Es war das goldene Zeitalter der Papagalli. Auf den ersten Blick sicherlich Männer von zweifelhaftem Ruf. Und doch verfügten sie über ein bemerkenswertes Charisma, gelang es ihnen doch stets, ohne Umschweife zur Sache zu kommen. Und dabei ihren erwartungsvoll Schlange stehenden Strand-Bekanntschaften ein Stück Dolce Vita auf dem silbernen Tablett südlicher Sinnlichkeit zu servieren. Unverbindlich und in der ungezwungenen Leichtigkeit passionierter Lebenskünstler.
Auch Sansa, so erinnert man sich hier, gehörte zu ihnen. Der einst ungekrönte König der Papagalli am Strand von Rimini. Ein Mann, der die Klaviatur seines Handwerks virtuos beherrschte und dabei doch stets bescheiden blieb. Vielleicht einer der Hauptgründe dafür, warum ihm seitens seiner Verehrerinnen die Sympathien nur so zuflogen und ihre Liebesbriefe nach eigenen Angaben bei ihm zuhause Kisten füllten. Aber auch er widerstand nicht der Versuchung, seine amourösen Erfolge anhand einer ausgeklügelten Punkteliste zu dokumentieren. Vor allem deshalb, soviel Eitelkeit musste wohl sein, um die eigenen Erfolge in Sachen Intimität gegenüber der Konkurrenz überzeugend hervorzuheben.
Geheimnisse östlicher Körperlickeit
Sicherlich eine aufregende Zeit am oftmals geschmähten „Teutonengrill“. Doch attraktiv genug, um ihr heute noch nachzutrauern? Wohl kaum. Ist es inzwischen doch längst gelungen, Alternativen an einem der berühmtesten Badestrände der Welt zu schaffen und diesen auf ganzer Länge in einen respektablen „Wellness Beach“ zu verwandeln. Mit einem umfassenden ganzheitlichen Körperprogramm, an dem sich alljährlich 40 Strandbäder der Emilia Romagna mit insgesamt 1000 (!) Einzelveranstaltungen pro Saison beteiligen. Ein wahres Wellness-Eldorado, in das man täglich eintauchen kann.
Beispielsweise in die Yoga-Meditation am pulverfeinen Sandstrand von Rimini. Hier führt Gayatori Randi ihre Gäste täglich ein in die Geheimnisse östlicher Körperlichkeit, wie sie es einst in einem indischen Ashram von der Pike auf gelernt hat. Schon nach mehreren Übungen im sanften Licht der Morgensonne fühlt sich der Körper im ständigen Wechsel von Anspannung und Entspannung energetisch durchflutet. Ein ungewohnt intensives Wohlgefühl, das jeden aktiv Meditierenden tagsüber begleitet. So wird Rimini während der Sommermonate nicht zuletzt mit Gayatoris professionellem Beitrag zur angesagten Wellness-Hauptstadt Italiens.
Farbenprächtiges Lichterspektakel
Der Drang zur Neuerung hat inzwischen auch das kulturelle Leben der Region erfasst. So lädt die Stadt Rimini alljährlich ein zu „La Notte Rosa“. Jener rosaroten Nacht, in der sich die gesamte Innenstadt in eine Kulisse gediegener Festlichkeit verwandelt. Zum Beispiel vor der schneeweiß leuchtenden Fassade des Grand Hotel di Rimini. Jenes unlängst stilvoll renovierten Prachtbaus, in dessen Räumlichkeiten das Erbe des Filmregisseurs Federico Fellini gepflegt wird, der in Rimini das Licht der Welt erblickte. Hier finden während der Feierlichkeiten die kulinarischen Köstlichkeiten der Region regen Absatz, angeregt durch die Klänge der Band von Francesco de Gregori, die von der Piazza Fellini eindringlich herüber schallen.
Die Feierlaune erstreckt sich von der Innenstadt bis hinunter um Yachthafen. Hier drängt sich um das erleuchtete Riesenrad herum eine Vielzahl Schaulustiger, um sich punkt Mitternacht das Feuerwerk nicht entgehen zu lassen, dessen Vorboten bereits die gesamte Küstenlinie in ein farbenfrohes Lichterspektakel einhüllen. Zunächst nur zaghaft hatte alles vor wenigen Jahren begonnen. Und niemand vermochte damals zu glauben, so rückblickend Touristenführerin Helga, zu welchem Erfolgsrezept sich „La Notte Rosa“ bereits innerhalb kürzester Zeit entwickeln würde.
