Besançon
Vauban – das ist der Name, der neben anderen großen Namen wie dem Kind der Stadt Victor Hugo, der Brüder Lumière, Pioniere des modernen Kinos, und Pierre-Joseph Proudhon, Sozialist und Anarchist („Eigentum ist Diebstahl“), ein Streitpartner von Karl Marx, sofort in den Ohren klingt. Freigeister und Revoluzzer atmen tief durch und auf.
Im hübschen, modernisierten Hôtel Vauban am Quai Vauban mit Blick auf den Fluss Doubs mit seinen Ausflugsschiffen (ausgesprochen: Du), die Kirche St. Madeleine mitten im historischen Viertel im Blick, ist man sofort mitten im Geschehen der Geschichte. Maurice, der zuvorkommende Hotelier parkt das Auto – es ist sehr kompliziert sich ohne einheimische Hilfe im historischen Zentrum von Vauban zurechtzufinden: überall Absperrungen und Umleitungen. Das Navigationsgerät versagt – wie immer in historischen Zentren mit all ihren Verkehrstücken. Aber ein so hilfsbereiter Hôtelier nimmt einem den Anreisestress aus der Hand und sofort kann man sich in Besançon wohl fühlen.
Patrick, mein Guide, kommt pünktlich, um mich die Grande Rue hinauf zu führen, vorbei an römischen Baurelikten (Triumpfbogen) zum Bischofssitz der barocken Kathedrale St. Jean. Besançon erinnert an Paris und Patrick erklärt, das sei der „Style Haussmannien“. Die Patrizierhäuser mit ihren typischen vielen, mehrrohrigen Schornsteinen auf den Dächern, sind aus hellem Kalkstein gebaut, der in einem nahen Steinbruch gewonnen wurde. Vesontio, so Patrick weiter, war der Name, den die Römer der Stadt gaben, die sie von den Galliern eroberten. Eine wechselvolle Geschichte der Eroberungen folgte, bis Ludwig der XIV sie in seinen Besitz nahm. Sofort beschloss er, dass die Stadt besser befestigt werden müsse und beauftragte hiermit seinen Haus- und Hofstararchitekten für diese Belange: General Vauban, der schon etliche imposante Festungsanlagen für den Sonnenkönig schuf. In der ganzen Grande Région in Saar-Lor-Lux finden sich beeindruckend Unesco-Weltkulturerbe Zitadellen des Großmeisters.
Als Universitätsstadt verfügt sie auch über eine international renommierte Sprachenschule, in dem futuristischen Bau an den Ufern des Doubs gelegen, auf den Patrick weist.
Der Reichtum der einstmaligen Wein produzierenden Stadt zeigt sich auch heute noch in den Gebäuden der Altstadt. Hier haben sich überall preiswerte Ladenketten eingemietet – die Grande Rue ist also nicht die Champs-Élysées und das am Samstag zum Einkaufen flanierende Volk stammt aus bescheidenen Verhältnissen – kein bling-bling! Hier ein leckeres Eis beim Salon de Thé, da ein kurzer Besuch in den Galeries Lafayette, (die ebenfalls eher bescheiden sind im Vergleich zum Pariser Mutterhaus) – nach den Besuchen der historischen Museen kann frau/man sich hier noch delektieren. Schöne, schattige Straßencafés in der autofreien Innenstadt laden zum Verweilen ein.
Patrick führt mich vorbei am Musée des beaux arts,welches bis 2017 wegen Umbauarbeiten geschlossen ist zum Rathaus, Mairie de Besançon, wo das Office de Tourisme untergebracht ist. In einem Raum läuft eine Multimedia-Präsentation zur Geschichte Besançons. Eine hilfreiche Mitarbeiterin versorgt mich mit allen nötigen Broschüren und Plänen. Die Mairie ist in einem ebenfalls attraktiven, historischen Gebäude untergebracht, eine Hochzeit wird im Innenhof gefeiert und Rosenblätter werden verstreut. Auf dem Boden dort sieht man die Stadtwappen von Besançon und Freiburg im Breisgau – sie sind Partnerstädte. In der Multimedia-Show befindet sich auch ein Pappmaché-Modell von Besançon, auf das die wechselnden geschichtlichen Besitzverhältnisse plastisch projiziert werden: die Gallier bauten als Erste in der großen Schleife des Doubs ihre Hütten, umringt von sieben Hügeln. „Wie in Rom!“ stellte Julius Cäsar nach seiner Eroberung fest.
Patrick führt mich weiter zum Musée du temps. Einst wichtigste Uhrenstadt Frankreichs mit der Firma Lip, mussten die Werke aufgrund finanzieller Probleme geschlossen werden, begleitet von unzähligen vergeblichen Streiks der arbeitslos werdenden Bevölkerung. Es kam zu einem großen Skandal, der auch in der deutschen Presse Wellen schlug.
