Vielleicht nicht ganz verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich das Werk in den letzten fünfzig Jahren im Opern-Ranking einen beachtlichen 20. Platz sichern konnte. Und stoßen nicht ein Mann, der sich in den schönen Schein eines Puppenautomaten verliebt, eine Frau, die auf merkwürdige Weise an ihrem eigenen Gesang zugrunde geht sowie eine Kurtisane, die einem Verehrer listig seinen Schatten raubt, nicht automatisch auf das Interesse des Publikums?
Aufführungskonzept
Zu erwarten war dies von Anfang an allerdings nicht. Denn Offenbach verstarb noch vor der Fertigstellung des Werkes und hinterließ somit auch kein geschlossenes Aufführungskonzept. Mit der Folge, dass in vielen neuen „Uraufführungen“ das dem Komponisten unterstellte Konzept wieder einmal neu in Szene gesetzt wurde. In einer solchen Variationsbreite, dass die dabei jeweils auftretenden Widersprüche für sich sprachen.
So fiel dem Duo Renaud Doucet (Inszenierung) und André Barbe (Bühnenbild, Kostüme) die anspruchsvolle Aufgabe zu, ein Konzept zu erstellen, das bei aller thematischen Vielfalt doch ein höchstmögliches Maß an innerer Geschlossenheit aufweist. Ein Anspruch, der – wie der Premierenapplaus beweist – bestens von ihnen eingelöst wurde.
Erzählstränge
Wie Hoffmann wollen auch Doucet und Barbe Geschichten erzählen. Dazu arbeiten sie die Erzählstränge der einzelnen Akte deutlich heraus: Wenn sie die Puppe Olympia in eine illustre Ansammlung von Menschen nachempfundenen Automaten hineinversetzen. Oder die bereits vom Tod gezeichnete Antonia in eine häusliche Eislandschaft verbannen, in der bis ins Publikum hinein das Blut zu gefrieren scheint. Ganz im Gegensatz zu der Sinnlichkeit Giuliettas, unter deren erotischem Einfluss selbst ein Herz aus Stein wie von selbst dahin schmilzt.
Kontinuität schafft bei alledem mit ihrem strahlenden Sopran Nette Or, die nicht nur alle drei Frauenrollen zu singen hat. Sondern dazu auch noch die der Primadonna Stella, die als Geliebte Hoffmanns alle drei Rollen in sich vereint. Auch die diabolisch handelnden Bösewichte Lindorf, Coppelius, Dr. Miracle und Dapertutto sind trotz ihrer Unterschiedlichkeit bei Martin Tzonev in einer Person bestens aufgehoben.
Apotheose
Großartig auch Susanne Blattert, die als Muse vor der zuweilen aussichtslosen Aufgabe steht, Hoffman vor seiner Liebe zu den Frauen für die Leidenschaft zur Kunst zu bewahren. Und, fast eine Sensation, die Entdeckung des jungen Sébastien Guèze für die nur schwer überschaubare Rolle des Hoffmann. Ein krankheitsbedingter Ausfall hatte diese Umbesetzung erforderlich gemacht. So durchmaß sein wunderbar tragender Tenor brillant alle Höhen und Tiefen des jeweils unterschiedlichen Stimmungen unterworfenen Handlungsverlaufs.
Dabei stets unterstützt von einem unter der zupackenden musikalischen Leitung von Hendrik Vestmann bestens aufgelegten Beethoven Orchesters Bonn. Ein Klangkörper, der bis in die Apotheose des 5. Aktes nicht müde wurde, die dem Stück innewohnende Dramatik angemessen zum Ausdruck zu bringen. Insgesamt eine Sternstunde der diesjährigen Bonner Spielzeit.
Weitere Aufführungen: 21., 27. März, 5., 12., 17., 19., 25. April, 7., 13., 17. Mai, 12., 17., 21. Juni 2015