Man muß schon Frida Kahlo-Fan sein, um diese Originale, Fotografien der einzelnen ABC-Seiten, zu goutieren und ihnen das Bekannte zu entnehmen. Aber man muß ganz und gar nicht Fan sein, nur neugierig, um zu erfahren, was die Interpretin über die aufgeführten Namen und Personen herausgefunden hat. Maria Félix beispielsweise, die wunderschöne mexikanische Filmschauspielerin – wirklich!, das zeigt auch das Foto – wird in ihrer Zwitterstellung dargestellt, daß sie einerseits vom Wieder-Ehemann Diego Rivera gemalt und geliebt wurde, was Frida schmerzte, andererseits eine Freundin von Frida Kahlo war. Seltsam. Eine Freundin nur. Unseres Wissens war sie mehr als das und gerade das machte das Zwitterhafte aus. Der Geliebte Nick Murray, den sich Frida Kahlo in der Zeit zwischen Ehe 1 und 2 mit Diego Rivera leistete, wird ausführlich mit den Briefen und Tagebuchpassagen geschildert.
Ein Tip für das Lesen wäre es, bei solchen Hauptpersonen des Adreßbuchs anzufangen und dann die Namen weiterzuverfolgen, die im jeweiligen Artikel vorkommen. So ergibt sich ein Lebenszusammenhang, den die alphabetische Namensreihung nicht bringen kann, die aber technisch die Voraussetzung ist. Es gibt übrigens ein hübsches kleines Leinenbändchen, wie das Adreßbuch mit dem Konterfei der Frida inmitten von Blumen und Papagei, das für Ihren Gebrauch als Adreßbuch dient. Beide in dieser Knallfarbe, heute Magenta genannt, zu der wir immer scharfes Pink sagen täten.
„Endlose Liebe“ nennt sich der berückende Band aus dem Verlag Elisabeth Sandmann, in dem Laure Adler & Elisa Lécosse „Leidenschaftliche Frauen in der Kunst von Tizian bis Warhol“ in ganzseitigen Abdrucken uns vor Augen bringen. Unter ihnen auf der Seite 150 auch „Die beiden Fridas, diesem eindrucksvollen Bild der Frida Kahlo, in dem sie ihre zwei Seiten malt, die europäische im bürgerlichen feinen Kleid und die mexikanische in der Tracht aus Teuantepec. Viel ist über die vieldeutige Aussage ihres Bildes gerätselt worden. Die beiden Autorinnen gehen dies psychoanalytisch an, sicher zutreffend, wenn man das kleine Diegoporträt, das die mexikanische Frida vor ihren Schoß hält als die Doppelfunktion des Diego als Ehemann und Kind ansieht: sowohl als erwünschtes Kind von ihm, wie auch als Mutter für das Kind im Manne, das Diego ihr gegenüber immer blieb.
So werden im Buch einerseits weibliche Ikonen der Gegenwart gezeigt, die Filmstars Rita Hayworth und Marilyn Monroe, aber auch Frauen aus der Bibel, die wie Esther oder Eva oder Judith von berühmten Malern hinreißend schön gemalt wurden, aber natürlich auch die griechischen Göttinnen wie Venus und vor allem die berühmteste und am meisten gemalte Frau aller Zeiten: die Jungfrau Maria, Mutter und Himmelskönigin. Den namentlich Genannten werden als Einordnung dann noch einmal Kapitel zugeordnet, die beispielsweise heißen „Die Frau und die Liebe“ oder „Weibliche Magie“ auch „Frauen und Macht“. Wir fanden die thematische Zusammenfassung dann gar nicht wichtig, weil man sich an den Frauendarstellungen aus allen Jahrhunderten auch so erfreut, die gescheite Interpretationen mit sich führen und wo auch die beiden schlafenden Frauen von Courbet aus dem Jahr 1866 auf zwei Seiten ihren ineinandergeschlungenen Schlaf vorführen dürfen, was die Verfasserinnen mit „Sappho“ überschreiben, was uns einfach ein an die Natur und den Schlaf hingegebenes Frauenpaar ist.
Ganz schön konträr dann die „Bauhaus-Frauen“, die Ulrike Müller ebenfalls im Verlag Elisabeth Sandmann herausgegeben hat. Hier geht es um die „Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design“, die in der Vorankündigung noch als „Frauen der Moderne“ angepriesen wurden. Aber das sind sie sowieso und ihre berufliche Qualifizierung schon auf dem Titel anzugeben, ist völlig richtig. 20 Frauen hatten es geschafft, das Vorurteil der Künstlerkollegen, daß Frauen höchstens fürs Weben geeignet seien, zu überwinden und konnten in verschiedenen Bereichen am Bauhaus, in Weimar, Dessau und Berlin arbeiten. Nur wenige sind bekannt, darum ist das ein richtig wichtiges Buch, mehr über das Bauhaus und mehr über die weibliche künstlerische Kraft an und in ihm zu erfahren. Wir kannten nur ganz wenig, Ida Kerkovius oder auch Anni Albers, deren Ehemann Josef auch am Bauhaus war und die beide im Exil in den USA reüssierten. Der Essay über Ilse Fehling beispielsweise ist hochinteressant und so ging es uns nach und nach bei allen, daß wir uns anschließend fragten, warum wir die meisten dieser Frauen bisher nicht wahrnehmen durften.
Gleich mit einem Doppeltitel fahren die beiden Autorinnen Ulrike Halbe-Bauer und Brigitta Neumeister-Taroni auf: „Er, Ich &Die Kunst“ und „Die Frauen der Künstler“, erschienen im Belser Verlag. Quer durch die Kunstgeschichte kommt so ein aufschlußreiches Bild zustande, wie Frauen von Künstlern, hier meist Malern, in völlig unterschiedlichen Rollen wesentlich für den Erfolg ihrer Männer wurden. Agnes Frey Dürer wird als Kauffrau vorgestellt, aber erst einmal freut einen die historische Darstellung ihres Einzugs in Frankfurt, wie Person und Zeit dem Leser nahegebracht werden.
Das nämlich fehlt uns oft, die Distanz zu unserem heutigen Leben, um das früherer Zeiten aus ihrer Zeit heraus wahrnehmen zu können. Das ist ein ausgezeichneter Artikel, der uns auch den Künstler Dürer von einer anderen Seite zeigt. Erfolgreich waren am Schluß beide, denn für diese Agnes gilt der Allerweltssatz im Besonderen: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“. Nur weiß man es so selten, weshalb die fundierten Artikel über die Frauen von Vermeer, Mendelssohn, Liebermann, Monet, Giacometti, Corinth, Dalí oder die Gönnerinnen und Musen von Michelangelo, Karl Staufer Bern, van Gogh einem wohltun. Vor allem auch, weil hier anspruchsvolle Texte zustandekommen, aus denen man viel erfährt und lernt, und nicht mit berühmten Namen und schönen Bildern nur äußerlich Glanz eintritt.
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Frida Kahlo, Das private Adreßbuch, hrsg. und kommentiert von Christine Fischer-Defoy, Verlag Koehler & Amelang 2009
Adler & Lécoss, Endlose Liebe, Elisabeth Sandmann Verlag 2009
Ulrike Müller, Bauhaus-Frauen, Elisabeth Sandmann Verlag 2009
Halbe-Bauer/Neumeister-Taroni, Er, Ich & Die Kunst, Belser Verlag 2010