Im Uhrenmuseum sind neben bedeutenden Gemälden und Skulpturen natürlich alle Arten von großen und kleinen Zeitmessgeräten ausgestellt, kostbare, attraktive, von der Wiege bis heute, darunter auch ein Foucault’sches Pendel und eine Atomuhr . Wenn man nach oben auf dem Turm klettert, bietet sich nicht nur eine phantastische Sicht über die Stadt, sondern auch ein Blick von oben herab auf das hin- und herschwingende Foucault`sche Pendel.
Durch die Stadt führen 5 Touristenwege, die mit kleinen, sympolüberzogenen Dreiecken auf dem Bürgersteig gekennzeichnet sind, erklärt Patrick, während wir weiter zum Geburtshaus von „Frankreich’s Goethe“ Victor Hugo’s gehen, welches jetzt Museum ist. Hier – wie erhebend – an der Wiege des sozialen Engagements, des Vaters der „Les misérables“, der unter Vielem sagte: „Die Regierungen sind manchmal Banditen – die Bevölkerung nie!“ oder „Es ist einer Regierung nicht mehr erlaubt, ein Mörder zu sein als einem Individuum!“ – wer kennt nicht Victor Hugo! Das Museum ist eine äußerst informative Hommage an diesen freigeistigen Vordenker, der als begünstigter Ex-Royalist nach Schwingen von liberalen Reden auf die englischen Kanalinseln fliehen musste. Als kleinen „Leckerbissen“ für mich erbittet Patrick auch noch den Ausnahmegefallen, mich in die antike Apotheke im Parterre zu lassen, wo man die Arzneien in den Porzellanvasen und –gefäßen und geschnitzten Holzschublädchen förmlich noch schnuppern kann.
In vergeistige Höhen gehoben schwebe ich voll von Gedanken der sozialen Gerechtigkeit und Revolte mit Patrick hinauf zur Kathedrale. Schweben ist das Beste, was man tun kann, denn hier geht es steil bergauf! Das Innere der Kathedrale bezeugt ebenfalls den ehemaligen Reichtum der Stadt: reich dekoriert mit schönen Kirchenfenstern und zwei Altarschiffen.
Patrick begleitet mich noch zum Office de Tourisme und ich bedanke mich herzlich für seine Einführung in die Schönheiten und den Freigeist der Stadt. Selbst in der Kirche St. Madeleine predigte der Priester sonntags: „Bevor man die Welt rettet, muss man seine Seele retten!“
Last but not least steht das „Must“ und „Highlight“ der Stadt auf dem Programm: die Zitadelle aus blau-weißem Kalkstein hoch oben auf dem Mont St. Étienne gelegen, am Ende der sich hinauf windenden Grande Rue. Für Konditionslose empfiehlt es sich, mit dem Auto zum Parkplatz hochzufahren oder mit dem Touristenbimmelbähnchen, denn nicht nur die Zitadelle ist atemberaubend, sondern auch der Aufstieg. Für ihren Besuch sollte man schon zwei Stunden veranschlagen. Sie ist unglaublich schön und die bislang schönste Festung, die ich von Vauban bisher gesehen habe. Ein Wehrgang führt um sie herum, der die besondere Lage Besançons in der Schleife des Doubs in einem Panoramablick bis in die Weiten der Vogesen und des Jura offenbart. Der Audioguide erklärt die Geschichte und im riesigen Innenhof sind in den Kasernen Museen angelegt, die die Geschichte der Resistance und die Schrecken der Herrschaft der „braunen Pest“ (Nazis) erläutern. Ja, auch hier spielte die Zitadelle eine Rolle – die Mörder und Kriegsverbrecher des Naziregimes wurden nach ihrer Niederlage hier als Kriegsgefangene eingesperrt. Ein Denkmal erinnert an die ermordeten Franzosen.
Heute amüsieren sich kinderreiche Familien in den zooähnlichen Tieranlagen mit Kängurus, Affen, japanischen Fischen und vielem anderen mehr, was Kindern Freude macht und somit wird den historischen, bestens erhaltenen Gemäuern Leben eingehaucht. Kindersommerschulen kommen mit Amüsierprogramm gerne hierhin!
Weitere Museen, wie das Heimatmuseum oder das Vauban-Museum runden neben der gelungenen Multimedia-Show in der Kirche St. Étienne (die extra für diese Zwecke umfunktioniert wurde) den überwältigenden Gesamteindruck ab. Besançon – la ville discrète – eine bezaubernde Stadt, die zu entdecken sich lohnt!
