewacht wird. Aufblasbare Savannengräser werden auf und ab gefahren, das ermüdet schnell, auch wenn die Drehbühne immer neue Effekte liefert (Bühne Johan Engels). Zudem wurde das Werk auf 140 Minuten zusammengestrichen, was aber nur den Opernkenner stört. Selbst der kann die Handlung dann teilweise in all der Hyperaktivität nicht mehr einordnen. Der Mehrzahl der Besucher gefällt dieses Sience Fiction-Märchen, der ’Krieg der Sterne` lässt grüßen.
Gewinner Tiroler Festspiele Erl
Angefangen hat Gustav Kuhn mit seinen Festspielen 1998. Ermüdet vom immer oberflächlicher werdenden Kulturbetrieb, wurde ihm klar, dass er, um seinen eigenen künstlerischen Idealen treu zu bleiben, eine eigene Spielstätte finden müsse, und so begab er sich auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Zwar hätte er auch einen Spielort in Berlin wählen können, doch sein Instinkt riet ihm sich für den Passionsspielort Erl in Tirol zu entscheiden.
Das Haus, mit seinen 1500 Plätzen, grandioser Akustik und großer Bühne, erwies sich als gute Entscheidung; es liegt auf der grünen Wiese inmitten einer ländlichen Idylle, dennoch ist es von München, Salzburg und Innsbruck schnell erreichbar. Die ersten zwei Jahre finanzierte Kuhn aus eigener Tasche, er setzte seine gesamten Ersparnisse ein und war sich voll bewusst, was der Ausstieg aus einer internationalen Dirigenten-Karriere bedeuten könnte.
Im Mittelpunk in Erl standen von Anfang an die Werke Richard Wagners, und für das angeschlagene Bayreuth dürften die Festspiele auf der grünen Wiese sicherlich mittlerweile zu einer Konkurrenz geworden sein. Nach der Fertigstellung des neuen Konzertsaals, gibt es nun auch ein Porgramm für die Wintermonate. Das Projekt ’Erl` ist enorm erfolgreich und auf der großen ’Festspielbühne` angekommen. Die gesamte Region identifiziert sich damit, sei es als Zuschauer oder auch als Dienstleister. Man hilft sich gegenseitig und alle profitieren von dem kulturellen Aufschwung dieser auch landschaftlich so interessanten Region. Wo die großen etablierten Institutionen Abnutzungserscheinungen zeigen, lohnt es sich durchaus neue musikalische Initiativen zu gründen, denn das Publikum sucht vermehrt ein künstlerisch seriöses Ambiente. Immer mehr kleinere Festspielorte können steigende Besucherzahlen melden.
Der Westallgäu ein Geheimtipp
So auch ein Paradies, nicht weit vom Bodensee entfernt. Abseits der Staus, welche die enorm gewachsenen Besucherströme rund um See erzeugen, kann man auf 800 Meter Höhe in dem kleinen Kneipp-Kurort ungestört wandern sowie auch gesund und deftig speisen. Scheidegg – die Sonnenterrasse über dem Bodensee genannt – ist das erste glutenfreie Dorf in Europa. Man hat sich dort auf Menschen eingestellt, die unter Zöllakie leiden. Ein kluger Schachzug. Ein ungemein kreatives Freizeitangebot steigert weiter die Attraktivität der sonnenreichsten Gemeinde Deutschlands (lt. deutschem Wetterdienst) ´, zu dem auch vielfältige musikalische Aktivtäten gehören; wo ein breitgefächertes Diskussionsspektrum geistige Nahrung anbietet, wie Vorträge mit der Überschrift ’Eine Seele auf dem Weg zur universellen Einheit`. Kochkurse für glutenfreie Gerichte sind natürlich auch zu buchen, ebenso, wie geführte Sonnenuntergangs- und Vollmondwanderungen. Ohne dem Kommerz zu sehr zu huldigen, zeigt sich die Region visionär und ökologisch geprägt. Auf dem Baumwipfelpfad Skywalk Allgäu, in knapp 1.000 m Höhe in Scheidegg-Oberschwenden, sehen Sie den Wald und die Umgebung aus ganz neuer Perspektive.
Es ist immer spannend, die ausgetretenen Pfade der Touristik zu verlassen, abseits der Marketing-Highlights gibt es viel zu entdecken, was durchaus belebend und gesund sein kann und sich für das Portemonnaie zudem noch als höchst erholsam zeigt. Die Zufahrtsstraßen nach Scheidegg sind gut ausgebaut, auch im Winter ohne größere Gefahren zu bewältigen. Es gibt eine Querverbindung von nur 10 km zu einer weiteren Sonnenterrasse über dem Bodensee, dem Ort Eichenberg auf der österreichischen Seite. Hier hat man von jedem der drei Gasthöfe einen atemberaubenden Blick über den See und die Alpen. Im Gasthof Sonnenhof soll es die besten Kässpätzle im Leiblachtal geben. In dieser Region findet man noch viel Brauchtum aus einer vergangenen Zeit, die Menschen sind durchweg geprägt von einer freundlichen Gelassenheit, die sie auch einer intakten Natur verdanken sowie einer noch bewusst gelebten Tradition.