Und die fünf Herren, die auf unserem Bild die erste Veranstaltung über ein Großplakat ankündigen, haben recht, denn in einem vereinigten Europa, das zeichnet sich schon heute ab, werden die seit dem 19. Jahrhundert favorisierten Nationalstaaten an Bedeutung verlieren und die Regionen diese identitätsstiftende Funktion stärker übernehmen. Gegen diese politisch und kulturell notwendige Entwicklung stehen derzeit aber noch vielfach die Egoismen der Gemeinden und Gebietskörperschaften. Und natürlich hat eine Stadt wie Frankfurt in einem Umland, das länderübergreifend von Mainz bis Limburg, von Aschaffenburg bis Darmstadt reicht, mit seinem Museumsufer, der Oper und dem Theater, der Alten Oper, der Universität und vielen anderen Institutionen eine so herausgehobene Position, daß sich manche vor ihrer Übermacht fürchten, statt durch so eine regionale Kulturgemeinschaft auch die regionale Metropole ’einzugemeinden’.
Also fangen mit den Kulturfonds erst einmal im Rhein-Main-Gebiet die Kreise Hochtaunus und Main-Taunus an sowie die Städte Darmstadt und Frankfurt. Pro Einwohner werden an die Kulturfonds 2 Euro abgegeben, worauf das Land Hessen diesen Betrag verdoppelt und für die nächsten drei Jahre zusätzlich mit je einer Million stützt, so daß für das kommende Jahr sechs Millionen zur Verfügung stehen. Die werden nun in Kultur umgesetzt und so steht die erste Gemeinschaftsunternehmung unter dem Motto „Phänomen Expressionismus“, was den geschichtlichen Schwerpunkt, den der Expressionismus im Rhein-Main-Gebiet hatte, widerspiegelt.
Max Beckmann war Lehrer an der Städelschule und hatte bis 1933 sein Atelier in Sachsenhausen. Eine Ausstellung im Museum Giersch ab September 2010 wird ihn und seine Schüler, aber auch seine Widersacher zum Thema haben und die Einheit: Künstler, Händler, Sammler auch in ihren Konkurrenzen und Widersprüchen aufzeigen. Wie Beckmann konnte sich auch der in Aschaffenburg geborene Ernst Ludwig Kirchner als von den Nazis als ’entarteter Künstler’ Diffamierter ins Exil retten. Beide hatten übrigens an den Folgen ihrer Soldatenzeit im 1. Weltkrieg bitter zu leiden. Kirchner war immer wieder zur psychischen Regeneration im Taunus. Beide haben auch Motive der Region immer wieder zu Bildern gemacht. Ab April 2010 wird E.L. Kirchner in einer Retrospektive im Städel gewürdigt. Else Lasker-Schüler, diese als expressionistische Dichterin wie als Bildkünstlerin gleichermaßen Begabte, deren Schreiben aber bekannter ist, wird im Jüdischen Museum ab September 2010 eine Ausstellung erhalten, in der ihr bildnerische Schaffen endlich breit eine Rolle spielt. Dazu paßte gut die im Museum Wiesbaden beheimatete größte internationale Sammlung von Jawlenskys, die zustandekam, weil Alexej von Jawlensky dort bis zu seinem Tode lebte. „Das Geistige in der Kunst – Der Blaue Reiter, Jawlensky, Kandinsky und die Folgen“ im Museum Wiesbaden greift ab Oktober 2010 thematisch auf, was Kandinsky 1911 in einer kunsttheoretischen Schrift begründet hatte, bevor er seine ersten abstrakten Aquarelle malte, den künstlerischen Beweis für seine Theorien.
Zwischen Frankfurt und Wiesbaden liegt Hofheim, dessen Stadtmuseum die im Expressionismus wiederentdeckten Holzschnitte und Holzskulpturen der Brücke-Künstler Heckel, Kirchner und Schmidt-Rottluff in der Ausstellung „Scharfer Hieb und zartestes Schnitzen“ im Oktober 2010 zeigen wird. „Gesamtkunstwerk Expressionismus“ heißt eine Ausstellung auf der Mathildenhöhe Darmstadt ab Oktober 2010, die ein Phänomen des Expressionismus aufs Tapet bring: die neuen Künste und deren Ineinandergreifen im Expressionismus: Film, Kunst, Literatur, Theater, Tanz und Architektur 1905 – 1925. Und Expressionistisches gibt es auch aus dem Staatstheater Wiesbaden, das sich ab September 2009 mit allen Sparten am „Phänomen Expressionismus“ beteiligt, worauf wir im zweiten Teil noch eingehen.
P.S. Das Programm „Phänomen Expressionismus“ weist überzeugend die gemeinsamen Wurzeln dieser Kunst-, ja Lebensrichtung im Rhein-Main-Gebiet auf und damit auch die inhaltliche Berechtigung eines regionalen Zusammenschlusses, der aus kulturpolitischen Gründen eh geboten ist, also die Kulturfonds frankfurtrheinmain. Wir tun uns nur mit dem Namen und vor allem der Schreibweise so schwer. Mal groß-, mal kleingeschrieben, mal gar nicht geschrieben, sondern als Rhein-Main-Gebiet definiert, mal im Singular, „der Kulturfonds“, mal im Plural „die Kulturfonds“ ist und bleibt dies ein sperriger Begriff. Wir können uns vorstellen, daß die Namensgebung nicht leicht war, dann sollte aber wenigstens die Schreibung einheitlich sein. Diese Kleinschreibung von Festivals ist auch von gestern, aber der Expressionismus ist lebendig und dessen Phänomen sollte einen sprachlich angenehmen Träger haben.