Juragebirge – Lac Saint Point
„Besançon ist eine sehr grüne Stadt von viel Natur umgeben.“ stellt die Lothringerin Léo beim Frühstück im „Vauban“ fest. „Für Frankreich ungewöhnlich.“ behauptet sie. Schnell wird ihre Behauptung bei der Weiterfahrt bestätigt. Hoch geht es in die Tannenwälder des Juragebirges, die 200 km die Franche Comté durchziehen und zwei Départements durchqueren: das Département Doubs im Norden und das Département Jura entlang der Schweizer Grenze. Von Längstälern unterbrochen, reihen sich die Berge aneinander. Dunkel bewaldete Gipfel, tiefe Schluchten und schroff in den Kalkstein eingeschnittene Täler hinterlassen mit ihren lichtdurchfluteten Weiden und verstreuten Seen unvergessliche Eindrücke. Auf 1000 Meter Höhe geht es zum Lac Saint-Point, auch Riviera des Haut-Doubs genannt. Im „Hotel du Lac“ (welches auch schon bessere Tage gesehen hat und an Thomas Mann’s Zauberberg-Ambiente erinnert) feiert im Restaurant die fröhliche Runde einer biederen Motorradclique von Baden-Würtembergern mittleren Alters zwei Geburtstage. „Als Baden-Würtemberger kommen wir oft ins Elsass.“ sagt eins der Geburtstagskinder und seine Frau korrigiert ihn: „Franche Comté – die beiden Regionen sind direkte Nachbarn. Den Tripp haben wir uns als Geburtstagsgeschenk gewünscht.“ Bei Pariser Lauchsuppe, Fischmousse mit Weizenrisotto, einer an den Tisch gefahrenen Käseplatte mit „Fromage de la Région“ (Tomme de Montagne, Morbier, Comté 18 mois, Cancaillotte u.a.) zeigt das Land seine kulinarische Vielfalt. Als Apéritif gibt es grünfarbigen „Absinthe“: das „Teufelsgetränk“ berühmter Absinth-Trinker wie Renoir, Gauguin, van Gogh, Baudelaire, Toulouse-Lautrec u.v.a.m. ist wieder in Mode. Es wird in einer Zeremonie mit einem speziellen Löffel mit Zucker beträufelt und mit Wasser aufgefüllt: „La décadance d’avant-hier.“ Die Digestifs der Region Tannenlikör und Alpenveilchenschnaps wärmen auch sicher gut beim Après-Ski im Wintersportgebiet, als das der Lac Saint-Point auch glänzt in der kalten Saison.
Belfort
Die Rückfahrt durch das Gebirge nach Belfort führt entlang des Doubs, der beim Durchgraben seines Bettes im Kalkstein etliche besichtigungswürdige Grotten hinterlassen hat, wo es sich zu verweilen lohnt. Eine Augenweide ist es, dem Schlängeln des immer schmaler werdenden Flusses Richtung Quelle durch Felder, Wiesen und Auen zu folgen – die Straße folgt dem Flusslauf. Erwähnenswert sind auch die immer wieder auftauchenden Spezialitätenläden, die in modernisierten Gehöften alle kulinarischen Köstlichkeiten der Region feilhalten, inclusive Verkostungen. In Besançon angekommen steht die Vaubaun-Zitadelle auf dem Programm mit dem berühmten „Löwen von Bartholdi“, dem monumentalen 21,5 m langen und 10,7 m hohen Denkmal aus rotem Sandstein für die Befreier Belforts (1870-71). Frédéric-Auguste Bartholdi, elsässischer Bildhauer aus Colmar, ist auch der Schöpfer der New Yorker Freiheitsstatue. Belfort gehörte in der wechselvollen Geschichte einst zum Elsass.
Wunderschöne Panoramablicke von den Aussichtsplattformen entschädigen für den mühsamen Aufstieg. Für Gehbehinderte empfiehlt sich wieder die Auffahrt mit dem Touristenbimmelbähnchen. Eine Tour mit dem Audioguide durch die Gänge des Forts lässt erschaudern – so viel Blutvergiessen, so viel Grauen! Die französische Flagge hoch oben flattert auf Halbmast – dreitägige Staatstrauer um die Opfer des Flugzeugabsturzes in Mali.
Ein Salat auf der Place d’Armes in der Altstadt lässt wieder Leben in die Adern fließen und rechtzeitig vor einem der schlimmen Gewitter der Sommersaison 2014 rettet das Auto die Heimfahrt durch die wunderschönen Landschaften der Franche-Comté/Bourgogne.
Mehr Informationen:
http://www.belfort-tourisme.com/de/vorstellung/belfort-und-die-region.php
http://de.franche-comte.org/offre/fiche/lac-st-point/336000543
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Unterstützerhinweis:
Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Comité Régional du Tourisme de Franche-Comté, La City, 4, rue Gabriel Plançon, 25044 Besançon Cedex, France.