Hochstapler und Frauenheld
Demgegenüber fasziniert im Hinterland von Rimini das Erbe der Vergangenheit. Zum Beispiel die hoch über dem Tal der Marecchia gelegene Bilderbuchstadt San Leo. Einstmals ein strategischer Ort für geschichtliche und militärische Wechselfälle im Machtkampf der sich feindlich gegenüberstehenden Fürstengeschlechter der Feretros und Malatesta. Dabei im wahrsten Sinne des Wortes überragend die Festungsanlage von San Leo, die in ihren kolossalen Ausmaßen wie eine Verlängerung des sie tragenden Felsens erscheint. Von ihren wehrhaften Mauern aus gibt sie den Blick frei auf die sanft rollende Hügellandschaft bis hinüber zu der Felskulisse der kleinen Republik San Marino. Mit der Übernahme durch den Kirchenstaat wurde die Festung im Inneren allerdings zu einem drakonischen Gefängnis ausgebaut. Seine fluchtsicheren Zellen und besonders die unmissverständlichen Verhörräume lassen noch heute erschauern. Nur dem berühmtesten seiner Insassen, dem Alchimisten, Hochstapler und Frauenheld Graf Cagliostro gelang es mit seinem vielfach bewährten Charisma, den Gefängniswärter auf seine Seite zu ziehen. Dafür landete er in einem noch tieferen Verlies. Und wurde, ähnlich dem Grafen von Monte Christo, erst recht zu einer schillernden Person, mit dessen zwiespältigem Schicksal sich sogar Johann Wolfgang von Goethe literarisch auseinander setzte.
Magie des Sangiovese
Zur Tradition gehört natürlich auch die Küche der Emilia Romagna. Wohl niemand beherrscht ihre Feinheiten so gut wie Giuseppina in der „Osteria Belvedere“ von San Leo. Virtuos knetet, walzt und rollt sie den Teig nach allen Regeln der Kunst zu einer hauchdünnen Masse. Allein um daraus das pikante Piadina-Brot herzustellen, das in der Region zu fast jeder Mahlzeit serviert wird. Berühmt sind auch ihre den Spätzle ähnelnden Strozza Preti, die, übergossen mit einer sämigen Soße, schon fast als eigenes Hauptgericht gewertet werden können.
Dazu darf natürlich auch ein guter Wein nicht fehlen. Anregungen dazu finden sich in der nahe gelegenen Ortschaft Dozza. Hier sucht man nicht lange nach der in der ganzen Umgebung bekannten „Enoteca Regionale Emilia Romagna“. Hier schwört Weinkenner Marco Canè auf den „Sangiovese Reserva“, den er den Spitzenweinen seiner umfangreichen Weinsammlung zurechnet. Und zweifellos gibt ihm die von ihm geleitete Weinprobe durchaus Recht. Grund genug, um sich anschließend beschwingt auf den Weg zu machen und in den Gassen von Dozza die illustren Wandmalereien entspannt auf sich wirken zu lassen. In der Tat eine Genussregion, in der die Feierlaune nicht zu enden scheint.
Reiseinformationen “Rimini / Emilia Romagna”:
Anreise/Einreise: Günstig mit Lufthansa nach München, weiter mit Air Dolomiti nach Bologna; bis Rimini mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Zur Einreise reichen ein gültiger Reisepass oder ein Personalausweis.
Reisezeit: Von Frühling bis Herbst überwiegen die touristischen Möglichkeiten, inklusive Ausflüge ins Hinterland. „La Notte Rosa“ jeweils zum Sommeranfang.
Reisebüros: Reisen in die Emilia Romagna können in fast allen Reisebüros gebucht werden, z.B. Reisebüro An der Oper, Kapuzinerstraße 11, Bonn, Telefon: 0228-9262698-0, Web: www.rautenberg-reisen.de
Unterkunft: in Rimini: Villa Adriatica, www.ambienthotels.it/villaadriatica; Grand Hotel, www.grandhotelrimini.com; Dozza: Albergo Canè, www.ristorantecanet.it
Auskunft: Emilia Romagna Tourismus: www.emiliaromagnaturismo.com; Rimini Tourismus: www.riminiturismo.it; Hinterland von Rimini, San Leo und Pennabili: www.de.riviera.rimini.it